Freitag, 29. März 2024

Zwischen Flexibilität und Entgrenzung: Wie gelingt gesundes Arbeiten von zu Hause?

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Keine langen Pendelwege auf vollen Straßen ins Büro. Dafür mehr Flexibilität in der Gestaltung beruflicher und privater Anforderungen und mehr Zeit für Freizeit und Familie. Das Arbeiten von zu Hause verspricht viele Vorteile. Auch nach der Pandemie möchten mehr Beschäftigte weiterhin von zu Hause arbeiten. Die Forschung weist aber auch auf Gefahren hin. So kann das Arbeiten von zu Hause mit einer Entgrenzung zwischen den Lebensbereichen einhergehen und so Zeiten für Berufliches und Privates verwischen. Die BAuA-Arbeitszeitbefragung 2019 zeigt beispielsweise, dass Beschäftigte, die zu Hause arbeiten, häufiger mehr Überstunden leisten und kürzere Ruhezeiten haben. Dies kann langfristig auch gesundheitliche Folgen haben.

Was braucht es also um gut und langfristig gesund von zu Hause arbeiten zu können? Die Antwort lautet: „Gestaltung!“ Sowohl auf betrieblicher als auch auf individueller Ebene muss das Arbeiten von zu Hause gestaltet werden. Angefangen von der Einrichtung eines ergonomischen Arbeitsplatzes und der technischen Ausstattung, über die Regelung von Arbeits- und Ruhezeit bis hin zum regelmäßigen Austausch mit Kolleg*innen sowie Vorgesetzten.

Gutes Arbeiten von zu Hause braucht Ausstattung

Um physische Fehlbelastungen am Arbeitsplatz vorzubeugen sollte, vor allem, wenn regelmäßig zu Hause gearbeitet wird, ein ergonomischer Arbeitsplatz eingerichtet werden. Dazu gehören idealerweise ein höhenverstellbarer Schreibtisch und Stuhl sowie eine ausreichend große Arbeitsfläche. Wichtig für eine gute Ausstattung ist außerdem ein zusätzlicher Bildschirm, Tastatur und Maus, die im besten Fall über eine Dockingstation mit dem Notebook verbunden werden können. Der Arbeitsplatz und Bildschirm sollten so aufgestellt werden, dass es keine störenden Reflexionen oder Blendungen gibt. Liegt eine Vereinbarung für Telearbeit vor, ist der/die Arbeitgeber*in zur Ausstattung eines ergonomischen Arbeitsplatzes verpflichtet. Neben einer stabilen Datenverbindung sollte ein Zugriff auf den betrieblichen Server von zu Hause aus sichergestellt sein. Ein IT-Service, der für Beschäftigte auch von zu Hause aus erreichbar ist und bei Problemen zeitnah helfen kann, kann Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit und damit aufkommenden Technikstress vorbeugen.

Gutes Arbeiten von zu Hause braucht Struktur

Das Arbeitszeitgesetz gilt auch für das Arbeiten von zu Hause und legt eine Höchstgrenze der Arbeitszeit (8 bzw. 10 Stunden pro Tag), mindestens 11 Stunden Ruhezeit zwischen dem Ende und Anfang der Arbeit sowie regelmäßige Pausen fest. Um seine Arbeitszeit nicht aus den Augen zu verlieren, ist es hilfreich sie auch zu Hause regelmäßig zu erfassen. So können auch Zeiten für Pausen und Ruhezeiten besser eingeplant und im Blick behalten werden. Hier sind vor allem die Betriebe gefragt, die mit einem digitalen Programm zur Arbeitszeiterfassung ihren Beschäftigten die Dokumentation ihrer Arbeitszeit erleichtern können. Denn das Arbeiten von zu Hause geht mit dem Risiko einher, die Arbeitszeit auszuweiten oder zu unüblichen Zeiten zu arbeiten, die dann mit Zeiten für soziale Aktivitäten oder Erholung kollidieren können. Gerade virtuelle Besprechungen und Videokonferenzen ermöglichen außerdem eine Verdichtung von Terminen. Schnell kann man sich von der einen in die andere Besprechung klicken oder auch an mehreren virtuellen Veranstaltungen gleichzeitig teilnehmen. Um hier einer Überlastung vorzubeugen, müssen auch bei virtuellen Besprechungen Pausen bewusst eingeplant und zwischen einzelnen Termine Zeiten für die Vor- und Nachbereitung freigehalten werden. Gerade bei langer Bildschirmarbeit sollten zusätzlich regelmäßig kürzere Pausen (etwa 5 Minuten pro Stunde) eingelegt oder die Tätigkeit gewechselt werden.

Auch die Führungskraft hat die Verantwortung ihre Mitarbeiter*innen vor Überanstrengungen zu schützen. Hierzu ist eine gemeinsame Planung der Arbeitsziele und eine regelmäßige Rückmeldung zu Arbeitsaufgaben wichtig. Zusätzlich können Betriebe Beschäftigte durch Weiterbildungen im Bereich Technologienutzung, Zeitmanagement und Selbstorganisation in ihrer Arbeit von zu Hause unterstützen.

Gutes Arbeiten von zu Hause braucht Kommunikation

Gerade wenn nicht vor Ort im Büro gearbeitet wird, ist ein regelmäßiger Austausch mit Kolleg*innen sowie Vorgesetzten wichtig. Virtuelle Teammeetings, in denen über anstehende Aufgaben in der Woche oder auch Probleme bei einzelnen Aufgabe gesprochen werden können, unterstützen die Zusammenarbeit auch auf Distanz und beugen einer Überforderung oder sozialer Isolation vor.  Auch Chatprogramme können den Austausch zwischen Kolleg* innen fördern und helfen Absprachen im Team auch kurzfristig zutreffen. Für eine gute Zusammenarbeit außerhalb des Büros braucht es außerdem eine klare Kommunikation über An- und Abwesenheitszeiten. Das schafft Transparenz darüber, wer wann erreichbar ist und vermeidet die Erwartung an eine ständige digitale Präsenz. Dennoch sollte es auch eine gewisse Flexibilität darin geben, an welchen Tagen Beschäftigte von zu Hause arbeiten können. Starre Modelle, die die persönlichen Anforderungen der Beschäftigten nicht berücksichtigen, fördern auch nicht deren Balance.

Gutes Arbeiten von zu Hause braucht Vertrauen

Führungskräfte müssen ihren Beschäftigten das Vertrauen entgegenbringen, dass sie auch außerhalb des Büros produktiv und eigenständig arbeiten. Eine ständige Kontrolle der Arbeitsleistung fördert das Misstrauen und kann den Stress für Beschäftigte erhöhen. Neben einer Vertrauenskultur ist auch eine Gesundheitskultur im Unternehmen wichtig. Auch für Beschäftigte, die zu Hause arbeiten, sollte es keine Barriere geben, sich bei Krankheit arbeitsunfähig zu melden. Präsentismus, also die Anwesenheit auf der Arbeit trotz Krankheit, wird gerade durch die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten erleichtert.

Das Arbeiten von zu Hause kann Beschäftigten mehr Selbstbestimmung und Freiheit für die Gestaltung ihres Berufs- und Privatlebens ermöglichen und so zu mehr Zufriedenheit beitragen. Dies gilt allerdings nur, wenn das Arbeiten von zu Hause auch frei gewählt ist. Nicht alle Beschäftigten möchten von zu Hause arbeiten, sondern bevorzugen eine strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben und möchten diese auch räumlich aufrechterhalten.

Formen der Arbeit von zu Hause

  • Telearbeit: Telearbeit ist durch die Arbeitsstättenordnung geregelt (vgl. § 2 Abs. 7 ArbStättV) und beschreibt einen fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten. Der/die Arbeitgeber/in muss die dafür benötigte Ausstattung, wie Möbel und Technik, zur Verfügung stellen. Zudem sind die wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Telearbeit zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten vertraglich geregelt. Ein   grundsätzliches „Recht auf Telearbeit“ besteht nicht.
  • Mobiles Arbeiten: Mobiles Arbeiten beschreibt das Erbringen einer Arbeitsleistung außerhalb der Betriebs- bzw. Arbeitsstätte unter der Verwendung von (mobilen) Informations- und Kommunikationstechnologien. Mobiles Arbeiten umfasst dabei auch das gelegentliche Arbeiten von zu Hause (auch unter dem Begriff „Homeoffice“ bekannt). Anders als die Telearbeit ist das Mobile Arbeiten jedoch häufig nicht vertraglich vereinbart. Mobiles Arbeiten unterliegt anders als die Telearbeit – nicht der Arbeitsstättenverordnung, sondern beruht auf einer anlassbezogenen Absprache mit dem/der Arbeitgeber/in.
  • Homeoffice: Homeoffice ist eine Form des Mobilen Arbeitens und umfasst eine zeitweilige Tätigkeit im Privatbereich des Beschäftigten nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber/ der Arbeitgeberin.
Ines Entgelmeier arbeitet seit 2020 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, in der Gruppe 1.1 Arbeitszeit und Organisation Dort arbeitet sie vor allem an der BAuA-Arbeitszeitbefragung mit. Die BAuA-Arbeitszeitbefragung ist eine repräsentative Panelbefragung von Erwerbstätigen in Deutschland. Nach 2015, 2017 und 2019 wird aktuell die 4. Welle erhoben. 
Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Duisburg-Essen, am Institut für Soziologie beschäftigt. Sie promoviert zu der Bedeutung einer erwerbsbezogenen Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für die Entgrenzung von Berufs- und Privatleben und fokussiert dabei insbesondere auf geschlechtsspezifische Unterschiede.

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