Jegliche Gesetzesreform und Technik bringt nichts, wenn die Organisation nicht bereit dafür ist!
Wer von euch hat bereits ChatGPT genutzt und sich gefragt, wo ich solche Large Language Model (LLM) oder auch andere KI in meinem beruflichen Alltag in der Behörde einsetzen kann? Mit Sicherheit werden da schon einige solche Gedankengänge gehabt und möglicherweise Handlungs- und Gestaltungsfelder erkannt haben. Dünner wird es bei den Gedanken daran, wie wir eine solche Technologie überhaupt in die eigene Behörde implementiert bekommen. Das wundert gar nicht, denn hierbei handelt es sich um komplexe Organisations- und Personalentwicklungsarbeit.
Ob diese Arbeit bei euch in den Behörden die nötige Aufmerksamkeit bekommt, um Adaption und Implementierung von KI zu ermöglichen, ist eher unwahrscheinlich. Zu sehr konzentriert sich die ganze Community auf die Technologie und juristische Feinheiten. Dabei sind es am Ende Menschen, die diese anwenden und bespielen müssen. Bedeutet, dass wir entsprechende Kompetenzen entwickeln und organisationale Rahmenbedingungen aufbauen müssen.
Welche das sind, fragt ihr euch? Dieser Frage läuft gerade die ganze Verwaltungsdigitalisierungs-Bubble hinterher. Gerne würde ich euch diese einfach nennen und dann die entsprechende Didaktik und Pädagogik mit euch diskutieren, aber so einfach ist das nicht. Betriebliche (Behördliche) Bildung ist ein komplexes Feld, welches in der öffentlichen Verwaltung wenig durchleuchtet ist. Aus deskriptiver Forschung wissen wir, dass Bildungsbereiche eher unzureichend mit Mitteln und Kompetenzen ausgestattet sind, um dem Qualifikationsniveau im öffentlichen Sektor gerecht zu werden. Zudem gibt es keine allgemeinen Konstituierungen von Lernen und Bildung im öffentlichen Sektor. Kein Wunder, dies würde ja bedeuten, wir könnten alle Behörden in ihrer Organisationskultur, dem Aufbau und Ablauf über einen Kamm scheren. Würden wir das machen, könnten wir behaupten, dass Lernen in Organisationen ein einfaches Feld ist. Dem ist aber leider nicht so, wie wir Betriebspädagog*innen nicht müde werden zu betonen. Jede Behörde für sich muss aufgrund des Kompetenzniveaus, des Anspruchs an die Mitarbeitenden und dem Kontext, in dem die Behörde eingebettet ist, einen eigenen Weg finden.
Eines dabei ist allerdings klar: Dorthin kommen wir nur, wenn wir Organisations- und Personalentwicklung in unseren Behörden professionalisieren. Das bedeutet Förderung von Lernstrukturen, Ausstattung von Abteilungen, Kompetenzentwicklung von Bildungsakteur*innen und ein Commitment auf die Wichtigkeit dieses Bereichs für die Entwicklung von Behörden. Diese Forderungen muten wie ein alter Hut an und genau das sind sie auch. Allerdings sollten wir nicht müde werden, genau diese Professionalisierung einzufordern. Eigentlich wissen wir alle, dass genau dies nötig ist, um die Arbeit in Behörden in allen Bereichen auf ein höheres Niveau zu heben. Warum das nicht funktioniert, darüber kann nur spekuliert werden.
Uns drängt sich am Lehrstuhl allerdings ein Gedanke auf: Personalmanagement ist ein Konzept, welches aus einem betriebswirtschaftlichen Mindset entstammt. Jegliche Beschaffungs-, Qualifizierungs-, Steuerungs- und Verwaltungskonzepte setzen auf einer Strategie auf, welche der Betrieb zunächst vorgibt. Also: „strategy first, conception second“. Aber verfolgen wir betriebswirtschaftliche Strategien, mit all ihren Hebeln, in der öffentlichen Verwaltung? Sind politische Strategien mit betriebswirtschaftlichen gleichzusetzen? Wir denken nicht. Daher ist es unabdingbar, dass wir mittels Organisationsforschung in Behörden zu Personalkonzepten gelangen, die passender für die öffentliche Verwaltung sind. Bis dahin können wir die öffentliche Verwaltung nur eindringlich darauf hinweisen, dass ihre Bemühungen im Bereich Bildung und Lernen unzureichend sind und dass auch das Interesse der Belegschaft am Lernen zu gering ist. Es existiert eine Kultur des Nichtlernens, welche uns bei der Digitalen Transformation auf die Füße fällt. Denn eine Belegschaft die nicht reif für digitale Themen ist, wird z. B. KI weder passiv noch aktiv jemals für sich nutzen können.
Dominik Modrzyński ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Betriebspädagogik an der Universität Magdeburg. Dort forscht er zu Organisations- und Personalentwicklung in der Digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung. Als Inhaber des otto|future|hub unterstützt er Behörden und Unternehmen bei der Entwicklung von Organisationen und Teams im Kontext von Agilität, New Work und Führung.