Donnerstag, 28. März 2024

Höher, schneller, weiter?

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Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg ist Teil der Online-Redaktion, koordiniert das E-Journal und unterstützt digitale Veranstaltungen. Auch in ihrer Freizeit ist sie gerne auf Veranstaltungen unterwegs, dann aber als Kamerafrau oder Lichttechnikerin.

Der Mensch in Zeiten von “Arbeit 5.0”

Die Arbeitswelt entwickelt sich ständig weiter. Digitalisierung und die Corona-Pandemie haben diesen Wandel in den letzten Jahren erheblich beschleunigt. Immer neue Aspekte rücken in den Fokus und immer neue Begriffe prägen die Arbeitswelt. Deutschland ist angekommen im “Arbeiten 5.0”. Doch was macht es aus, dieses “Arbeiten 5.0”? Was unterscheidet es von seinen Vorgängerversionen?

“Im ‘Arbeiten 5.0’ rückt der Mensch wieder stärker in den Mittelpunkt” erklärt Holger Lehmann, Chef des Leitungsstabs und Pressesprecher beim ITZ Bund, beim Digitalen Staat 2022. Alles hänge mit allem zusammen. Der Fokus liege nicht nur auf Technologie und Digitalisierung. Auch gesellschaftliche Veränderungen, Work-Life-Balance und Kommunikation spielten eine Rolle. Bildung und Kompetenzen, lebenslanges Lernen, Job Crafting – das gehört laut Jana Plomin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Geschäftsbereich Digital Public Services bei Fraunhofer FOKUS, ebenfalls zum “Arbeiten 5.0” dazu. Die Erwartungen an das “Arbeiten 5.0” sind vielseitig – ein neuer Kunstbegriff allein bewirkt allerdings noch keine Veränderung. Doch er lässt darauf hoffen, dass die Idee einer menschenzentrierten Gestaltung der Arbeitswelt mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Immer up-to-date

Die Menschen in den Mittelpunkt stellen, das bedeutet auch, Mitarbeitende dabei zu unterstützen, sich in einem immer digitaler werdenden Arbeitsumfeld zurechtzufinden. “Wie kriegen wir es hin, dass die Menschen, die Mitarbeitenden, die Führungskräfte in dieser Welt sinnvollerweise zurechtkommen?”, diese Frage muss man sich laut Stefan Latuski, Leiter des IT-Systemhauses der Bundesagentur für Arbeit, stellen.

Nicht nur Nachwuchskräfte, besonders auch die Mitarbeitenden, die schon da seien, müssten in all ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen abgeholt werden, so Alexander Schweitzer, Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz. Künstliche Intelligenz werde zukünftig einige Aufgaben übernehmen können, auch solche im mittleren Qualifizierungsbereich. Er sieht darin eine Entlastung – vor allem im Hinblick auf die demografischen Herausforderungen, denen sich die Verwaltung mehr und mehr stellen muss. Gleichzeitig brauche es aber weiterhin Perspektiven für die Mitarbeitenden, sinnstiftende und tagfüllende Aufgaben. Hier sieht er die Politik in der Pflicht, den Wandel nicht zu verhindern und an alten Mustern festzuhalten, sondern die Aufgaben der Arbeitsgesellschaft im 21. Jahrhundert zu definieren.

Die Herausforderungen an Unternehmen seien ziemlich ähnlich zu denen der öffentlichen Verwaltung, berichtet Kevin Thiele, Director Business Development, Public Sector EMEA bei Salesforce.com Germany GmbH. In der aktuell sehr schnelllebigen Welt müssten Mitarbeitende ständig weitergebildet und up-to-date gehalten werden. Man müsse ihnen das Wissen an die Hand geben, das aktuell gefragt sei und ihnen eine Arbeitsumgebung schaffen, die es ihnen ermögliche, sich frei zu gestalten, aber auch Spaß an der Arbeit zu haben. “Jede neue Technologie einfach den Mitarbeitenden überzustülpen, das wird nicht funktionieren”, betont Thiele.

Mehr als nur Wissen

Digitale Kompetenz ist laut Patrick Burghardt, CIO und Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und IT, nicht nur der Aufbau von Wissen, sondern auch die Kompetenz mit der digitalen Transformation umzugehen. Die richtige Organisation des eigenen Arbeitsplatzes und der Umgang mit den negativen Seiten der Digitalisierung wie ständiger Erreichbarkeit und dem damit verbundenen Druck – das müssten die Mitarbeitenden erstmal lernen, so Burghardt. Man dürfe in dieser Zeit des rasanten Wandels auch akzeptieren, dass das bei einzelnen Kolleg*innen schlichtweg zu Überforderung führe, merkt Latuski an.

Es darf in der Diskussion um neue und digitale Arbeitsformen nicht vergessen werden, dass Menschen unterschiedlich auf diese reagieren. Remote Arbeiten habe Vorteile, erklärt Ines Hölscher, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Öffentliche IT. Arbeitswege fielen weg, man könne ungestörter arbeiten und das sei besser für die Konzentration. Aber auch der Austausch und das Netzwerken fielen weg, gibt sie zu bedenken. Manchen Mitarbeitenden mache das nichts aus, andere litten unter dieser Isolation und verlören ihre Motivation.

Auf einen Kaffee

Das spontane Treffen mit Kolleg*innen auf dem Flur oder noch besser, ein gemeinsamer Kaffee in der Pause – dieses soziale Miteinander fehlt, wenn das Team ganz oder teilweise im Homeoffice ist. Vielerorts versucht man mit Alternativen wie einem “digitalen Kaffeeklatsch” Abhilfe zu schaffen. Komplett ersetzten kann man das reale Treffen im Büro damit allerdings nicht. “Irgendwann hat man auch keine Lust mehr auf diese digitalen Meetings”, so Hölscher.

 “Wir werden in eine hybride Arbeitswelt kommen”, glaubt Schweitzer. In seinem Ministerium seien 65 Prozent der Kolleg*innen noch im Homeoffice, allerdings nicht die ganze Woche über. An zwei Tagen seien sie im Büro und an diesen Tagen würden dann extrem verdichtet Teambesprechung gemacht, es werde kommuniziert und sich auch mal auf einen Kaffee getroffen. “Man findet schon eine Möglichkeit, das Beste aus allen Welten zusammen zu bringen”, schließt er daraus.

Dennoch: “Sozialer Zusammenhalt ist nichts was ich anordnen kann”, gibt Lehmann zu bedenken. Viele Mitarbeitende seien freiwillig dazu bereit in die Gemeinschaft zu investieren, das sollte man als Führungskraft nicht durch Regularien unterbinden, rät er. Gleichzeitig solle man nicht nach Lösungen suchen, die Regularien enthalten, sondern auf die Freiwilligkeit der Mitarbeitenden bauen. “Appellieren Sie an die Menschen” lautet seien Empfehlung.

Die richtige Führung

Mitarbeitende und ganz besonders die Führungskräfte sind durch diese neue Situation gefordert. Einen wesentlichen Unterschied zwischen Leadership und dem mittlerweile viel diskutierten Digital Leadership sieht Latuski allerdings nicht. Die letzten zwei Jahre hätten gezeigt, dass virtuelle Zusammenarbeit funktioniere und das habe natürlich Auswirkungen auf das Führungsverständnis. Während man es vor einigen Jahren noch gewohnt gewesen sei, auf Basis von Arbeitsaufträgen zu arbeiten, funktioniere das Führen auf Distanz auf der Basis von Vertrauen, Befähigung und Empowerment. Man könne dabei auf der einen Seite nicht davon ausgehen, dass die Mitarbeitenden das schlichtweg könnten, auf der anderen dürfe man auch nicht davon ausgehen, dass die Führungskräfte das einfach könnten. “Ich glaube das ist die Welt, in der wir heute leben, mit der wir heute klarkommen müssen”, so Latuski.

Man müsse jetzt einen guten Mittelweg finden, betont Burghardt. Das sei bei der Aus- und Weiterbildung genauso. Es sei gut, wenn Menschen sich treffen, aber auch digitale Möglichkeiten, um Kompetenzen zu vermitteln, sollten genutzt werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass man mit digitalen Angeboten sogar Hürden überwinden und mehr Menschen erreichen könne.

Vieles verändert sich in der Arbeitswelt. Den Menschen dabei im Sinne des “Arbeiten 5.0” in den Fokus zu stellen ist wichtig. Damit das tatsächlich gelingt, darf nicht nur über den neuen Kunstbegriff diskutiert werden, man muss auch Neues wagen und sich trauen, Unbekanntes auszuprobieren. Oder wie Burghardt es formuliert: “Lasst uns einfach mal machen!”

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