Dienstag, 17. Juni 2025

Menschenrechte – nur auf dem Papier?

Verordnung oder Verirrung

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Ausbeuterische Arbeitsbedingungen, unfaire Löhne, Kinderarbeit, oder die Missachtung von Umweltschutzmaßnahmen. Verletzungen von Menschenrechten und Umweltschutzstandards treten leider nach wie vor in globalen Lieferketten auf. Seit 2023 versucht man in Deutschland mit einem Lieferkettengesetz, diesen Missständen entgegenzuwirken. Mit dem Gesetz sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihrer Verantwortung gegenüber Menschen und Natur bei der Herstellung von Alltagsprodukten nachzukommen. Gelingt das, oder kreiert das Gesetz mehr Verwirrung als Verantwortung?

Die Bedeutung des deutschen Lieferkettengesetzes

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) stellt eine wichtige Säule zur Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten dar. Darunter versteht man die Pflichten von Unternehmen, die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt bei der Herstellung von Produkten zu beachten. Bislang konnten Unternehmen freiwillig entscheiden, ob und wie konsequent sie ihre Lieferketten auf mögliche Menschenrechtsverletzungen untersuchen, und wie sie mit etwaigen Fällen umgehen. Erst seit kurzem entstehen vermehrt neue gesetzliche Rahmenwerke, die Unternehmen verbindlich zur Einhaltung ihrer Verantwortung verpflichten. In diesem Sinne ist das deutsche Lieferkettengesetz ein Meilenstein zur Einführung von Schutzmaßnahmen entlang globaler Lieferketten. Es schafft Transparenz, Rechtssicherheit und räumt schutzbedürftigen Personen Möglichkeiten ein, Beschwerde einzulegen, um auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen aufmerksam machen zu können.

Auch auf europäischer Ebene gibt es seit 2024 eine Lieferkettenrichtlinie, die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Sie verfolgt die gleichen Ziele wie das deutsche Gesetz: die Einhaltung von Menschenrechten, Umwelt- und Klimaschutz in Wertschöpfungsketten durch Unternehmen. 

Herausfordernde Umsetzung

Seit dem Inkrafttreten des deutschen Lieferkettengesetzes im Jahr 2023 konnten zahlreiche Erfahrungen bei allen Beteiligten gesammelt werden. Einerseits lässt sich festhalten, dass das LkSG positive Wirkungen zeigt. Beispielsweise konnten durch die neuen Beschwerdemöglichkeiten Verletzungen von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards aufgedeckt und behoben werden. Andererseits kommt es in der Praxis teilweise zu pauschalen Informationsabfragen bei kleineren Unternehmen. Das wird von kleinen und mittleren Unternehmen als Belastung empfunden. Die Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie bietet die Chance, dieses Problem zu beheben, da sie einen risikobasierten Ansatz stärkt.

Lieferkettengesetze unter Druck

Trotz der bedeutenden Vorteile, die das deutsche und europäische Lieferkettengesetz schutzbedürftigen Menschen bringt, stehen die Regulierungen aktuell massiv unter Druck. Die neue Bundesregierung kündigt im Koalitionsvertrag an, die Berichtspflichten des LkSG auszusetzen und Unternehmen nur noch bei „massiven Menschenrechtsverletzungen“ zu sanktionieren. Es wird kritisiert, das Gesetz wäre zu bürokratisch und stelle eine zu große Belastung für Unternehmen dar. Zudem möchte sie sich auf EU-Ebene für eine Aufweichung der europäischen Lieferkettenrichtlinie einsetzen, wodurch die Gefahr besteht, dass wichtige Schutzmechanismen wieder abgeschafft werden. Auch die EU-Kommission versucht im Rahmen eines Verfahrens zur Vereinfachung von Berichtspflichten, die Inhalte von Nachhaltigkeitsregulierungen abzuschwächen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird, wodurch vor allem jene den Preis bezahlen, denen die Gesetze zugutekommen sollen: Menschen und unsere Umwelt, die in globalen Lieferketten weiterhin ausgebeutet werden.

Am 13.05.2025 ist die Petition „Gewinne ohne Gewissen – Menschenrechte und Umwelt schützen!“ gestartet, mit der ein starkes Zeichen zum Erhalt der Lieferkettengesetze in Deutschland und der EU gesetzt werden soll. Hier findet ihr weitere Infos und könnt unterzeichnen.


Foto: Forum Fairer Handel

Robert Diendorfer ist Referent für Unternehmensverantwortung und Sorgfaltspflichten beim Forum Fairer Handel. Zu seinen Hauptaufgaben zählen die Informations- und politische Arbeit zum Themenbereich Wirtschaft & Menschenrechte.

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