Freitag, 29. März 2024

Die Supernasen

Tierische Kolleg*innen

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Dass Hunde eine außergewöhnliche Nase besitzen, ist nicht neu. Sie können verschiedene Substanzen in geringsten Mengen erkennen und sogar bestimmte Menschen über weite Distanzen aufspüren. Aber sind sie etwa auch in der Lage, Erkrankungen bei Menschen zu erkennen? Safe! Hunde werden für die Medizin immer interessanter.

In der Medizin basiert die Diagnose oder Detektion von Erkrankungen wie z.B. COVID-19 häufig auf Labortests. Solche Tests benötigen eine zeit- und kostenintensive Entwicklungsphase, zeigen oft nicht direkt das Ergebnis an, sind nicht immer so genau, wie man es gerne hätte, und sind sicherlich auch nicht die umweltfreundlichste Alternative. In unseren Studien an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) konnten wir zeigen, dass der Hund mit seinem Geruchssinn diese Probleme weitläufig umschiffen kann. Tatsächlich waren die Hunde in der Lage, Corona-Infektionen in biologischen Proben mit einer hohen Sicherheit zu detektieren, nachdem wir sie mit Proben von Corona-Infizierten trainiert hatten (https://doi.org/10.1186/s12879-020-05281-3). Der Eureka-Moment kam bereits Mitte 2020. Wir waren überrascht, wie gut Hunde die Infektion erschnüffeln können. Doch nicht nur das: Unsere Ergebnisse konnten im Rahmen weiterführender Studien in unserem eigenen Labor (https://doi.org/10.1186/s12879-021-06411-1; https://doi.org/10.3389/fmed.2021.749588; https://doi.org/10.3389/fmed.2022.877259) und auch weltweit nachgekocht werden, eine sehr wichtige Hürde in der Wissenschaft. Und das mit einer hohen Detektionssicherheit. Fast überall (https://doi.org/10.3389/fmed.2022.1015620).

Bestechend ist die Genauigkeit (über 85%) und die Schnelligkeit (wenige Sekunden), mit denen Hunde ihre COVID-19 Detektionsaufgabe lösten, und das mit viel Spaß an der Freude. Denn ihnen macht das Trainieren und das Lernen Spaß und sie sind hoch motiviert, zumal sie für ihre Arbeit mit Futter belohnt werden. Wer wäre da nicht begeistert? Auch für Sicherheit durch Behandlung der Proben bzw. durch die Präsentation der Proben in Spezialgefäßen wurde gesorgt. Eine richtige Gefahr scheint bis dato von SARS-CoV-2 für Hunde jedoch nicht auszugehen.

Balin an der Geruchsmaschine (Foto: Meller)

Die Hardware (Anatomie) und Software (Physiologie) einer Hundenase sind nicht zu unterschätzen. Der Luftstrom innerhalb der Hundenase ist viel gleichmäßiger als bei uns kurznasigen Menschen und sichert somit eine geregelte Zufuhr von Geruchsmolekülen zur Schleimhaut, die für das Riechen zuständig ist. Dort haben Hunde ein riesiges Arsenal an Riechzellen, die wiederum mit einer hohen Menge und Variabilität von Rezeptorproteinen bespickt sind. Diese Proteine stellen die Pforten dar, an denen die chemischen Signale der Moleküle aus der Außenwelt in elektrische Signale umgewandelt werden. Als wäre das alles aber noch nicht genug, haben Hunde auch noch eine viel größere Hirnregion, die für das Verarbeiten dieser elektrischen Signale verantwortlich ist: Während diese Region ca. 10% des Gesamtvolumens des Gehirns bei Hunden einnimmt, sind ist es bei uns Menschen lediglich 1%. Es sollte uns also nicht wundern, dass die Wahrnehmung der Umwelt bei Hunden sich völlig anders gestaltet als bei uns Menschen.

Die Nutzung des Geruchssinns der Hunde durch den Menschen ist nicht neu, doch die Medizin scheint diesen unglaublichen Biodetektor, den die Natur dem besten Freund des Menschen verpasste, erst jetzt für sich zu entdecken. Neben infektiösen Erkrankungen wie COVID-19 und Malaria scheint der Hund auch trainierbar zu sein auf nicht-infektiöse Krankheitszustände wie z.B. verschiedene Krebsarten oder Unterzuckerung bei Personen mit Diabetes oder epileptische Anfälle bei Personen mit Epilepsie. Dabei fungiert der Hund als eine Art Alarmsystem und kann dem betroffenen Menschen helfen, rechtzeitig lebensrettende Maßnahmen einzuleiten, lange bevor die eigentlichen Probleme entstehen. Die Theorie dahinter basiert auf flüchtigen organischen Molekülen und Molekülzusammensetzungen, die durch den entgleisten Stoffwechsel bzw. Erkrankungszustand des betroffenen Menschen bereits früh ausgeschieden werden und wie ein Fingerabdruck charakteristisch für diese Zustände sind. Die Hundenase ist derart empfindlich, dass dieser für uns Menschen äußerst subtile Fingerabdruck womöglich in jeglichen biologischen Flüssigkeiten oder Ausscheidungen des betroffenen Menschen identifiziert werden kann. Richtige Detektivarbeit also. Wichtig ist nur, dass der Hund in seinem Training lernt, welches Geruchsprofil von Interesse ist. Glücklicherweise können Hunde innerhalb von wenigen Tagen auf einen bestimmten Geruch konditioniert werden, wodurch sie flexibel einsetzbar sind.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie haben wir zusammen mit der Veranstaltungsbranche (Hannover Concerts, ProEvent Hannover) mehrere Konzerte organisiert und auf COVID-19 trainierte Hunde im Eingangsbereich zur Testung jedes*r einzelnen Konzertbesuchers*in herangezogen. Dabei hat jede*r Besucher*in eine Schweißprobe durch Abstreichen der Armbeuge mit einem Wattepad abgegeben. Diese Proben wurden dann in Gefäßen aufgereiht und von den Hunden geruchlich untersucht. Denn ein wichtiger Schritt war es, die Erkenntnisse aus dem Labor in die reale Welt zu übertragen und die Ergebnisse auf Herz und Niere zu prüfen. Siehe da: Auch im real Life waren die Hunde nicht zu übertreffen (http://dx.doi.org/10.1136/bmjgh-2022-010276).

Auch wenn die Pandemie abebbt, sind die Erkenntnisse sehr wichtig. Denn zumindest örtlich begrenzte Epidemien anderer Erkrankungen sind an der Tagesordnung. Auch ist es wahrscheinlich, dass die aktuelle Pandemie leider nicht die letzte sein wird. Erreger und Erkrankungen springen nachweislich immer häufiger zwischen der Welt der Tiere und derjenigen des Menschen hin und her (sog. „Zoonosen“), wodurch nicht nur Gesundheitsprobleme für den Menschen entstehen können. Im Sinne von „One Health“ kann der Hund hierbei einen wichtigen Unterschied machen und als schneller und sicherer Detektor eine bedeutende Rolle für die Zukunft spielen.


(Foto: Meller)

Sebastian Meller studierte Veterinärmedizin in Deutschland, Texas, Spanien und Chile und absolvierte sein Studium 2015 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo). Er promovierte daraufhin 2018 im Bereich Neurowissenschaften am pharmakologischen Institut der TiHo und ist seitdem an der Kleintierklinik der TiHo als Wissenschaftler im Bereich Neurowissenschaften und klinische Forschung tätig.

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