Krieg, Terrorismus, globale Epidemien – internationale Politik ist geprägt von einer Krise nach der anderen. Du hast vor vier Jahren selbst erlebt, wie ein Virus, der auf der anderen Seite der Welt ausbrach, dein Leben auf den Kopf gestellt hat. Vielleicht kennst du jemanden, der nun in Deutschland lebt, weil er/sie vor einem Krieg fliehen musste.
Andere internationale Einflüsse sind weniger offensichtlich. Preissteigerungen hier in Deutschland können zum Beispiel eine Folge von Handelskonflikten zwischen weit entfernten Ländern sein, und auch Entscheidungen von Ölstaaten können uns schmerzhaft treffen. Selbst wenn wir das manchmal nicht so wahrnehmen: Internationale Politik berührt fast alle Aspekte unseres Lebens. Man muss sich mit ihr beschäftigen, denn erst mit einem besseren Verständnis erkennt man, wie Staaten sich auf der internationalen Bühne zueinander verhalten, und wie man selbst in dieses Puzzle der Mächte passt.
Die Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Jena bietet dieses Verständnis auf universitärer Ebene: Wir treffen uns als Gruppe, vernetzen Studierende untereinander und vermitteln Wissen durch organisierte Vorträge, Vorlesungen und Simulationen. Dieses Semester stellen wir die Großtheorien der internationalen Beziehungen vor. Das klingt interessant, wird in einer ganz normalen Vorlesung aber schnell trocken. Daher erklären wir jede Großtheorie einprägsam anhand bekannter Geschichten wie Game of Thrones, Avatar – Der Herr der Elemente, Herr der Ringe und Arcane in unserer Veranstaltungsreihe “Hobbits, Hextech and Hegemons”.
Aber warum brauchen wir Theorien, um internationale Politik zu verstehen? Politik innerhalb eines Staates ist anders als Politik zwischen Staaten. Der Grund dafür ist die internationale “Anarchie” –das bedeutet aber nicht, dass die Welt in Krieg und Chaos versinkt. Mit Anarchie ist gemeint, dass es keine Weltpolizei gibt, die alle Staaten zum Befolgen der Regeln zwingen kann. Wenn du in Deutschland ein Verbrechen begehst, musst du dich vor einem Gericht verantworten. Die Polizei stellt sicher, dass du dem nachkommst und deine gerechte Strafe absitzt. Wenn aber ein Land wie China eine UN-Konvention missachtet, gibt es weder ein Gericht noch eine Polizei, die stark genug wäre, um die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt effektiv zu bestrafen. Dieser Unterschied macht es nötig, internationale Politik anders in Begriffe zu fassen. Das tun die Großtheorien der internationalen Beziehungen. Sie helfen zu erklären, wie und warum Staaten auf bestimmte Weise handeln, und versuchen auch, das zukünftige Verhalten von Staaten vorherzusagen. Man kann sich jede Theorie wie eine andersfarbige Linse vorstellen. Schaut man sich die Welt durch die eine an, erscheint sie blau – durch eine andere grün. Wissenschaftler debattieren seit langem, welche Farbe (Theorie) der Realität am nächsten kommt.
Schauen wir uns zum Schluss eine Theorie etwas genauer an: Der Neorealismus geht davon aus, dass die Anarchie des internationalen Systems Staaten nach Sicherheit streben lässt. Diese Sicherheit messen sie im Verhältnis zu anderen Staaten. Ergibt sich ein Ungleichgewicht – etwa, wenn Staat A mächtiger ist als Staat B – würde Staat B folgerecht seine Macht ausbauen wollen, um vor Staat A sicher zu sein. Eine typische Erscheinungsform so eines Machtausbaus ist das Balancing, wobei mehrere Staaten in einem Bündnis versuchen, die Dominanz eines bedrohlichen, mächtigeren Staates zu bremsen. Kommt dir das bekannt vor?
In Avatar – Der Herr der Elemente schließen sich verschiedenste Gruppen zusammen, um die Feuernation zu besiegen. Auch in James Camerons Avatar – Aufbruch nach Pandora sehen wir Balancing in Aktion, sobald sich die Stämme Pandoras gegen die menschlichen Invasoren vereinigen.
In unseren Veranstaltungen vertiefen wir uns weiter in diese realen Theorien, die in fiktiven Welten verkörpert werden – so kann Theorie auch Spaß machen!
Nele Söhnlein studiert Politikwissenschaft und Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ist dort stellvertretende Vorsitzende der Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Jena. Die Hochschulgruppe ist Mitglied im Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH).



