Freitag, 29. März 2024

Gimme gimme Moor, gimme Moor…

Reduce - Reuse - Recycle

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Was kommt euch als erstes in den Kopf, wenn ihr an Moore denkt? Früher hätte ich an Moorleichen gedacht oder den Hund von Baskerville – auf jeden Fall düster und gefährlich. Moore haben keinen guten Ruf in unserer Gesellschaft. Und das völlig zu Unrecht. Moore sind nämlich Teil der Antwort auf die Probleme unserer Zeit. Warum das so ist und was wir machen können, erklär ich euch gerne.

Moore machen 3,6 Prozent der Landfläche Deutschlands aus. Klingt erstmal wenig, sie sind aber für 6 Prozent der gesamten deutschen Treibhausemissionen verantwortlich. In meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar 36,7 Prozent der Emissionen. Das liegt daran, wie Moore entstehen. Das sind Feuchtgebiete, in denen typische Pflanzen wie Torfmoose oder Rohrkolben wachsen. Ein Moor ist quasi wie ein Kompost im Garten: Biomasse. Nur zerfällt in nassen Mooren die Biomasse ohne Luftzufuhr nicht. Sie bildet stattdessen Torf und bindet darin Treibhausgase. Mit der Zeit wachsen Moore immer weiter in die Höhe und binden durch das Wachstum immer größere Mengen CO2, Lachgas und Methan. Die neuen Torfmoose wachsen einfach über den alten. Legt man die Moore trocken, reagiert die Biomasse mit der Luft und emittiert genau diese gebundenen Gase. Alle, die sie über Jahrhunderte und Jahrtausende eingespeichert haben. Und damit das klar ist: das Moor muss dafür nicht brennen, es reicht, wenn es trocken ist. Deswegen ist so eine kleine Landfläche für so viele Emissionen verantwortlich.

Nasse Moore und gesunder Torf können aber noch viel mehr als nur Treibhausgase speichern: Torf funktioniert durch seine Struktur wie ein Schwamm. Bei Starkregenereignissen werden im Torf große Mengen Wasser aufgenommen und gespeichert und der Einfluss auf die restliche Umwelt wird dadurch abgefedert. Bei Hitzewellen kann das Wasser aus dem Moor verdunsten und die unmittelbare Umgebung abkühlen. Moore sind unsere Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise! Zumindest, wenn sie nass sind.

Sammlung von Torfmoosen für Kultivierungsversuche im Greifswald Moor Centrum. (Foto: Privat)

Es sind aber über 95 Prozent aller Moorflächen in Deutschland trocken gelegt. Dadurch konnte man Siedlungen bauen und Landwirtschaft betreiben – das Land urbar machen. Dass das lange als gut galt, merkt man beispielsweise daran, dass umgangssprachlich “der Sumpf ausgetrocknet werden muss”. Bis heute sind 74 Prozent der trockenen Moore in land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung. Durch die großen Emissionen kann das so nicht weitergehen: Moor muss nass! Wir können durch die Wiedervernässung von Mooren die Emissionen unmittelbar stoppen. Die Speicherfähigkeit – sowohl für CO2, als auch für Wasser – hat der tote Torf aber nicht mehr. Durch die Reaktion mit der Luft ist der Torf nicht mehr hydrophil (also wasserliebend), sondern hybrophob – er stößt Wasser ab und fühlt sich an wie bröckeliger Hüttenkäse. Bis sich neue gesunde Torfschichten aufbauen können, die Treibhausgase speichern, braucht das Moor mindestens 20 Jahre.

Wiedervernässung ist übrigens nicht das gleiche wie Renaturierung. Man kann auf nassem Moor Landwirtschaft betreiben. Und das sollte man auch. Auf nassen Niedermooren kann man beispielsweise Rohrkolben anbauen – ein hervorragendes Bau- oder Dämmmaterial – oder Seggen und andere Gräser, die man zu Pellets verarbeiten und für Biogasanlagen verwenden kann. In Malchin in Mecklenburg-Vorpommern wird ein Heizwerk mit der Biomasse aus dem Moor betrieben. Da die Torfschichten sich durch die Wurzeln aufbauen, kann das Moor trotz Ernte wachsen.

Auf nassen Hochmooren kann man Torfmoose anbauen, die ein perfekter Ersatz für Torf in Gartenbauerde sind. Deutlich besser übrigens als Kokos- oder Holzfasern. Man kann auch mit Schwarzerlen Forstwirtschaft auf nassen Mooren betreiben. In Fachkreisen nennt man die land- und forstwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moore Paludikultur. Wir müssen unsere Landwirt*innen bei diesem Schritt unterstützen und ihnen vor allem Planungssicherheit geben. So lange nicht klar ist, ob es genug Abnehmer*innen für die Produkte von wiedervernässten Mooren gibt, wollen die Landwirt*innen das Risiko der Vernässung nicht eingehen – versteh ich ehrlich gesagt total. Und solange es kein Angebot gibt, werden die Verbraucher*innen nicht nachfragen: es ist ein Teufelskreis. Das klappt nur, wenn wir als Politik gemeinsam mit den Landwirt*innen und Unternehmen an einem Strang ziehen und unterstützen. Ob es durch direkte Fördermittel für Paludikulturen ist, wie im Klima- und Transformationsfond, die Unterstützung durch erwerbbare Klimaanleihen wie den Moorfutures oder dadurch, dass wir bei eigenen Projekten wie der Wohnungsbauoffensive darauf achten, nachhaltige, nachwachsende Roh- und Baustoffe zu nutzen, die am Besten aus nassen Mooren kommen.

Nasse Moore sind nicht nur wunderschön, sie helfen uns die Klimakrise zu bekämpfen und unsere Einsparziele zu erreichen. Sie helfen uns Extremwetterereignisse abzufedern und halten Wasser in der Landschaft. Schaut mal nach, wo bei euch in der Nähe Moore sind, die ihr euch anschauen könnt – vielleicht verliebt ihr euch ja genauso wie ich. Ich bin Anna, 28 Jahre alt, Abgeordnete des Deutschen Bundestages und überzeugte Moorfluencerin. Am Anfang wurde ich dafür noch belächelt. Wenn ich aber erzähle wie krass wichtig Moore sind und dass sie weltweit doppelt so viel Kohlenstoff im Torf gespeichert haben wie alle Wälder auf der Welt, dann vergeht das Lachen schnell. Ihr könnt mithelfen, auf unsere Moore aufmerksam zu machen, sie zu schützen und weiter zu erzählen, wie wichtig sie sind: werdet fellow Moorfluencer*innen!


Anna Kassautzki ist seit 2021 direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I. Sie ist stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Digitales sowie ordentliches Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. In letzterem verantwortet sie u.a. die Berichterstattungen in den Bereichen Moor, Fischerei, Aquakultur und Munitionsberäumung in Nord- und Ostsee.

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