Freitag, 26. April 2024

Dürfen Beamt*innen politisch tätig sein?

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Immer wieder – zuletzt im Kontext der AfD – wird die Frage diskutiert, ob und in welchem Maße sich Beamt*innen politisch engagieren dürfen.

Dies vorweg: Beamt*innen dürfen eine politische Meinung haben und sie dürfen auch demonstrieren. Denn auch Beamt*innen haben – wie jeder andere  –  ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) und Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG).

Aufgrund ihres besonderen Dienst- und Treuverhältnisses zum Staat unterliegen Beamt*innen allerdings einigen Einschränkungen. Ein Verhalten, welches als politische Meinungsäußerung zu werten ist, ist deshalb nur dann von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn es nicht unvereinbar mit der Pflicht zur Verfassungstreue der Beamt*innen („hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums“; Art. 33 Abs. 5 GG) ist. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind überschritten, wenn sich Beamt*innen z.B. in einem Kantinengespräch negativ über Ausländer*innen und antisemitisch äußern, wenn Polizist*innen im Dienst mit ihren Händen ein Herz in Richtung der Teilnehmer*innen einer Querdenken-Demonstration formen oder wenn Beamt*innen die öffentliche Exekution von Politiker*innen fordern.

Ins Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG)). Alle Beamt*innen müssen nach ihrer Ernennung den Diensteid ablegen, dass sie sich zur freiheitlich demokratische Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes bekennen (vgl. Eidesformel nach § 58 Abs. 1 BBG).

Bei politischer Betätigung haben sie diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben (§ 60 Abs. 2 BBG; Pflicht zur politischen Mäßigung).

Für den innerdienstlichen Bereich gilt deshalb ein uneingeschränktes Verbot politischer Betätigung. Da Beamt*innen aber nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Dienstes verpflichtet sind, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG; sog. Wohlverhaltenspflicht), ist auch ihr außerdienstliches Verhalten relevant. Es muss innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Die „Wohlverhaltenspflicht“ ist amtsbezogen: Je höher das Amt, desto höher sind die Anforderungen an das Verhalten.

Werden diese Pflichten verletzt, liegt ein Dienstvergehen vor. Bereits bei einem Verdacht ist die Einleitung eines Disziplinarverfahrens geboten und die Beamt*innen müssen mit Disziplinarmaßnahmen, von einem Verweis bis hin zur Entfernung aus dem Amt rechnen. Die Schwelle für diese höchste disziplinarische Maßnahme liegt bei Beamt*innen auf Lebenszeit dabei höher als bei Beamt*innen auf Probe oder auf Widerruf.

Die Frage ist nun aber, wann Beamt*innen die o.g. Pflichten verletzen.

Allein die Zugehörigkeit oder Mitgliedschaft zu einer bestimmten Organisation (Partei, Verein o.ä.) stellt selbst dann kein Dienstvergehen dar, wenn die Organisation – wie im Falle der AfD – durch die Verfassungsschutzbehörden als sog. Verdachtsfall eingestuft wird (vgl. Urteil des VG Köln v. 8. 3. 2022 – Az. 13 K 326/21: „ausreichende, tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“; nicht rechtskräftig). Selbst bei Wahrnehmung herausgehobener Funktionsämter oder bei einer Wahlkandidatur in einer solchen Partei haben Beamt*innen keine disziplinarischen Folgen zu befürchten. Anderes gilt nur, wenn eine Organisation als nachgewiesen verfassungsfeindlich („Überwachungsfall“) eingestuft oder durch das Bundesverfassungsgericht verboten wird (vgl. BVerwG vom 12. März 1986, – 1 D 103/84 – zur NPD; VGH Hessen vom 07. Mai 1998, – 2598/96 – Republikaner).

Kommen allerdings weitere Aktivitäten hinzu, durch die extremistische Bestrebungen erkennbar werden, hat dies dienstrechtliche Konsequenzen zur Folge. Extremistische Bestrebungen sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlich demokratischen Grundordnung (die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip) zu beseitigen. Solche Aktivitäten können rein tatsächliche Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte beinhalten. Werden Beamt*innen in dieser Weise aktiv, verstoßen sie gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue. Dabei muss es sich weder um ein sichtbares, noch um strafbares Verhalten handeln (BVerwG, Urteil v. 17.11. 2017, – 2 C 15.17).

Zweifel an der Verfassungstreue bestehen etwa, wenn sich Beamt*innen offen zu Rechtsextremismus und Rassismus bekennen (z.B. Leugnung des Holocausts sowie Verherrlichung, Propagierung oder Verharmlosung des Nationalsozialismus; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 4.3. 2020, – OVG 82 D 1.19) oder bei einer verfassungsfeindlichen Tätowierung (z.B. Ritzen von verfassungsfeindlichen Symbolen unter die Haut; BVerwG, Urteil v. 17.11. 2017, – 2 C 15.17). Für Beamt*innen auf Probe oder Widerruf können bereits Aktivitäten in sozialen Netzwerken gepaart mit der Teilnahme an neonazistischen Demonstrationen eine Entlassung begründen.

Bei der Beurteilung, ob eine politische Betätigung der Beamt*innen disziplinarrechtlich zu ahnden ist, ist auf eine Gesamtschau der zur Last gelegten Verhaltensweisen abzustellen (BVerwG, Urteil v. 17.11. 2017, – 2 C 15.17). Es ist zu beurteilen, ob sich aus dem aus diesen ergebenden Persönlichkeitsbild eine innere Abkehr der Beamt*innen von den Fundamentalprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ergibt.

So wurde z.B. allein die Teilnahme an einer die Asyl- und Flüchtlingspolitik kritisierenden Versammlung einschließlich des Tragens eines Transparents mit der Aufschrift „Asyl macht uns Arm“ für sich genommen als nicht ausreichend für ein Dienstvergehen angesehen. Hinzukommende weitere Aktivitäten in sozialen Netzwerken sowie die Teilnahme an Demonstrationen mit Aktivist*innen aus der neonazistischen Szene u.a. führten dann aber in der Gesamtbewertung des Verhaltens zu dem Schluss, dass Zweifel an der Bereitschaft des Beamten bestünden, dass dieser jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde (VGH Kassel, Beschluss v. 22. 10. 2018, – 1 B 1594/18). Ein Polizeikommissar z.B. wurde aus dem Dienst entfernt, weil er Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt trug, öffentlich den sog. Hitlergruß gezeigt und mit einer Hakenkreuzflagge posiert hatte und zudem nationalsozialistische Devotionalien in seiner Wohnung aufbewahrte.


Prof. Dr. Stefanie Deinert lehrt an der HWR Berlin Arbeitsrecht, Öffentliches Dienstrecht und Beamtenrecht.

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