Donnerstag, 25. April 2024

Homeoffice – Reiz & Risiko

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Die Schweizer Armee zeigte sich wieder vorbildlich. Sie ging schon vor ein paar Wochen ins Homeoffice, um die Eidgenossenschaft gegen feindliche Eindringlinge vom Partykeller oder der Küche aus zu verteidigen. Die Bundeswehr wollte nachziehen und vermeldete Erfolgsmeldung auf Erfolgsmeldung: Immer mehr Soldaten sindim Homeoffice. Auch die Polizeien in Thüringen und Nordrhein-Westfalen zogen nach. Sie bekämpfen ab sofort das Organisierte Verbrechen von zu Hause aus. Selbst das Regieren lässt sich problemlos von zu Hause aus organisieren. Die Bundesministerien gaben an, derzeit zwischen 70 bis 80 Prozent ihrer Arbeitenden im Homeofficezu haben. Also ist Homeoffice ein kompletter Ersatz für Präsenz am Arbeitsplatz?

In der Wirtschaft ist man schon seit Jahren viel weiter und hat Regelungen für “mobiles Arbeiten” geschaffen. Das ist etwas anderes. Das bedeutet nämlich, dass Mitarbeitertechnisch so ausgestattet sind, dass sie zu jeder Zeit und an jedem Ort – z. B. auch auf Dienstreisen – am Unternehmensgeschehen teilhaben können.

Aus der pandemiebedingten Notwendigkeitdarf doch nicht ernsthaft jetzt eine dauerhafte Regelungüber Homeoffice und womöglich sogar ein “Guthaben” von 20 Tagen entwickelt werden.

Wir leben in einer Krise. Doch die Politik neigt dazu, in der Krise ihre Wunschvorstellungen ohne große Umschweife Realität werden zu lassen: Pop-up-Fahrradwege. Es geht vielmehr darum, die Organisationen und ihre Mitarbeiter für mobiles Arbeiten nach der Krise zum einen technisch auszustatten und zum anderen auch zubefähigen: Equipment und Digitalkompetenz. Weder lässt sich der Feind noch der Kriminelle aus dem Homeoffice bekämpfen. Es ist also dringend geboten, die aktuelle Homeoffice-Diskussion von der strategischen Änderung der Arbeitsverhältnisse für die nächste Zukunft zu trennen.

Das Arbeiten von zu Hause, aus der eigenen Werkstatt oder dem Bauernhof heraus sind ein Kennzeichen vor- und frühindustrieller Gesellschaften. Welche Bedeutungund welchen Umfang mobiles Arbeiten in der modernen postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft haben wird, bleibt ein Findungsauftrag für die Zukunft. Hinzu kommt, dass für die Beschäftigen hier auch ein Risiko entstehen könnte, denn die Leistungsbilanz der Einzelnen oder des Einzelnen werden durch Homeoffice transparent und messbarer. Im Homeoffice bleibt nur die nackte Beurteilung nach Arbeitsergebnissen, nicht nach Sozialkompetenz, Problemlösungen im Team usw. Homeoffice ist also nicht nur einVorteil, sondern auch ein Risiko. Das haben offensichtlich viele vehemente Befürworter bisher noch nicht bedacht. Homeoffice ist also Reiz, aber auch Risiko.

Uwe Proll

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