Dienstag, 30. April 2024

Junge Menschen im Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung und für den Klimaschutz

Reduce - Reuse - Recycle

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Tafel Jugend

Joghurts, die ihr Mindesthaltbarkeitsdatum in zwei Tagen erreichen werden. Äpfel mit kleinen Schalenfehlern. Kisten voller Orangen, die ein Supermarkt in der Vorweihnachtszeit zu viel bestellt hat. Brötchen, die bei Ladenschluss noch im Regal liegen.

Solche Lebensmittel bleiben jeden Tag in Supermärkten, Bäckereien, Tankstellen und vielen anderen Lebensmittelläden übrig, obwohl sie ohne Einschränkungen genießbar wären. Sie sind in zu großer Menge vorhanden oder haben kleine Makel, die zwar nichts am Geschmack ändern, der Prüfung wählerischer Einkäufer*innen aber nicht standhalten. Werden sie nicht verkauft, landen diese Lebensmittel üblicherweise im Müll – allein der Einzelhandel verschwendet in Deutschland pro Jahr eine halbe Millionen Tonnen Obst, Brot und Co.

Dagegen engagieren sich 60.000 Tafel-Helfer*innen bei 962 Tafeln. Sie wollen verhindern, dass gute Lebensmittel weggeschmissen werden. Mit den Kühlfahrzeugen ihrer Tafeln holen sie Waren ab, die die Läden nicht mehr verkaufen können oder wollen, und bringen sie in die Tafel. Dort sortieren weitere Helfer*innen die Spenden, schmeißen das weg, was verdorben ist, und bereiten die guten Lebensmittel für die Ausgabe vor. Dann liegt ein riesiger Stapel bunter Paprikaschoten neben Kisten voller Kartoffeln und Kopfsalat, alles fein säuberlich sortiert.

Sortieren von Lebensmittelspenden bei der Dortmunder Tafel (Foto: Tafel Deutschland e.V./Nikolaus Urban)

Bei der Ausgabe verteilen die Ehrenamtlichen diese Lebensmittel an die Tafel-Kund*innen. Das sind mittlerweile über zwei Millionen Menschen, deren Geld nicht mehr zum Leben ausreicht. Kinder, Erwerbstätige mit geringem Einkommen, Geflüchtete, Erwerbslose und Rentner*innen: Zu den Tafeln kommen Menschen aus allen Altersgruppen und mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Pandemie und Inflation sorgen gerade dafür, dass immer mehr Menschen Unterstützung bei ehrenamtlichen Angeboten wie den Tafeln suchen.

In der Ausgabestelle drehen die Tafel-Kund*innen eine Runde, kommen vom Obst zum Gemüse, dann zu den Molkereiprodukten und Backwaren. Auch Eier, Konservendosen oder sogar Blumensträuße und Hygieneprodukte kann es geben.

Was genau eine Tafel verteilt, ist jedes Mal eine Überraschung: Wir geben die Lebensmittel und Produkte aus, die wir als Spende erhalten. Was und wie viel das ist, erfahren die Ehrenamtlichen oft erst, wenn sie mit dem Tafel-Transporter bei den Spender*innen vorfahren. Die Tafel-Helfer*innen lernen deshalb schnell, flexibel zu sein und die vorhandenen Mengen möglichst gerecht zu verteilen.

Auf diesem Weg retten die Tafeln pro Jahr 265.000 Tonnen Lebensmittel, die sie an armutsbetroffene Menschen weitergeben.

Transport von Lebensmittelspenden zur Dortmunder Tafel (Foto: Tafel Deutschland e.V./Nikolaus Urban)

Ohne die 60.000 Tafel-Aktiven wäre das alles nicht möglich, sie sind das Herz der Tafel-Arbeit. Wir freuen uns, dass auch immer mehr junge Menschen ein Ehrenamt bei der Tafel für sich entdecken. Besonders seit Beginn der Corona-Pandemie ergänzen viele Jüngere die Tafel-Teams. Da viele der älteren Tafel-Aktiven zur Risikogruppe gehören, haben sie ihr Engagement pausiert oder ganz beendet. Wir sind dankbar, dass viele Auszubildende, Student*innen und Berufseinsteiger*innen einsprangen. Noch dankbarer sind wir, dass so viele von ihnen der Tafel und dem Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung bis heute treu bleiben.

Das ist Engagement, das einen Unterschied macht und uns begeistert: Junge Tafel-Aktive stehen in der Ausgabe Seite an Seite mit älteren Helfer*innen. Sie arbeiten zusammen und lernen voneinander. Gleichzeitig haben einige von ihnen eigene Projekte gestartet. Bei der Tafel Datteln beliefern junge Engagierte beispielsweise ältere Kund*innen mit dem Lastenfahrrad. Bei der Tafel Niederberg hat eine Gruppe junger Student*innen die „Saturday Suppliers“ gegründet. Sie treffen sich jeden zweiten Samstag in den Tafel-Räumen, packen Kisten voller Lebensmittel und fahren sie zu Tafel-Kund*innen, die wegen ihres Alters oder wegen Krankheiten nicht mehr selbst vorbeikommen können.

Neben der klassischen Tafel-Arbeit – Lebensmittel retten, Menschen helfen – entdecken immer mehr Gruppen der Tafel Jugend, dass sie gemeinsam etwas bewirken können. Die Tafel Jugend ist ein Netzwerk aus jungen Freiwilligen bis 30 Jahre. Sie klären beispielsweise über Verschwendung auf, denn nicht nur der Handel entsorgt gute Lebensmittel. Überall dort, wo Menschen mit Lebensmitteln in Berührung kommen, werden sie verschwendet: bei der Ernte, der Produktion, beim Transport, aber auch in der Gastronomie und in Privataushalten. In Deutschland werden so jedes Jahr 12 bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel sinnlos entsorgt.

Das ist nicht nur ärgerlich für all die Menschen, die sich keine gesunde Ernährung leisten können. Diese riesige Verschwendung belastet auch das Klima. Laut WWF ist Lebensmittelverschwendung für bis zu zehn Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.

Vorgepackte Lebensmittelkisten zur Ausgabe im Freien Tafel Lampertheim (Foto: Tafel Deutschland e.V./Tafel Lampertheim)

Wie kann das sein? Jedes Lebensmittel verbraucht wertvolle Ressourcen: Ohne landwirtschaftliche Nutzfläche, Energie und Wasser werden aus einem Weizensamen kein Brot und aus einer Kartoffel keine Pommes. Bei Produktion, Transport und Lagerung werden zudem Treibhausgase ausgestoßen. Wer nach diesem langen Weg ein Lebensmittel ungegessen wegschmeißt, verschwendet auch die ganzen verbrauchten Ressourcen.

Deshalb retten wir in den Tafeln Lebensmittel, plädieren für einen bewussteren Umgang mit lebenswichtigen natürlichen Ressourcen und klären auf über Ursachen für die große Verschwendung wie beispielsweise das falsch verstandene Mindesthaltbarkeitsdatum.

Möchtest du mit uns Lebensmittel retten und das Klima schützen? Dann melde dich gerne bei der Tafel in deiner Nähe: www.tafel.de/tafel-suche.


Marco Koppe ist Geschäftsführer der Tafel-Akademie und seit Juli 2021 zusätzlich Geschäftsführer der Tafel Deutschland. Der studierte Sozialmanager und Sozialarbeiter gehört seit 2014 zum Team der Tafel Deutschland und war dort maßgeblich am Aufbau des Bildungsangebots für ehrenamtliche Tafel-Aktive beteiligt.

(Foto: Tafel Deutschland e.V./Navina Neuschl)
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