Dienstag, 21. März 2023

Ласкаво просимо – Herzlich Willkommen! Hybride Solidarität zwischen digitaler Infrastruktur und handfester Unterstützung.

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Lorans El Sabee
Lorans El Sabee
Lorans El Sabee unterstützt als Werksstudent die Bonner Redaktion und ist Masterstudent an der Bonner Universität. Zu seinen Hobbys gehören das Schwimmen und Netflix zu schauen. Ferner beschäftigt er sich gerne mit der Geschichte der politischen Ideen und reflektiert über eine Vielzahl politischer Probleme.

Aus der Not heraus ziehen viele Vereine und Initiativen eigene Vermittlungsbörsen auf, um private Unterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge zu vermitteln. Hier zeigt sich hybride Hilfe: analog und digital, staatlich und gesellschaftlich.

Wenn man durch deutsche Innenstädte geht, hört man an vielen Ecken Unterhaltungen auf Russisch oder Ukrainisch. Mittlerweile sind über 331.600 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert. Ihre Zahl steigt kontinuierlich. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) handelt es sich um die schlimmste Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Gesamtzahl der geflohenen Ukrainer liegt laut UN bei über 4,6 Millionen. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich höher, denn Ukrainer können sich zunächst für 90 Tage frei in der EU bewegen. Sie müssen sich erst registrieren, wenn sie staatliche Leistungen beantragen. Geflüchtete, die nicht privat bei Familien oder Bekannten unterkommen, sind darauf angewiesen, dass die Kommunen ihnen Notunterkünfte – z.B. in umfunktionierten Turnhallen – zur Verfügung stellen.

Trotz aller Hilfsbereitschaft stoßen viele Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung der Geflüchteten an ihren Grenzen. Bereits die Registrierung ist eine bürokratische Hürde und kommt nur schleppend voran. Die Infrastruktur der Behörden ist überfordert. Kommunen versuchen im Eiltempo, Strukturen aufzubauen.

Häufig müssen Geflüchtete in Privatwohnungen unterkommen. Menschen, die man nicht kennt, die man noch nie zuvor gesehen hat, bei sich zu Hause aufzunehmen, ist nicht unbedingt selbstverständlich. Zwei Harvard-Studenten haben eine Website programmiert, die ukrainische Flüchtlinge mit Menschen zusammenbringt, die ihnen eine Unterkunft anbieten und diesen Vorgang erleichtert und etwas hybrider gestaltet.

Avi Schiffmann und Marco Burstein studieren an der Harvard Universität. Wie viele auf der ganzen Welt beteiligten sie sich an Protesten gegen den Überfall Russlands auf die Ukraine. Doch das reichte ihnen nicht. Sie wollten aktiv bei der Vermittlung von Unterkünften für ukrainischen Flüchtlingen helfen. So entstand bei Schiffmann die Idee von www.ukrainetakeshelter.com. Schiffmann schrieb seinem Kommilitonen, Marco Burstein, ob er ihm helfen könne, schnell eine Website zu entwickeln. Die Website sollte sowohl für Helfer*innen als auch für Hilfesuchende leicht zu navigieren sein. Die beiden arbeiteten fast ununterbrochen an dem Projekt. Nur drei Tage nach der ersten Idee ging Ukraine Take Shelter online. Die Website ist mittlerweile in zwölf Sprachen verfügbar. Auf ihr können ukrainische Kriegsflüchtlinge schnell Gastgeber mit freien Zimmern, ungenutzten Ferienwohnungen oder andere Wohnungangebote finden. Die meisten Gastgeber, die sich melden, leben in den unmittelbaren Nachbarländern der Ukraine. Aber Schiffmann und Burstein erzählen, sie hätten auch schon Angebote aus Israel und Kanada erhalten. In einigen Fällen übernehmen die Gastgeber sogar die Kosten für Flugtickets, um die Familien in Sicherheit zu bringen.

Die beiden Studenten aus Harvard beklagen, dass die offiziellen Webseiten der Regierungen nur schwer zu bedienen sind. Jemand, der vor Explosionen und Schüssen geflohen ist und dringend eine Bleibe finden muss, sollte eine einfach zu bedienende Seite vorfinden. 

Ukrainetakeshelter.com funktioniert so, dass Flüchtlinge ihren aktuellen Aufenthaltsort eingeben. Es erscheinen Dutzende von Unterkunftsangeboten aus den nächstgelegenen Städten. Man kann auch die Anzahl der Personen angeben, die eine Unterkunft benötigen, und ob sie Haustiere oder Familienmitglieder mit besonderen Bedürfnissen haben. Das Design der Webseite ist einfach gehalten. Aus Sicherheitsgründen werden keine genauen Adressen der Gastgeber oder der Flüchtlinge angegeben.

Dieses Beispiel eines Hilfsangebots ist hybrid in dem Sinne, dass digitale Anwendungen und wirkliche, analoge Hilfe Hand in Hand gehen. Sie ist auch hybrid in dem Sinne, dass Staat und Zivilgesellschaft zusammen den Menschen in Not helfen. Es ist mittlerweile eines von vielen. Gemeinnützigen Unterkunftsvermittlungen sind mittlerweile weit verbreitet. Projekte wie „Zusammenleben Willkommen“ des „Mensch Mensch Mensch e.V.“ oder auch „Warmes Bett“ des Netzwerks „Unterkunft Ukraine“, oder die Berliner Plattform Wunderflats und die #LeaveNoOneBehind-Plattform sind weitere Beispiele Gemeinnütziger Unterkunftsvermittlungen.

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