Dienstag, 23. April 2024

Ganz schön kreativ!

Heimat gestalten

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Wie kann eine Stadt noch attraktiver gestaltet werden? Ob als lebenswerter Wohnort für Bürger*innen, als lukrativer Gewerbestandort für Industrie und Handel oder als kurzweilige Freizeitoase – an die moderne Stadt von heute werden hohe Anforderungen gestellt. Wie innovative Stadtplanung gelingen kann, zeigt die Stadt Kiel: Mit dem Projekt “Creative City Index” hat sie im Dialog mit den Bürger*innen ihre Stärken und Potenziale aufgedeckt, um so neue Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen. Lysann Parpart vom Referat Kreative Stadt Kiel stellt das Projekt vor.

Der international bekannte Städteforscher Charles Landry hat gemeinsam mit seiner jungen Mitstreiterin Robyn Bennett Kiels kreative Stärke auf den Prüfstand gestellt. Den Auftrag dazu gab ihm die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins, damit sie ihre kreativen Potenziale genauer kennt und weiter stärken kann. Herausgekommen sind eine gemischte Bewertung und 20 Empfehlungen, wie Kiel noch kreativer werden kann.

Solide Lage mit „Luft nach oben“: Kiel kann noch mehr

Der Creative City Index geht von einem allumfassenden Kreativitätsverständnis aus. Ein wesentliches Merkmal von „Creative Citys“ ist, dass eine Stadt als Ganzes eine Kultur des Ermöglichens und lösungsorientierten Agierens schafft sowie vorhandenes Potenzial bestmöglich einbindet, um innovativ und zukunftssicherer aufgestellt zu sein. Dabei geht es nicht nur um die Domäne des Kunst- und Kultursektors, sondern um eine gesamte Erfassung der Ressourcen, die in der Stadt verankert sind und geschaffen werden. Das Kulturverständnis geht hier vom Menschen, also von den Bürger*innen Kiels, aus. Und es geht um einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess – so schreiben Landry und Bennett: „Es gibt keinen bestimmten Punkt, an dem eine Stadt endgültig ‚kreativ‘ ist. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, die Fähigkeit zur Vorausschau zu entwickeln, offen für Chancen zu sein, Stärken und Schwächen ehrlich einzuschätzen und strategisch zu handeln. Der Weg zur Kreativität ist ein ständiger Prozess des Werdens, eine fortlaufende Entwicklung zur effektiven Anpassung an eine sich verändernde Welt.“

Auf dieser Basis geht Kiel 2022 gemäß der von Charles Landry entwickelten Indexbewertung auf einer Skala von null bis zehn mit der Endnote 5,8 in den „Creative City Index“ ein. Landry und seine Co-Autorin Robyn Bennett sehen trotz solider Leistung also durchaus noch „Luft nach oben“. Neben Großstädten wie Helsinki oder Bilbao liegt Kiel damit aber immerhin im oberen Drittel und zeigt, dass die schöne Lage am Meer nicht das einzig Besondere der nördlichsten Landeshauptstadt Deutschlands ist.

Umdenken, ermöglichen und gestalten – Kiels Weg zu mehr Kreativität

Vor zwei Jahren begann der Prozess, Kiels Kreativität unter die Lupe zu nehmen: Mit der Auftaktstudie „Wie kreativ ist Kiel?“ unter der Leitung von Prof. Dr. Marco Hardiman (Fachhochschule Kiel) wurde vorgefühlt, welche kreativen Besonderheiten in der Landeshauptstadt schlummern. Als anschließender Prozess folgte eine Standortbestimmung und Potenzialerfassung durch den international renommierten Stadtforscher Charles Landry – der sich weltweit mit dem sogenannten „Kreativindex” einen Namen gemacht hat.

Fragen, Interviews, Gespräche, Online-Befragungen, Workshops, Besichtigungen kreativer Orte – all dies erfolgte unter Einbeziehung möglichst vieler verschiedener Menschen in unterschiedlichen Rollen und Funktionen in Kiel. Im Ergebnis kommen damit also ganz unterschiedliche Perspektiven zum Tragen.

Der Bericht bewertet das kreative Potenzial der Stadt Kiel anhand einer Reihe von Kriterien, hebt die Schlüsselthemen hervor, die sich aus der Untersuchung als Potenzialbereiche herauskristallisiert haben, und führt dann diese verschiedenen Perspektiven zusammen. Drei Leitziele ziehen sich durch den Bericht: Umdenken, Ermöglichen und Gestalten. „Der Ansatz besteht darin, die aktuellen Stärken und Herausforderungen zu bewerten, vor diesem Hintergrund die Potenziale Kiels auszuloten und darüber hinaus eine Reihe von Empfehlungen auszusprechen, wie man Kiels Stärken stärker nutzen kann, um sich als interessante, lebendige und zukunftsfähige Stadt zu positionieren“, schreiben die Autor*innen.

20 Empfehlungen für Kiel

Nach einem Jahr Arbeit liegt nun der Abschlussbericht mit 20 Empfehlungen vor, deren Umsetzung Kiels Potenzial als kreative, attraktive und zukunftsfähige Stadt weiter stärken sollen.

„Der Kreativindex ist eine super Grundlage, um loszulegen“, betonte Renate Treutel als Bürgermeisterin und Kulturdezernentin bei der Abschlussveranstaltung zum Creative City Index. „Wir müssen mehr gestalten als verwalten.“

Die Empfehlungen wurden in sechs Cluster unterteilt und untersuchten erstens Denkweise und Organisationskultur, zweitens Zukunftsstrategie und Stadtnarrativ, drittens Verankerung der Potenziale, viertens Netzwerk – Innen und Außen, fünftens Veränderung von Verwaltungsstrukturen und sechstens Kiel International.

Vom „Nein, weil…“ zum „Ja, wenn…“

Das entscheidende Stichwort lautet Ermöglichungskultur: Eine aufgeschlossene, offene Denk- und Handlungsweise, die explorativen Raum zur Verfügung stellt, die mehr offen als geschlossen ist, die Fehler zulässt und daraus lernt. Charles Landry und Robyn Bennett beschreiben, dass Kiel bei genauer Betrachtung recht gut dasteht, sich aber nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen kann, wenn die Stadt ein gewisses Renommee und überregionale Sichtbarkeit erlangen will.

Fazit: Als Referat Kreative Stadt der Landeshauptstadt Kiel ziehen wir aus der gemeinsamen Arbeit, dem Abschlussbericht und den daraus entstandenen Empfehlungen den Schluss, dass wir unsere ganz besonderen kreativen Orte weiter ausbauen, unsere Bürger*innen und unsere Stadtmacher*innen unterstützen sowie unsere Stadtverwaltung nahbarer machen wollen. Dazu zählen wir auch den weiteren Ausbau des Projekts „Tiny Rathaus“ und die intensive Umsetzung der Empfehlungen.

Kiel ist 2021 ausgezeichnet worden und erzielte den ersten Platz beim Bundespreis kooperative Stadt in der Sparte Großstadt. Diesem Ansatz der gemeinsamen und kreativ gestalteten Stadtentwicklung fühlt sich die Stadtverwaltung besonders verpflichtet.


(Foto: Privat)

Lysann Parpart ist im Referat Kreative Stadt der Landeshauptstadt Kiel tätig. Ihre Schwerpunkte liegen in modernen Prozessen der Teilhabe auf Ebene der Barrierefreiheit, Kommunikation und Webdesign sowie in der Förderung von Kreativitätsentwicklung innerhalb Kiels.

Als Kulturanthropologin und Pädagogin mit Schwerpunkt auf Beratung, Psychotherapie und interkultureller Teilhabe, basiert ihr Ansatz auf Kommunikationsstrategien, einer intersektionalen Diversitätsforschung und dem Zugang der niedrigschwelligen Teilhabe innerhalb der Gesellschaft.

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