Das neue Paradigma der handlungsfähigen Verwaltung
Handlungsfähige Verwaltung der Zukunft
In Hinblick auf eine immer dynamischere und unbeständigere Welt (Stichwort VUCA+ und BANI) brauchen wir dringend zukunftsgerichtete Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung. Ein Lösungsansatz ist die handlungsfähige Verwaltung, die mit flexiblen Arbeitsweisen und agilen Ansätzen sicherstellt, dass die Verwaltung auch bei komplexen äußeren Einflüssen optimal agieren kann. Dabei wird Flexibilität im Kontext gesehen und agile Praktiken werden nur eingesetzt, wenn sie in Bezug auf Aufgabe und Umfeld angemessen erscheinen.
Handlungsfähige Verwaltung geht über eine Positionierung zwischen Struktur und Flexibilität hinaus. Digitale und automatisierte Prozesse werden eingeführt, um Ressourcen zu entlasten und für demografische Herausforderungen gewappnet zu sein. Außerdem rücken die Menschen wieder mehr in den Fokus: Nach intern und extern werden vertrauensvolle Beziehungen und Netzwerke aufgebaut und gepflegt. Intern werden eine offene Verwaltungs- und Teamkultur sowie Kommunikation gelebt. Dabei wird die Kompetenzentwicklung der einzelnen Mitarbeitenden ebenso mitgedacht.
Umsetzung einer handlungsfähigen Verwaltung
Wie das gelingen kann? Wir müssen Organisations-, Personal- und Kommunikationsentwicklung eng zusammen denken, Strukturen verändern, Menschen dabei begleiten und sowohl intern als auch extern immer wieder darüber kommunizieren. Es braucht an zahlreichen Stellen viel Veränderungs- und Gestaltungsenergie.
Über die Umsetzung einer handlungsfähigen Verwaltung haben wir im Netzwerk auch auf der NEGZ-Herbsttagung 2023 in Berlin diskutiert. Folgende drei Ergebnisse daraus möchte ich kurz skizzieren.
- Veränderung muss jeden Tag gelebt werden und fängt bei jedem von uns an. Du kannst jeden Tag in deinem Umfeld und deinem Wirkungskreis Veränderungen anstoßen und damit als Vorbild andere inspirieren.
- Wir müssen Veränderungspotenziale und Schnittstellen erkennen, auch wenn das bedeutet, den gewohnten Rahmen etwas zu verrücken oder Aufgaben wegzulassen, um Raum für Neues zu schaffen.
- Warum brauchen wir eine handlungsfähige Verwaltung und Veränderung? Über dieses „warum“ können wir unsere Kommunikationsmaßnahmen besser steuern und mehr Menschen aktivieren.
Wirkungsorientierung und ihre Mehrwerte
Die drei genannten Aspekte haben einen weiteren Überschneidungspunkt. Sie münden in der Wirkungsorientierung, die in der Verwaltung der Zukunft eine stärkere Rolle spielen muss. Alle Akteur*innen der öffentlichen Verwaltung haben einen eigenen Wirkungskreis (siehe 1.). Um Wirkungsorientierung über den subjektiven Rahmen hinaus zu erreichen, brauchen wir verfügbare Kapazitäten und den Mut die Komfortzone zu verlassen (siehe 2.). Zudem liefert Wirkungsorientierung fundierte Gründe für die Notwendigkeit einer Transformation. Die Umsetzung von Veränderungen erfolgt dabei stets aus der Perspektive der Wirkungsentfaltung (siehe 3.).
Zurück zum Anfang: Was bedeutet Wirkungsorientierung in einer handlungsfähigen Verwaltung? Wirkungsorientierung meint die Fokussierung der Aufmerksamkeit und Bestreben der ganzen öffentlichen Verwaltung auf den zu erzielenden Nutzen. Somit ist das übergeordnete Ziel von Aufgaben, Prozessen und Themenfeldern klar auf ihre Auswirkungen ausgerichtet. Die Distanz zwischen dem Handeln in der Gegenwart und dem tatsächlichen Wirkungsbereich in der Zukunft schrumpft. Mit einer direkteren Verbindung von Handlung und Wirkung wird auch die Selbstwirksamkeit von Menschen gesteigert, da konkrete Auswirkungen des eigenen Handelns vermehrt in das Bewusstsein rücken.
Praxisbeispiel: Wirkungsorientierter Einkauf
Um die Wirkungsorientierung in der Praxis zu veranschaulichen, blicken wir auf das öffentliche Einkaufswesen. Die Strukturen sind komplex, dabei aber nur in geringem Maße resilient und zudem teuer. Das hat schwerwiegende gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen. So kam es beispielsweise zu Beginn der COVID-19-Pandemie zu Verzögerungen beim Einkauf medizinischer Schutzausrüstungen und überhöhten Preisen bei Impfstoffen. Aufgrund der Komplexität und der hohen Anforderungen vieler Ausschreibungen nehmen insbesondere kleine Unternehmen häufig nicht an ihnen teil, wodurch Wettbewerb und Innovationsfähigkeit vermindert werden. Kurzum: Der Einkauf muss sich verändern und stärker auf eine langfristige positive Auswirkung auf die Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt fokussiert werden.
Dafür werden die Elemente einer handlungsfähigen Verwaltung eingesetzt. Auf der Organisationsebene muss die Transformation von der operativen Beschaffung zum datengetriebenen, wirkungsorientierten Einkauf gelingen, der personalentwickelnd die Mitarbeiter*innen einbezieht. Kommunikativ muss der Mehrwert eines transparenten öffentlichen Einkaufs für die Gesellschaft sichtbar gemacht werden. Das bedeutet, dass wir langfristig als Bürger*innen nachvollziehen können, wohin Steuergelder fließen oder wie der Einkauf unsere Gesellschaft konkret gestaltet.
Helena Klöhr berät für Bonpago GmbH öffentliche Verwaltungen auf ihrem Weg der digitalen Transformation. Sie ist Expertin für eine handlungsfähige, agile Verwaltung. Zudem ist sie Dozentin für interkulturelle Kompetenz an der Universität Würzburg und verfügt über langjährige Trainingserfahrung, u. a. für agile Teams und Visionsbildung.