Freitag, 19. April 2024

Ändert euch! 

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Benjamin Hilbricht
Benjamin Hilbricht
Benjamin Hilbricht schreibt über Innere Sicherheit und IT-Sicherheit. Nach Feierabend trainiert er für die nächste Karate-Gürtelprüfung.

Wie kann die Verwaltung wandlungsfähig werden? 

Niemand denkt beim Wort “Veränderung” an die deutsche Verwaltung. Das System ist auf Stetigkeit ausgelegt, nicht auf Innovation. Doch wenn die Welt sich ändert, muss die Bürokratie nachziehen. Sollen wir eine Innovationsbehörde gründen, oder was? 

Im Angesicht der Krise gehen plötzlich Sachen. Die Bürokratie erfindet sich neu: ukrainische Flüchtlinge konnten binnen Stunden in Deutschland einreisen, Corona-Soforthilfen und Home Office im Amtsgericht kamen.  

Covid ist nicht die Ausnahme 

Auf dem “Creative Bureaucracy Festival” diskutierten Expert*innen, wie sie die Wandlungsfähigkeit in die DNA der Verwaltung einschreiben könnten. Unstrittig war, dass die Bürokratie sich ändern können muss. Die Erneuerung ist kein Selbstzweck. Eine Krise käme nach der anderen, darin sind sich alle einig. 

“Covid ist nicht die Ausnahme, es ist die Normalität. Wir werden wieder und wieder von  Krisen getroffen werden”, erklärt Indy Johar, Consultant für Kommunalverwaltung und Founding Director von Dark Matter Labs. 

Lehren aus der Pandemie 

“Diejenigen von euch, die in der Verwaltung arbeiten, wissen, dass die letzten zwei Jahre furchtbar waren. Die Corona-Krise hat unsere Bürokratie unter Druck gesetzt, aber wir sind klargekommen. Am Ende haben wir es ziemlich gut geschafft. Es war ein Crossover von verschiedenen Ebenen des Staates. Ohne Beamt*innen wäre das unmöglich gewesen”, lobt Wolfgang Schmidt. 

Die Gründe für diese effektive Verwaltungsarbeit sieht der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts unter anderem in der Führungskultur. Beispielsweise hätte die Bundesagentur für Arbeit die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes während des Lockdowns selbst organisiert. “Wir haben ihnen vertraut, dass sie das schaffen”, sagt Schmidt. Damit Verwaltung innovativ werden kann, muss die Führung ihr also Spielräume eröffnen. 

Fehlerkultur 

Noch etwas sei wichtig. Schmidt erzählt dazu eine Anekdote. Olaf Scholz, als er noch Bürgermeister von Hamburg war, habe mal gesagt: “Besser wir treffen acht richtige und zwei falsche Entscheidungen, und treffen sie rechtzeitig, als wenn wir zehn richtige zu spät treffen.” Schmidt fügt hinzu: “Wir haben tonnenweise Regeln – die wir auch brauchen. Aber es ist wichtig, dass wir Dinge erledigt kriegen.” Man denke nur an die Klima-Krise. 

Daraus lässt sich folgende Lehre ziehen. Schmidt und sein Bundeskanzler befürworten eine Fehlerkultur in der öffentlichen Verwaltung. Wer neue Ideen umsetzt, wird auch mal auf die Nase fliegen. Das müsse jedoch auch verziehen werden, schwingt mit. 

Erfolgsgeschichten 

“Ich habe mehr Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Flexibilität auf der lokalen Ebene gesehen als in den großen Institutionen. Vor allem in Kommunen und Gemeinden haben die Beamt*innen während der Corona-Krise großartige Arbeit geleistet”, erzählt María Fernanda Espinosa.  

Die ehemalige Präsidentin der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) (von 2018 bis 2019) rät:. “Schaut auf die Erfolgsgeschichten auf der lokalen Ebene und bindet das zurück an die nationale und internationale Ebene. Inspiriert den Öffentlichen Dienst.” Für Wandel braucht es also eine Vision dessen, was die Beamt*innen erreichen wollen. 

Innovationsbehörde? 

Gleichzeitig besteht das Problem, dass große Institutionen wie die UN viel schwerfälliger sind als Lokalverwaltungen. “Viele kritisieren die UN, weil sie nicht genug tue”, erzählt Espinosa. “Aber es gibt drei UN: die politische, die administrative und die UN vor Ort. Ich glaube, die UN braucht eine Agentur für Bürokratie-Innovation.” Darin könnten Expert*innen Konzepte für den Wandel der Verwaltung erarbeiten und umsetzen. 

Aus Richtung der freien Wirtschaft – in Form eines auf die öffentliche Verwaltung spezialisierten Beratungs-Start-Ups – kommt Kritik. Indy Johar widerspricht Espinosa auf das Schärfste: “Die ganze Verwaltung muss kreativ werden. Sowas wie eine Innovations-Agentur kann es nicht geben. Jede*r Bürokrat*in muss kreativ werden.” 

Letzte Lektion ist also: die Verwaltung sollte Kreativität und Veränderung vielleicht nicht outsourcen. Jede*r muss selbst bereit sein, kreativ zu werden und etwas zu ändern.  

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