In Deutschland wird schon seit Jahren versucht, den Bürokratieumfang zu verringern, aber manchmal ist der Übeltäter gar nicht der deutsche Staat, sondern die EU mit ihren zusätzlichen Vorschriften. Eines der bekanntesten Beispiele ist vermutlich die Verordnung Nr. 1677/88/EWG zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken, die auf Wunsch der Händler bereits 1988 beschlossen wurde. Die dadurch resultierende negative Aufmerksamkeit für „überregulierende EU-Verordnungen“ war mitunter auch der Grund, warum die Normierung schon 2009 wieder abgeschafft wurde.
In vielen Fällen können solche Verordnungen komisch anmuten, haben in der Regel aber einen guten Grund. So z. B. auch bei einer, in der folgender Wortlaut zu finden ist: „Das Innere ist 0,4 cm dick, wobei eine Toleranz von plus minus zehn Prozent zulässig ist, der Teigrand ist ein bis zwei cm dick. Die Pizza ist insgesamt weich und elastisch und lässt sich leicht wie ein Buch zusammenklappen.“ Es handelt sich um die Verordnung (EG) Nr. 509/2006 Pizza Napoletana, aka die bekannte Margherita-Pizza. Auch diese genaue Definition von einem nationalen Gericht hat sich die EU nicht selbst ausgedacht, sondern sie wurde von napoletanischen Pizzabäcker*innen gefordert. Dadurch sollte die genaue traditionelle Rezeptur und Herstellung als Kulturgut geschützt werden, sodass nur wer sich an die in der EU-Regelung beschriebene Vorgehensweise hält, seine Pizza auch Napoletana nennen darf. Auch in Deutschland gibt es solche von EU-Verordnungen geschützten Kulturgüter wie die Aachener Printen oder die Bayerische Brezel.
Jedoch gibt es auch Beispiele, die etwas übervorsichtig sind und für unnötig viele Vorschriften und bürokratischen Aufwand sorgen. Eines ist das Seilbahndurchführungsgesetz, welches die EU erlassen hat, um allgemeine Regelungen für Seilbahnen und deren Sicherheit festzulegen. Es klingt erst mal sinnvoll, dass in der gesamten EU genormte Sicherheitsregeln für Seilbahnen gelten. Jedes Mitgliedsland muss die Verordnung in Landesrecht umsetzen, unter Androhung von hohen Bußgeldern bei Nichtumsetzung. Da in Deutschland Verkehrsrecht Ländersache ist, muss also jedes Bundesland diese Verordnung in geltendes Recht gießen. Warum das unnötige Bürokratie ist? Weil wir, gerade im Norden Deutschlands Bundesländer haben, in denen keine Seilbahnen existieren und auf Grund des flachen Landes wohl auch keine gebaut werden – ein Gesetz müssen die entsprechenden Regierungen trotzdem erarbeiten und beschließen.
Und habt ihr schon einmal früher in der Schule z. B. beim Tag der offenen Tür Muffins und Kuchen verkauft, um Geld für einen Schulausflug zu sammeln? Auch das könnte sich bald dank einer neuen EU-Vorschrift komplizierter gestalten. Denn die „Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter“, die 2027 in Deutschland in Kraft treten sollen, haben den Zweck, Unternehmen vor größerer Wettbewerbsverzerrung zu schützen. Solche können beispielsweise durch Kommunen hervorgerufen werden, nämlich dann, wenn diese Dienstleistungen anbieten, die eigentlich nicht in ihren Aufgabenbereich gehören, um damit zusätzliche Einnahmen zu generieren. Was das aber auch bedeutet: Kitas und Schulen könnten ab 2027 Probleme beim Kuchenverkauf bekommen. Sie würden damit nämlich umsatzsteuerpflichtig werden und Schulen und Kitas dürfen eigentlich keinen eigenen Umsatz generieren. Es gibt zwar Umgehungsmöglichkeiten – wie einen Förderverein zu gründen oder den Kuchen gegen Spenden abzugeben – dennoch sorgen solche wenig durchdachten Maßnahmen für viele Diskussionen und können den Frust, den vielleicht manche über die Regulierungen der EU empfinden, weiter anfachen.