Mittwoch, 22. Oktober 2025

Warum es GrundschullehrKRAFT heißt

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Von allen Gründen, aus denen du diesen Artikel liest, wäre der schönste sicherlich der, dass du überlegst, selbst Lehrer*in zu werden. Denn wie du bestimmt aus den Medien weißt: Lehrkräfte – besonders an Grundschulen – werden dringend gesucht. Was du bei deiner Entscheidung bedenken solltest, möchte ich dir hier aus meiner Sicht schildern.

Der Beruf der Grundschullehrkraft verlangt viel. Das beginnt im Bachelor- und Masterstudium und setzt sich im eineinhalbjährigen Referendariat fort. Man braucht Kraft. Kraft in den Beinen, um im Schulalltag zwischen Klassenräumen, Sporthalle, Lehrer*innenzimmer, Kopierraum und Sekretariat hin und her laufen zu können. Kraft im Kopf, um sich ständig gefühlte hundert Dinge gleichzeitig zu merken und auf jegliche Anfragen seitens der Schüler*innen sowie des Kollegiums spontan reagieren zu können. Kraft im Herzen, um wütenden oder weinenden Kindern empathisch, aber professionell begegnen zu können. Und die Kraft, sich trotz bildungspolitischer Widrigkeiten und gesellschaftlich oft fehlender Wertschätzung, persönlich nicht unterkriegen zu lassen.

Im Berufsalltag stehst du im ständigen Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Kinder, den Erwartungen der Eltern und den Anforderungen der Politik. Gleichzeitig musst du dich im Kollegium einfinden, dich mit ihnen austauschen und mit der Schulleitung sowie dem OGS-Personal aus der Nachmittagsbetreuung kooperieren. Diese Vielzahl an Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven fordert nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional. Vielfach müssen Dinge parallel bedacht, besprochen und bearbeitet werden.

Als Klassenleitung eines ersten Schuljahres und Fachlehrerin für Englisch in den dritten Klassen, bin ich zudem auch in verschiedenen Bereichen gefordert. Die Kinder bringen unterschiedliche Stärken, Schwächen und Lebenserfahrungen mit, von denen ich oft nur wenig weiß. Dennoch soll ich jedem Kind gerecht werden und individuelle Förderung bieten (vgl. Schulgesetz NRW § 1). Manche sprechen kaum Deutsch, andere sind unkonzentriert, mögen bestimmte Fächer nicht oder fühlen sich im Klassenverband unwohl. Diese alltägliche Unterrichtssituation bringt mich emotional öfter an meine Grenzen – besonders, wenn ich zwischen zwei Klassenräumen pendle, Arbeiten parallel erledigen muss und direkt beim Betreten des nächsten Raums ein aufgelöstes Kind einen Streit schildert.

In solchen Momenten wünsche ich mir mehr Zeit – Zeit, mich dem Kind wirklich widmen zu können, ohne ständig auf die Uhr sehen zu müssen. Und ich wünsche mir mehr Personal, das den Unterricht übernehmen kann, während ich mich kümmere. Doch beides fehlt. Statt spürbarer Entlastung gibt es meist nur politische Ankündigungen, die im Schulalltag kaum etwas verändern.

Trotzdem – und vielleicht gerade deshalb – motiviert mich als Grundschullehrerin jeden Tag aufs Neue die Arbeit mit Kindern. So abgedroschen es auch klingen mag: Kinder geben einem unglaublich viel zurück. Mit ihnen gemeinsam Hürden zu überwinden und persönliche Erfolge zu feiern, ist für mich das Wertvollste an diesem Beruf.

Also: Mit voller Kraft und Herzblut auf in die Grundschule!


(Foto: Privat)

Jana Luise Wuschke ist Grundschullehrerin in Bonn und leite seit August 2025 eine erste Klasse.

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