Zumindest zweitweise international oder im europäischen Ausland dienen und Erfahrungen sammeln zu können, ist ein vielfach geäußerter Wunsch von Beamt*innen in Deutschland. In einigen Bereichen ist dies gelebte Realität. So sind im militärischen und polizeilichen Bereich temporäre Auslandseinsätze an der Tagesordnung und „normaler Teil des Dienstes“. Außerhalb dieses Bereichs ist Arbeiten im Ausland keine Normalität und ggf. je nach Dienstherren, Laufbahnen, Funktionen und Diensten völlig unterschiedlich ausgestaltet.
Wir haben dringenden Nachholbedarf: Wir brauchen mehr europäische Grundbildung für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst und dafür muss bereits während der Ausbildung Europarecht viel breiter gelehrt werden. Unabdingbar ist es zudem, Führungskräften eine weitergehende Qualifizierungsebene anzubieten, verbunden mit einem entsprechenden Auslandsaufenthalt. Darüber hinaus muss mehr Wert darauf gelegt werden, dass diejenigen, die von einer Tätigkeit in europäischen Institutionen etc. an ihre Dienststelle zurückkehren, attraktive Perspektiven haben. Wir brauchen gerade hier bundeseinheitliche Definitionen von Europakompetenz für den gesamten öffentlichen Dienst – gleich ob Kommune, Land oder Bund.
Eine zeitlich befristete Verwendung in europäischen und internationalen Organisationen bzw. bei öffentlichen Einrichtungen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ist grundsätzlich für alle Beamt*innen beim Bund und in den 16 Bundesländern möglich.
Prinzipiell bleibt das Statusamt beim jeweiligen Dienstherrn erhalten, so dass den Beamt*innen keine Anwartschaften und Rechte verloren gehen. Im Regelfall wird für die Dauer der Entsendung bzw. der Verwendung im Ausland Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung gewährt. Die Bundesregierung fördert den Einsatz deutscher Beschäftigter bei zwischenstaatlichen und supranationalen Organisationen. Sie hat daher in der sogenannten „Entsendungsrichtlinie Bund“ verschiedene Festlegungen getroffen, wie z. B. zum zeitlichen Rahmen. Hiernach ist die Beurlaubung auf bis zu fünf Jahre zu befristen. Sie kann auf bis zu zehn Jahre verlängert werden.
Ein gänzlich anderer Weg ist die Beendigung des deutschen Dienstverhältnisses und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem internationalen oder supranationalen Arbeitgeber, was bei den Europäischen Institutionen mit speziellen und anspruchsvollen Auswahlverfahren verbunden ist. Tatsächlich sind deutsche Staatsangehörige in den EU-Institutionen unterrepräsentiert. Das gilt besonders für den administrativen Mittelbau, was perspektivisch auch für den Anteil in höheren Positionen nachteilig ist. Es liegt aber eindeutig in unserem nationalen Interesse, wenn in den EU-Verwaltungen und allen Mitgliedsländern der Europäischen Union mehr Wissen über deutsches Recht, über das deutsche Berufsbeamtentum und sein eigenständiges Alterssicherungs- und Gesundheitssystem sowie über die Funktionsbedingungen unseres sozialen Bundesstaats verbreitet wird. Dies machen viele andere Mitgliedsstaaten engagierter und konzentrierter. Dort werden geeignete Kandidat*innen frühzeitig für eine europäische Laufbahn vorbereitet, oftmals schon während ihrer Ausbildung. Bei uns befürchten geeignete Kandidat*innen hingegen oftmals, in Brüssel seien sie hinsichtlich ihrer späteren Karrieren für ihre Stammbehörden „aus den Augen, aus dem Sinn”.
Seit einigen Jahren wächst zum Glück in den meisten Dienststellen ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass die Auslandsverwendung ein Win-Win für alle Beteiligten bedeutet. Dies gilt es mit konkreten Schritten zu unterfüttern: Wichtig im Sinne einer besseren Vertretung deutscher Interessen ist es, wenn – bundeseinheitlich, laufbahngruppenübergreifend und verbindlich – mehr tatsächliche temporäre Auslandstätigkeiten eröffnet werden, diese mit mehr (immateriell und materiell) Anreizen verbunden sind, sowie nach Rückkehr, mit mehr Sicherheit für die eigene Laufbahnentwicklung hinterlegt werden.
Waldemar Dombrowski war von 2002-2024 Bundesvorsitzender der VBBA Gewerkschaft Arbeit und Soziales und zuletzt Vorsitzender der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit Bad Hersfeld/Fulda. Im Juni diesen Jahres wurde er zum neuen Zweiten Vorsitzenden des dbb beamtenbund und tarifunion gewählt.