Sechste Stunde frei, Schule früher aus – so eine Nachricht freut die meisten Schulkinder. Der Grund ist leider oft weniger lustig: Es gibt zu wenige Lehrkräfte. Dagegen kann und muss etwas getan werden.
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, weiß man ziemlich sicher, dass es sechs bis sieben Jahre später eingeschult wird. Ein Lehramtsstudium plus Vorbereitungsdienst dauert sechs bis sieben Jahre. Die Ausbildung der Lehrkräfte ist ebenso Aufgabe der Bundesländer wie die Einstellung der Lehrkräfte. Klingt eigentlich ganz einfach – trotzdem geht hier seit Jahrzehnten vieles schief.
Tatsächlich beenden seit der Jahrtausendwende regelmäßig zu wenige junge Menschen eine Lehramtsausbildung. Teils gibt es schon beim Zugang zum Studium einen Numerus clausus. Viele Bundesländer haben sich lange darauf verlassen, Absolvent*innen aus den Nachbarländern abwerben zu können. Für manche Lehrämter (insbesondere denen, die nicht Gymnasium heißen) schreiben sich nicht mal genügend Erstsemester ein, um den späteren Bedarf an Lehrkräften an diesen Schulen zu decken. Zu abschreckend scheint die Perspektive, die Schüler*innen zu unterrichten, die in dem selektiven Schulsystem in Deutschland „nach unten durchgereicht“ werden. Nach und nach hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) immerhin durchgesetzt, dass verbeamtete Lehrkräfte auch an den übrigen Schulformen A13 bekommen wie am Gymnasium.
Von den jungen Menschen, die ein Lehramtsstudium und später ein Referendariat beginnen, gehen zu viele verloren, weil die Lernbedingungen zu schlecht sind. Lehrkräfte auszubilden, ist für die Unis nicht sonderlich attraktiv – da gibt es kaum Drittmittel, auch Nobelpreise sind nicht zu gewinnen. Wer es an die Schule schafft, stellt schnell fest, dass die Arbeitsbedingungen dort ebenfalls keine politische Priorität haben: marode Schulgebäude, kümmerliche technische Ausstattung, zu wenig Personal und eine hohe Arbeitsbelastung. Kein Wunder, dass viele Lehrkräfte in Teilzeit gehen.
Ein Land, das immer weniger junge Menschen hat, sollte alles daransetzen, diese bestmöglich auszubilden. Das wird nicht klappen, ohne endlich mehr Geld in die Hand zu nehmen. Bildung ist eine Investition, die sich rentiert – das darf nicht an der Schuldenbremse scheitern. Denn was nützt es der nächsten Generation, wenn sie zwar schuldenfrei, aber ohne Zukunftschancen ist?
Die Erkenntnis, gewonnen aus PISA und anderen Studien, dass gute Bildung für alle von Anfang an wichtig ist, hat zunächst den Rechtsanspruch auf einen Kita- und Krippenplatz mit sich gebracht. Ab 2026 gilt der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz an der Grundschule. Gut so! Doch Bund und Länder haben bei einer zentralen Frage versagt: der vorausschauenden Ausbildung des benötigten Personals. Denn Erzieher*innen und andere Pädagog*innen fallen nicht vom Himmel! Der Fachkräftemangel in Kitas und absehbar im Ganztag ist die Quittung dafür.
Kurzfristig kann die Misere an den Bildungseinrichtungen nur überwunden werden, wenn die Arbeitgeber und Dienstherren allen Menschen, die bereit sind, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, sofort eine hochwertige Qualifizierung parallel zum Job anbieten. Diese Kolleg*innen dürfen nicht Beschäftigte zweiter Klasse sein, sondern müssen nach erfolgreicher Qualifizierung und mit wachsender Berufserfahrung gleiches Geld für gleiche Arbeit verdienen.
Damit die Lage sich mittelfristig entspannt, müssen die Bundesländer jetzt schnellstmöglich den Ausbildungsturbo zünden. Dazu müssen die Verantwortlichen auch mit denen sprechen, die die Expert*innen für Bildung sind: die Beschäftigten an den Kitas und Schulen und ihre Gewerkschaften. Die GEW ist dazu bereit. Sie hat ein „15-Punkte-Programm gegen den Lehrkräftemangel“ vorgelegt und wirbt immer wieder für die schönsten Berufe der Welt. Denn was gibt es sinnvolleres, als junge Menschen auf das Leben vorzubereiten?

Annett Lindner (59) arbeitete von 1987 bis 1994 und von 1997 bis 2003 an der Beruflichen Schule der Stadt Neubrandenburg „Sonderpädagogische Aufgabenstellung“. Von 2003 bis zu ihrer Wahl in den Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) 2024 war Lindner Vorsitzende der GEW Mecklenburg-Vorpommern. Heute ist sie im Vorstand der GEW verantwortlich für Tarif- und Beamtenpolitik.



