Dienstag, 17. Juni 2025

Führerscheinentzug für die ganze EU

Verordnung oder Verirrung?

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Hast Du schon davon gehört, dass ein Führerscheinentzug zukünftig in der ganzen EU gelten soll? Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben sich nämlich am 25. März mit der EU-Kommission auf eine zentrale Richtlinie geeinigt, um die Sicherheit auf den Straßen Europas zu verbessern. Es soll sichergestellt werden, dass bei besonders schweren Verkehrsverstößen von Fahrer*innen eines Mitgliedstaats die von einem Staat getroffenen Sanktionen, insbesondere der Verlust der Fahrberechtigung, in der gesamten EU angewendet werden können.

Der Grund

In der EU gibt es zu viele Verkehrsunfälle mit Verkehrsunfallopfern, die von Täter*innen verursacht werden, die entweder kriminell handeln oder gefährliche Ordnungswidrigkeiten begehen. Wenn diese Täter*innen nicht konsequent bestraft werden, handeln sie weiter wie bisher und gefährden weitere Menschenleben.

Aktuell darf ein Führerschein von Fahrer*innen, die ein gefährliches Verkehrsdelikt begangen haben, nur von den Mitgliedstaaten weggenommen werden, die den Führerschein ausgestellt haben, d. h. sie dürfen ein Fahrverbot nur für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet aussprechen und durchsetzen.

Täter*innen im Straßenverkehr bleiben bislang sehr oft straflos, weil entweder ihre Kontaktdaten für das Ermittlungsverfahren nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen oder aus diversen praktischen Gründen die Strafen nicht ausgesprochen und durchgesetzt werden können.

Die Neuregelung

Daher soll ein neues System eingeführt werden, mit dessen Hilfe ein Fahrverbot EU-weit ausgesprochen und durchgesetzt werden kann. Voraussetzung dafür ist es, dass ein Mitgliedstaat in einem Strafverfahren beschließt, Fahrer*innen wegen einer auf seinem Territorium begangenen Straftat zu bestrafen und ihnen gegenüber nicht nur ein Bußgeld oder eine Geldstrafe verhängt, sondern zusätzlich ein zeitweises Fahrverbot von mindestens drei Monaten oder sogar eine komplette Entziehung der Fahrerlaubnis beschließt.

Im nächsten Verfahrensschritt ist der Mitgliedstaat, in dem das Delikt begangen und bestraft wurde, dazu verpflichtet, den Ausstellungsmitgliedstaat über den Verlust der Fahrberechtigung über das EU-Führerscheinnetz (RESPER) zu informieren. Voraussetzung ist die Rechtskraft des Verfahrens, d.h. dass der Rechtsweg von Täter*innen ausgeschöpft worden ist. Der Mitgliedstaat, der den Führerschein ausgestellt hat, unterrichtet dann die Täter*innen innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Erhalt der Mitteilung und entscheidet, ob gegen Täter*innen ein Fahrberechtigungsverlust verhängt werden soll, sodass dieser daraufhin in der gesamten EU gilt und durchgesetzt werden kann.

Der Vorschlag der EU-Kommission umfasst besonders gefährliche Straßenverkehrsdelikte wie z. B. eine sehr hohe Geschwindigkeitsüberschreitung, das Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss und die Verursachung von Tod oder einer schweren Körperverletzung infolge eines Verkehrsdelikts.

Die nächsten formalen Schritte

Im nächsten Schritt werden das Europäische Parlament und der Europäische Rat die neue Richtlinie verabschieden, sie tritt dann 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben dann vier Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Die Bewertung

Es ist längst überfällig, dass gefährliche Fahrer*innen mit Geltung für die gesamte EU für ihr gefährliches und oft charakterlich bedingtes Fehlverhalten sanktioniert werden können. Die Entziehung des Führerscheins und damit der Berechtigung, legal ein Kraftfahrzeug fahren zu dürfen, ist dabei die wirksamste Sanktion. Den drei beteiligten Institutionen der EU, also dem Parlament, dem Rat und der Kommission ist nur vorzuwerfen, dass sie diesen Erfolg versprechenden Schritt nicht schon viel früher gegangen sind.

Allerdings müssen die 27 Staaten der EU nun auch zügig handeln und vor allem die demnächst beginnende vierjährige Umsetzungsfrist deutlich verkürzen, wenn ihnen das Leben ihrer Bürger*innen das wert ist. Danach müssen die Entziehungen nur noch in das europäische Führerscheininformationssystem RESPER eingegeben werden, damit diese Informationen von allen Polizist*innen und anderen berechtigten Personen online abgelesen werden können, damit das System auch tatsächlich funktioniert.

Für die Verkehrssicherheit auf den europäischen Staaten ist die Umsetzung von Sanktionen gegenüber gefährlichen Fahrer*innen immer eine gute Maßnahme.

Das Sahnehäubchen auf diesem Projekt wäre aber noch eine zusätzliche medizinisch-psychologische Untersuchung der charakterlich besonders auffälligen Fahrer*innen, als deren Ergebnis dann entweder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder aber eine dauerhafte Entziehung der Fahrberechtigung stehen würde, wenn die Person auch weiterhin eine Gefahr für uns alle darstellen würde. Diese müssten dann auch in der gesamten EU gelten. Aber das wird wohl nie kommen …


Foto: Robert Michalk

Dr. Dieter Müller ist Professor für Verkehrsrecht und bildet seit mehr als 30 Jahren Polizeistudent*innen in Sachsen aus. Er arbeitet zudem als Dozent, Forscher und Publizist.

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