Donnerstag, 25. April 2024

Momentum der aktuellen Krisen

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Malin Jacobson
Malin Jacobson
Malin Jacobson schreibt über Kommunalpolitik und den Öffentlichen Dienst. Ihre Freizeit wird größtenteils durch Cheerleading und Jerusalem bestimmt – immer auf der Suche nach gesellschaftsrelevanten Themen und anregenden Gesprächen.

“Wir können zeigen, dass wir Afrikaner genauso talentiert sind wie der Rest der Welt”

Von anderen lernen und das eigene Wissen teilen – unter diesem Leitgedanken trafen sich Vertreter*innen verschiedener Staaten Afrikas und Ostasiens sowie deutsche Verwaltungsexpert*innen zum Netzwerktreffen des Governance-Fonds der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) in Berlin. Aus Burkina Faso, Benin, Kamerun, Nigeria, Sambia, Uganda sowie Deutschland und der Mongolei kamen auf der Veranstaltung “Reform Experience in Motion” Delegationen zusammen, um über die Umsetzung von Transformationsprozessen und Reformprioritäten zu diskutieren.

“Wir brauchen eine Zäsur”, erklärte Dr. Obiageli Ezekwesili, Gründerin und Vorsitzende der School of Politics, Policy and Governance (SPPG) sowie CEO von Human Capital Africa (HCA), bezüglich der Zukunft der Verwaltung in Zeiten multipler Krisen. Es sei absolut inakzeptabel, so die nigerianische Menschenrechtlerin und Politikerin, dass 90 Prozent der ärmsten Menschen der Welt Afrikaner*innen seien. Ärmere Länder als die Afrikas hätten es geschafft, durch eine wirtschaftliche Revolution wieder auf die Beine zu kommen, daher brauche es auch für diesen Kontinent eine einschneidende Veränderung, argumentierte sie. Kah Walla, Moderatorin der Veranstaltung, ergänzte: “Wir werden in Afrika bald die meisten Arbeitskräfte der Welt haben – wenn wir keine Arbeitsplätze für sie schaffen, werden es andere tun.” Die Zeit, zu handeln, sei also jetzt, bestätigte auch ein Delegationsteilnehmer, der forderte, das Momentum der aktuellen Krisen nicht zu vergeuden.

Ministerialdirektor Dr. Jürgen Zattler, Abteilungsleiter für internationale Entwicklungspolitik des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), empfahl in diesem Zusammenhang, das kollektive Handeln in den Fokus zu stellen. Die aktuellen Krisen seien nicht auf ein Land beschränkt, sondern weitreichender, ja sogar global, sodass kein Land allein diese Probleme bewältigen könne. “Wir müssen daher Strukturen finden, mit deren Hilfe wir global zusammenarbeiten können.” Laut Ezekwesili muss eine solche Zusammenarbeit aber anders gedacht werden, als es bisher der Fall gewesen sei, um nicht die immer gleichen Fehler zu wiederholen, sondern die Probleme an deren Wurzel anzugehen. Dabei hilft ihrer Meinung nach auch die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft und der Verwaltung: “Je mehr Technologie wir in die Gesellschaft bringen können, desto mehr können wir sie befähigen. Und: Wir können zeigen, dass wir Afrikaner genauso talentiert sind wie der Rest der Welt.” Viele Reformansätze werden dank des Governance-Fonds, welcher vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird, bereits umgesetzt, wie der Austausch der Delegationen auf dem vom Behörden Spiegel organisierten Netzwerktreffen zeigte. So berichtete ein Vertreter Benins von der Reform des Finanzsektors, zu der dessen Dezentralisierung gehöre, um eine höhere Transparenz zu erlangen. In der Mongolei habe die Entwicklungsarbeit erst vor Kurzem eine Verfassungsreform bewirkt, die die Wahl von Richtern unabhängiger, transparenter und korruptionsresistenter machen solle, erklärte ein Landesvertreter. Des Weiteren sei man dabei, die Digitalisierung des Justizsektors voranzubringen, um auch den Menschen im ländlichen Raum beispielsweise die Möglichkeit zu geben, Anzeige zu erstatten. Alero Ayida-Otobo, unter anderem Gründerin von Incubator Africa sowie Mitbegründerin und Treuhänderin des Education Reform and Innovation Teams (ERIT), mahnte, dass Politik nach wie vor über Verwaltung und Wirtschaft entscheide: “Daher wird Afrika immer zurückbleiben, wenn wir unsere Politiker nicht in Ordnung bringen.” Aus diesem Grund bilde die School of Politics, Policy and Governance (SPPG) disruptive Denker aus, die mit Charakter, Kompetenz und Mut ihre Kommunen leiteten und verwalteten, erläuterte die Nigerianerin. “Unsere Schüler*innen wollen die Welt verändern und wir geben ihnen die Werkzeuge dazu.” Um zu expandieren, noch mehr Ländern und Regierungen die Möglichkeit zu geben, zu lernen und ein Unterstützungssystem für zukünftige Amtsträger*innen zu schaffen, bemühe man sich derzeit um weitere finanzielle Unterstützung. Im Rahmen der Korruptionsbekämpfung, erklärte Katherine Wilkins, Hertie School of Governance, seien eine unabhängige Gerechtigkeit, eine gestärkte Gesellschaft und freie Presse unabdingbar – Aspekte, die in den verschiedenen Ländern, welche vom Governance-Fonds unterstützt würden, bereits angegangen würden. Und sie ergänzte: “Der Kontext ist dabei aber wichtig, denn in einem Land, in dem Korruption selten vorkommt, braucht es nur einen gezielten Ansatz. Aber in einem Land, in dem Korruption ein umfassenderes Problem darstellt, ist auch ein umfassender Ansatz erforderlich.” Dabei sei es schwierig, das Ausmaß und die Schwere von Korruption festzustellen, da in erster Linie die subjektive Wahrnehmung von Bürger*innen befragt werde. Die Hertie School of Governance versuche, diese Eindrücke über objektive Messungen zu verifizieren, beispielsweise über den Vergabeprozess. Dabei schaue man sich an, wie häufig es nur einen Bieter für eine Ausschreibung gebe.

Vertreter der verschiedenen Delegationen berichten welche Reformansätze dank des Governance-Fonds bereits umgesetzt wurden. (Foto: photothek, Thomas Trutschel)

“Die öffentliche Verwaltung ist der Schlüssel für das demokratische System”, so Dr. Julia Borggräfe, Co-Geschäftsführerin der Metaplan Gesellschaft für Verwaltungsinnovation. Mit ihr habe man als Bürger*in regelmäßig Kontakt und dies gebe eine Orientierung, wie und ob die Verwaltungsstruktur für die/den Einzelnen funktioniere. Wenn bei diesem Kontakt die Benutzererfahrung beeinträchtigt werde, wie es bei den Papierformularen deutscher Ämter häufig der Fall sei, sei das ebenso problematisch wie der Zusammenbruch von Organisationsmodellen, erläuterte die ehemalige Abteilungsleiterin für Digitalisierung und Arbeitswelt im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Sie plädierte dafür, bei der Verwaltungsinnovation Prozesse und Innovation in gleichem Maße zu berücksichtigen und empfahl: “Nicht alles lässt sich über ein agiles Management abwickeln, aber man sollte es zum Beispiel mit Pilotprojekten versuchen.”

“Wir müssen uns disruptiv verändern”, erklärte mit Blick auf die deutsche Verwaltung Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, in einem schriftlichen Statement. Und er gab zu bedenken, dass Deutschland zwar ein reiches Land sei, aber nur die drängendsten Herausforderungen abmildern könne – langfristig könne es beispielsweise die Lebensmittelkrise aufgrund des Krieges in der Ukraine oder die Versorgungskrise, eine Nachwirkung der der Pandemie, nicht ausgleichen. Das liege auch daran, dass seit der Pandemie Prognosen zu Steuern und Budgetierungen sehr schwierig seien. Daher sei es gut, mit dem Governance-Fonds Projekte fördern zu können, die eine große Wirkung erzielten. “Die Beihilfe ist vorübergehend, aber gezielt.”

Event-Management für Behörden

Das Netzwerktreffen in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin wurde vom Behörden Spiegel für die GIZ organisiert. Solltet auch ihr Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Kongressen oder Tagungen benötigen, wendet euch gerne an: benjamin.bauer@behoerdenspiegel.de.

Bei Fragen zur Arbeit des Governance-Fonds wendet euch gerne an: Governance-fonds@giz.de.
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