Mittwoch, 23. April 2025

Spielen gegen das Vergessen

Ist das Kultur oder kann das weg?

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Mirjam Klinger
Mirjam Klinger
Mirjam Klinger ist Volontärin in der Berliner Redaktion des Behörden Spiegel und schreibt über Digitalisierung und Cyber Security. Nach Feierabend kocht und backt sie gerne oder probiert eines der vielen unterschiedlichen Restaurants in Berlin aus.

Die Debatte um Videospiele hat sich stark gewandelt: Galten sie Anfang der 2000er Jahre noch als Ursache für gewalttätige Jugendliche, werden sie nun als Kulturgut betrachtet und genutzt.  

„Beim Spielen entdecken wir neue Möglichkeiten, sind kreativ, probieren etwas aus, was im Alltag keinen Platz hat. Wir tauchen in Welten ein und lernen Menschen kennen“, betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Rede zur Eröffnung der diesjährigen Gamescom. Durch das Spielen lerne man zudem voranzukommen und auch zu verlieren – notwendige Fähigkeiten in einer Demokratie. Somit seien Spiele inzwischen ein „wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft“, so Habeck.

Mehr als nur Spaß

Videospiele können also einen weitreichenden Nutzen haben. Längst werden Games beispielsweise im Bildungsbereich eingesetzt. Bestimmte Spiele lassen sich gezielt im Unterricht einsetzen, in Schulfächern wie Biologie, Mathematik oder Sprachen. Spielerisch werden dabei problemlösendes Denken, Entscheidungsfähigkeit und Konzentration gefördert.

So sind Videospiele selbst inzwischen vielfältiger geworden und sprechen auch immer häufiger ernstere Themen an. Ein Beispiel hierfür ist das im Jahr 2020 erschienene Spiel „Through the Darkest of Times“. Ziel des Spiels ist es, eine Widerstandsgruppe in Berlin während der Nazidiktatur aufzubauen. Spieler*innen werden durch das Spiel mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs konfrontiert und müssen sich während des Spielens damit intensiv auseinandersetzten.

Let’s remember

Auch Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates plädierte während der Gamescom 2024 dafür, Games als Mosaikstein des gesellschaftlichen Erinnerns zu Nutzen. Wichtig sei hierbei sich zu fragen: „Wie wollen wir uns erinnern und welche Konsequenzen wollen wir aus dem Erinnern ziehen?“, unterstrich Zimmermann.

Seit Mitte 2023 widmet sich die Stiftung Digitale Spielekultur gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat der Verknüpfung von Videospielen und Erinnerungskultur. Das Kooperationsprojekt „Let’s remember: Erinnerungskultur mit Games vor Ort“ zielt darauf ab, eine durch digitale Spiele getragenen Erinnerungskultur zur NS-Zeit in Gedenkstätten, Museen und kulturellen Begegnungsorten zu etablieren. Hierfür werden die Mitarbeiter*innen vor Ort unter anderem durch gezielte Schulungen unterstützt. „Außerdem möchten wir Akteure aus den Bereichen der Erinnerungskultur und der Spieleentwicklung miteinander vernetzten“, erklärte Christian Huberts, Leiter des Projekts. Dieses Netzwerk solle schlussendlich zur Entwicklung von Spielen führen, die eine sensible Erinnerungskultur betreiben.

Seit Oktober 2023 ist die Stiftung bundesweit in verschiedenen kulturellen Einrichtungen aktiv. Im Rahmen des Projekts wurde im Mai dieses Jahres eine öffentliche Videospielvorführung in der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle (Saale) veranstaltet. Anlässlich des Attentats auf den Gestapo-Offizier Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942 wurde das Spiel „Attentat 1942“ des Tschechischen Entwicklungsstudios Charles Games vorgestellt. Aus der Perspektive einer betroffenen Familie erzählt das Spiel die Besatzung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Regime. Die Spieler*innen haben dabei die Aufgabe herauszufinden, wie der eigene Großvater in den Anschlag auf den Gestapo-Offizier verwickelt war. Während die Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte das Spiel live vor Publikum spielten, kommentierten Expert*innen die Inhalte und ordneten sie historisch ein. Bereits im April gab es im Roten Ochsen eine Fortbildung für die Mitarbeitenden, bei der es um den Einsatz von Videospielen in der Gedenkarbeit ging. Unterstützung erhielten sie dabei von Jakob Saß vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.

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