Rathaus, Landkreis, Ministerium – wie komme ich da dran?
Ein Reisepass wird im Rathaus beantragt. Hält man exotische Tiere, die unter das Artenschutzgesetz fallen, müssen diese beim Regierungspräsidium angemeldet und registriert werden. Für Ehrenämter, wie Feuerwehr oder Katastrophenschutz, ist neben der Kommune, das Innenministerium zuständig. Ohne Verwaltung geht also nichts! Keine Kommune, kein Landkreis oder Bundesland kann ohne eine Verwaltung auskommen. Ihr obliegt die Dienst-, Rechts-, und Fachaufsicht über das öffentliche Leben und schützt somit die Rechte der Bürger*innen.
Das Abi so gut wie in der Tasche, stellt sich die Frage: Studieren an der Uni und danach Jobsuche oder Öffentlicher Dienst? Die Beamtenlaufbahn in der Verwaltung ist ein sicherer Arbeitsplatz mit fairer Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten. Immerhin ist der Staat mit seinen Behörden und der öffentlichen Verwaltung in Bund, Land und Kommune der größte Arbeitgeber in Deutschland.
Aber wie vorgehen, wenn der Bürgermeister der zukünftige Arbeitgeber sein oder exotische Tiere schon immer interessant waren, der Zoo aber Freizeitplatz und nicht Arbeitsplatz werden soll? Die Auswahl verschiedenster Tätigkeitsgebiete innerhalb der öffentlichen Verwaltung scheint schier grenzenlos zu sein.
In der freien Wirtschaft wird zuerst eine Fachrichtung studiert und sich dann auf Jobsuche begeben. In der Verwaltung bewirbt man sich auf eine Stelle und der zukünftige Arbeitgeber z. B. die Gemeinde oder der Kreis, entsendet seine Berufsanfänger*innen zur Hochschule. Vorteil – den Job hat man schon und kann sich voll und ganz auf das Studium konzentrieren. In Hessen wird an der Hochschule für Polizei und Verwaltung studiert. Sie bietet moderne, akkreditierte Bachelorstudiengänge für den gehobenen Dienst im Fachbereich Polizei, in der allgemeinen Verwaltung und bei der Deutschen Rentenversicherung an.
Je nach zukünftigem Job stehen die Studiengänge

Public Administration mit den Studienschwerpunkten
- Recht
- Ökonomie
- Sozialwissenschaften
- Arbeitsmethodik
zur Verfügung sowie der,
der Digitalen Verwaltung mit den Studienschwerpunkten
- Digitalisierung und Prozesse
- Informationstechnologie
- Verwaltung und Recht
- Mensch und Management
- Arbeitsmethodik.
Der Studiengang Public Administration kann an den vier Standorten Wiesbaden, Gießen, Mühlheim am Main und Kassel belegt werden, während der Studiengang Digitale Verwaltung nur in Kassel und Mühlheim angeboten wird.
Der Studiengang Sozialverwaltung mit dem Modul „Rentenversicherung“ gibt es nur in Mühlheim.
Das Studium dauert drei Jahre (6 Semester). Es setzt sich aus fachtheoretischen Studienabschnitten und fachpraktischen Studienabschnitten in den Ausbildungsbehörden zusammen. Prüfungen werden in Form von Klausuren, Präsentationen, Hausarbeiten, mündlichen Prüfungen und Praxisberichten abgelegt. Vom zweiten bis fünften Semester sind die fachtheoretischen Studienabschnitte mit fachpraktischen Studien (Praktika) von insgesamt einem Jahr verzahnt. In den Wahlpflichtmodulen des fünften Semesters werden dann die Schwerpunkte gebildet. Im sechsten Semester ist eine wissenschaftliche Abschlussarbeit (Thesis) anzufertigen, in der eine praktische Problemstellung aus einem Arbeitsfeld behandelt wird. Die Erarbeitung der Thesis ist mit einem Praktikum verzahnt. Nach Abgabe der Thesis bietet das Studium bis zum Kolloquium (mündliche Prüfung zur Thesis) ein berufseinführendes Praktikum, das durch Wahlmodule fachtheoretisch begleitet wird.
Die Masterstudiengänge an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung richten sich an Beamt*innen des gehobenen Dienstes und schaffen die Bildungsvoraussetzungen für den Aufstieg in den höheren Dienst. Zur Erlangung des akademischen Grades „Master of Public Management“ (MPM) müssen in den ersten fünf Semestern Studien- und Prüfungsleistungen in den nachfolgend dargestellten Modulen inkl. Wahlmodulen erbracht werden. Im fünften Semester ist eine teambasierte Projektarbeit zu erstellen. Im abschließenden Prüfungssemester ist innerhalb eines Bearbeitungszeitraumes von vier Monaten eine Masterarbeit zu erstellen und eine abschließende mündliche Prüfung zu absolvieren.
Studiert wird bereits seit 40 Jahren an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung (vorher Verwaltungsfachhochschule). An allen vier Standorten studieren nahezu 1.100 junge Frauen und Männer Verwaltungsstudiengänge, Tendenz – steigend. Wer sein Studium erfolgreich beendet hat, eröffnet sich die eigentliche Berufswelt beim jeweiligen Arbeitgeber. Durch die abgeleisteten Praktika sind die Studierenden bereits bestens integriert. Geht es sicherer?
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Professor Dr. Richard Merker ist seit 2001 Dozent an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV). Er ist u. a. für die Module Personalmanagement, Organisations- und Projektmanagement, Wirtschaftspolitik und Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens am Studienort Kassel verantwortlich.
Herr Prof. Dr. Merker, was unterschiedet die Studiengänge Public Administration und Digitale Verwaltung?
Die inhaltliche Ausrichtung beider Studiengänge ist schlichtweg unterschiedlich: Der „klassische“ Public Administration-Studiengang zielt darauf ab, innerhalb von drei Jahren hochqualifizierte Generalist*innen für die öffentliche Verwaltung auszubilden. Diese sind in der Praxis breit einsetzbar und binnen weniger Wochen können die Absolvent*innen dieses Studiengangs fast alle Tätigkeiten als Fachkraft in der gehobenen Sachbearbeitung oder auch als Führungskraft – bspw. als Team- oder Sachgebietsleitung – übernehmen. In diesen Studiengang fließen über vier Dekaden hochschulische Erfahrung ein. Der Studiengang hat sich über die Zeit im engen Dialog mit den hessischen Ausbildungsbehörden stetig weiterentwickelt. Oftmals wird in der Öffentlichkeit vernachlässigt, dass bspw. unsere Hochschule – damals hieß sie noch „Verwaltungsfachhochschule in Wiesbaden“ – die erste akademische Einrichtung in Hessen war, die ein duales Studienkonzept angeboten hat, das sich eng an den Bedürfnissen der Praxis orientierte. Zurzeit sind wir wieder dabei, die inhaltliche Ausrichtung etwas „nachzuschleifen“, da aktuelle Entwicklungen – wie bspw. die zunehmende Digitalisierung oder aber die Entwicklung neuer Dienstleistungsangebote – sich auch im Curriculum niederschlagen müssen. Die Zielsetzung bleibt für diesen Studiengang jedoch immer die gleiche: Wir bilden kompetente junge Menschen aus, die alle notwendigen Kompetenzen aus den Bereichen Recht, Wirtschaft, Soziales sowie Arbeitsmethodik für eine erfolgreiche Entwicklung in einer modernen öffentlichen Verwaltung erwerben.
Der Studiengang „Digitale Verwaltung“ hingegen vermittelt schwerpunktmäßig Handlungskompetenzen auf der Schnittstelle von moderner Dienstleistung und Digitalisierung. Hier bilden wir junge Menschen aus, die wichtige Fähigkeiten zur erfolgreichen Umsetzung von Vorhaben in den Bereichen Digitalisierung und Prozessmanagement in die Verwaltungspraxis einbringen. Das ist zurzeit in der Verwaltungspraxis einer der zentralen Kompetenzengpässe. Die Absolvent*innen werden in der Praxis quasi als „Digital Scouts“ dafür sorgen, dass die Anforderungen der klassischen Verwaltung und der IT besser miteinander in Einklang gebracht werden. Hierzu wird bei den Studierenden ein Verständnis für beide Perspektiven – die der klassischen Verwaltung sowie die der Informatik und moderner Organisationskonzepte – vermittelt. Die hierzu als notwendig erachteten Studieninhalte wurden in einer Vielzahl von Interviews mit Expert*innen verschiedener hessischer Behörden sowie in einer Befragung sämtlicher hessischer Ausbildungsbehörden identifiziert. Für uns als Hochschule war und ist dieser Studiengang gerade in der Anfangszeit eine nicht unerhebliche Herausforderung, da wir hier eine Vielzahl neuer Themen aufgreifen. So mussten für diesen Studiengang eine komplett neue Struktur und ein eigener Lehrkörper auf den Weg gebracht werden. Die Erfahrungen, die wir mit den Studierenden des ersten Jahrgangs in Kassel sammeln, stimmen uns sehr zuversichtlich und bestätigen uns in unserem Handeln als Hochschule.
Sie sind quasi der „Spiritus Rector“ des Studienganges „Digitale Verwaltung“. Warum wurde er eingeführt?
„Spiritus Rector“ des Studienganges hört sich natürlich etwas überzogen an. Aber mal ehrlich: Durch eine einzelne Person lässt sich ein Studiengang nicht einfach mal so auf den Weg bringen. Ich bin an der Stelle insbesondere meinen Kollegen Prof. Reichmann und Prof. Hogrebe für die aktive und konstruktive Zusammenarbeit dankbar. Ohne die beiden und die wirklich gute Unterstützung unseres Rektorats sowie des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport wäre der Studiengang sicherlich so nicht realisierbar gewesen.
Eingeführt wurde der Studiengang, weil immer mehr Anfragen aus der Praxis an uns herangetragen wurden. Heute sind alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung durch den zunehmenden Einsatz von Informationstechnologie durchdrungen. Es wird an neuen, regelmäßig IT-basierten Angeboten für die Bürger*innen gearbeitet und im sog. Back-Office-Bereich wird regelmäßig nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht. In einer modernen Verwaltung benötigt es Schnittstellenkompetenzen, die diesen neuen Anforderungen entsprechen.
Immer wieder mussten und müssen wir auch als Wissenschaftler beobachten, dass zwischen den Bereichen Verwaltung und den IT-Fachleuten eine „beidseitige Sprachlosigkeit“ vorherrscht. Beide Seiten reden oftmals einfach aneinander vorbei, was regelmäßig zu Missverständnissen, Friktionen und Frustration – und nicht zuletzt zu einer Vielzahl von suboptimalen Projektverläufen führt.
Dieser Sprachlosigkeit stellen wir mit unseren künftigen Absolvent*innen zukunftsorientierte, kompetente Nachwuchskräfte entgegen, die ein Verständnis für die Belange und Perspektiven beider Seiten aufbringen. Sicherlich können die Studierenden am Ende ihres Studiums der Digitalen Verwaltung nicht zaubern, aber sie bringen wichtige Kompetenzen in die verschiedenen Behörden ein, um den digitalen Wandel besser als in der Vergangenheit bewältigen zu können. Hierbei werden Anforderungen der Verwaltungspraxis in IT-Lösungen übersetzt und die entsprechenden Veränderungsprozesse begleitet, wie Digitalisierungsprojekte und -strategien zu entwickeln und zu organisieren, Prozesse in der Verwaltung aufzunehmen und zu optimieren sind.
Welche Vorteile haben junge Menschen in der öffentlichen Verwaltung, statt in der freien Wirtschaft?
Eine gute Frage. Leider wird öffentliche Verwaltung in der breiten Öffentlichkeit immer noch mit der verstaubten Aktenbearbeitung gleichgesetzt. Das entspricht aber eigentlich nicht mehr der Realität. Oftmals wird für Außenstehende gar nicht ersichtlich, wie attraktiv eine Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung ist. Kaum ein anderer Sektor kann mit einer solchen Bandbreite an Tätigkeitsfeldern und Entwicklungsmöglichkeiten aufwarten. Verwaltungen entwickeln sich zunehmend zu modernen Dienstleistern, die die Konkurrenz der Privatwirtschaft nicht fürchten müssen. Neben einer Vielzahl von attraktiven Einsatzfeldern bietet öffentliche Verwaltung gerade in einer Zeit zunehmender Dynamik und Ungewissheit eine sicherlich nicht zu unterschätzende Sicherheit des Arbeitsverhältnisses. In der öffentlichen Verwaltung gilt abseits des Laufbahnprinzips aber der gleiche Grundsatz, wie in der Privatwirtschaft: Die individuelle Entwicklung und der berufliche Erfolg hängen zu allererst von der eigenen Persönlichkeit, der Motivation, dem Engagement und dem Willen zum Weiterkommen ab. Liegen diese Faktoren vor, bieten moderne Verwaltungen wirklich attraktive berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Und wer sich informiert, wird sehen, dass die Bezahlung unserer Absolvent*innen nicht gerade unattraktiv ist.
Was aus meiner Sicht aber mit das Wichtigste ist: Als Bedienstete*r der öffentlichen Verwaltung diene ich dem Gemeinwohl und stelle überhaupt erst sicher, dass das Zusammenspiel in unserer Gesellschaft funktioniert. Es wäre schön, wenn das von selbst geschehen würde. Aber die Realität zeigt uns doch tagaus tagein, dass unser Zusammenleben zumindest in Teilen organisiert werden muss. Das fängt bereits bei der Anmeldung einer Kindesgeburt an. Öffentliche Verwaltung begleitet während aller Lebensphasen und hast das Ziel, Schaden von den Bürger*innen fern zu halten. Das geschieht ja nicht von selber. Nichts wäre für eine Gesellschaft schlimmer, als wenn sich nur das Recht des Stärkeren im Zusammenleben durchsetzen würde. Gerade dafür steht die öffentliche Verwaltung als Garant.
Wir alle nehmen öffentliche Verwaltung insbesondere dann wahr, wenn´s dort mal nicht so gut läuft. Dass dies aber die absolute Ausnahme ist, ist kaum jemandem bewusst. Dass Tag für Tag dafür gesorgt wird, dass unser gesellschaftliches Zusammenleben weitgehend reibungsfrei funktioniert, das ist ein Wert, der kaum zu toppen ist. Gerade in der öffentlichen Verwaltung können junge Menschen eine Gemeinwohlorientierung mit der eigenen beruflichen Entwicklung verbinden.
In der Summe kommt Vieles zusammen, was für ein Studium im Bereich der öffentlichen Verwaltung spricht.

Richard Merker hat Betriebs- und Volkswirtschaftslehre studiert, mit Abschluss als Diplom-Ökonom an der Ruhr-Universität Bochum (1991). Anschließend war er fünf Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, u. a. am Institut für Arbeitswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und am Institut für angewandte Innovationsforschung. Während dieser Zeit war er auch Berater für kleine und mittlere Unternehmen bei der Firma KMU-Consult in Gelsenkirchen. Es folgte 1997 die Promotion zum Dr. rer. oec. an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Im selben Jahr übernahm er die Geschäftsführung des Forschungszentrums für Personalentwicklung und fungierte als akademischer Rat am Institut für Arbeitswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Gelehrt hat er an der Ruhr-Universität u. a. Anreizmanagement, Change-Management und Innovationsmanagement. Die Arbeit mit jungen Menschen in der Lehre macht ihm viel Spaß. Es ist ihm ein Anliegen, die Wirtschaftswissenschaft nicht nur als mathematik-geprägte Wissenschaft erlebbar zu machen: „Denn Wirtschaft ist schlichtweg eine spannende Angelegenheit.“ 2001 wechselt er als Hochschullehrer für Wirtschaftswissenschaften an die heutige Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung, Abteilung Kassel im Fachbereich Verwaltung. Hier finden Lehrende und Studierende – so Prof. Dr. Richard Merker in Kassel – im Fachbereich Verwaltung fast optimale Verhältnisse vor, mit engem Verhältnis der Studierenden und Lehrenden. Er vertritt weit über 10 Jahre die Hochschulen der öffentlichen Verwaltung in der Akkreditierungskommission von ACQUIN, der größten deutschen Akkreditierungsagentur.
Das Interview führte die Pressestelle der Polizeiakademie Hessen, Mark-Alexander Maus.



