Donnerstag, 28. März 2024

Mehr Nachwuchs für die Pflege

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Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg ist Teil der Online-Redaktion, koordiniert das E-Journal und unterstützt digitale Veranstaltungen. Auch in ihrer Freizeit ist sie gerne auf Veranstaltungen unterwegs, dann aber als Kamerafrau oder Lichttechnikerin.

Die Verdienste von Pflegefachkräften lagen 2021 rund ein Drittel höher als 2011. Und die Zahl der Beschäftigten im Pflegedienst in Kliniken stieg innerhalb von zehn Jahren um 18 Prozent, das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) kürzlich mit. Das klingt nach einer positiven Entwicklung. Doch auch der Bedarf an Arbeitskräften im Pflegebereich steigt seit Jahren und immer wieder wird Kritik von Seiten der Pflegekräfte laut. Der Grund: Eine hohe Arbeitsbelastung, weiterhin zu wenig Personal und zu geringe Vergütung. Wie kann man angesichts dieser Voraussetzungen Nachwuchskräfte für eine so wichtige Arbeit wie die Pflege gewinnen?

Junge Menschen müssten mit dem Thema Pflege in Berührung kommen, darauf kommt es laut Waltraud Kannen, u.a. Geschäftsführerin der Sozialstation Breisgau in Bad Krozingen, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und „Übermorgenmacherin“, an. Sie selbst hat gute Erfahrungen mit einem Azubiaustausch und Projekten mit Schulen gemacht. Durch solche Einblicke in das Arbeitsumfeld Pflege habe man viele Menschen gewinnen können, erklärt sie beim Austauschforum Sozialwirtschaft von Das Demographie Netzwerk e.V. Damit solche Projekte erfolgreich sind, müsse man junge Leute daran beteiligen. Langjährige Mitarbeitende müssten Lust haben daran mitzuwirken, aber eben auch die eigenen Azubis sollten einbezogen werden, da sie zur gleichen Generation gehören, wie die Zielgruppe der Aktionen.

Außerdem empfiehlt die Bundesverdienstkreuzträgerin, die Jugendlichen über Themen anzusprechen. „Jede*r hat eine Oma, Uroma…“, erläutert sie. Und darüber könne man eine Verbindung zu jungen Menschen herstellen. Ebenfalls wichtig fürs Recruiting: ein wohlwollendes Umfeld. Nicht jede*r die/den man erreiche, müsse in die Pflege gehen, so Kannen. Auch Multiplikatoren, die anderen von der Arbeit in der Pflege berichten, seien hilfreich bei der Nachwuchsgewinnung. Die letzten Bewerbungen, die sie bekommen habe, erinnert sich Kannen, seien über solche Multiplikatoren gekommen.

Man müsse die Sprache der jungen Bewerber*innen sprechen und verstehen, was diese Generation bewegt und was sie braucht, betont die Geschäftsführerin. Und: glaubwürdig und authentisch sein. Das gilt besonders für die eigene Pflegeinrichtung und die Betriebskultur vor Ort. „Wir können für die Branche nicht werben, wenn wir uns als Betrieb nicht ansehen“, erklärt sie

Neben dem persönlichen Bezug und praktischen Einblicken in die Pflege, kann auch moderne Technologie dabei helfen, das Recruiting zu verbessern. Julia Härle, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, erforscht die Möglichkeiten, die ein proaktives Vorgehen mittels daten- und KI-basiertem Recruiting mit sich bringt. Bisher würden datenbasierte und auf Methoden der KI basierende Tools im Bereich Sozialwirtschaft kaum zum Recruiting genutzt, weiß Härle. Doch sie sieht hier Potenzial. Solche Tools könnten die Arbeit von Recruiter*innen erleichtern und diese entlasten. Beispielsweise indem Routineaufgaben von den Tools übernommen werden, aber auch durch zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Das Ziel des Einsatzes von daten- und KI-basierten Tools soll es sein, mehr geeignete Kandidat*innen für eine offene Stelle zu finden. Dazu sollen zunächst generell mehr potenzielle Kandidat*innen gefunden werden. Anschließend sollen bessere Daten generiert werden bzw. Daten besser ausgewertet werden, um dann schneller zu erkennen, ob ein*e Bewerber*in zum Betrieb passt. Vom Finden möglicher Kandidat*innen über den Bewerbungsprozess bis hin zum Arbeitsstart können daten- und KI-basierte Tools in allen Recruitingphasen sinnvoll eingesetzt werden und diese verbessern. Man müsse sich dabei jedoch der Frage stellen, wie viel Entscheidung man der Maschine überlassen wolle und was man lieber selbst machen möchte, gibt die wissenschaftliche Mitarbeiterin zu bedenken. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, den Mensch als Mensch zu sehen.

Auch Giovanni Bruno, Geschäftsführer der Berliner Agentur fokus digital GmbH, setzt in Sachen Personalgewinnung auf digitales Recruiting. Dabei solle man aber nicht planlos vorgehen, sondern brauche zunächst eine Datengrundlage und darauf aufbauend eine Strategie. Man müsse den Ist- und den Soll-Zustand kennen. Ähnlich wie Kannen betont auch Bruno, dass zum Gelingen von Recruiting-Maßnahmen erforderlich sei, dass die Entscheidungsträger hinter dem veränderten Vorgehen stehen und auch Mitarbeitende mitgenommen würden sowie dass man die eigene Zielgruppe kenne. Außerdem müsse man auffallen. Recruiting brauche heute Attraktivität und digitale Sichtbarkeit – und das crossmedial, von der eigenen Homepage über Google bis hin zu Social Media. Dabei sei das fragmentierte Suchverhalten potenzieller Bewerber*innen zu berücksichtigen. Um junge Bewerber*innen oder Quereinsteiger anzusprechen empfiehlt Bruno Instagram, Fachkräfte könnten z. B. über LinkedIn erreicht werden. Letztendlich müssten aber auch die Inhalte überzeugen und der Arbeitgeber authentisch wirken. Und: „Auch analog bleibt relevant!“ Der persönliche Kontakt und z. B. der Besuch auf einer Veranstaltung sollten trotz digitaler Bewerbersuche weiterhin nicht zu kurz kommen.

Personalgewinnung sei das eine, gibt Bruno außerdem zu bedenken. Noch wichtiger aber sei die Personalbindung. Zufriedene Mitarbeitende, die Wertschätzung erfahren, können dann durch authentischem Empfehlungmarketing auch wieder das Recruiting positiv beeinflussen.

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