Donnerstag, 25. April 2024

Politik und Netzwerke

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Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg ist Teil der Online-Redaktion, koordiniert das E-Journal und unterstützt digitale Veranstaltungen. Auch in ihrer Freizeit ist sie gerne auf Veranstaltungen unterwegs, dann aber als Kamerafrau oder Lichttechnikerin.

Gerade auch in der Politik ist Vernetzung ein wichtiges Thema. Dabei geht es nicht nur um Kooperation und Austausch untereinander, auch Diskurs und Information der Bürger*innen sind wichtig.

Wir haben den Jugendorganisationen der verschiedenen Parteien die Frage gestellt:
Wie gestaltet ihr euer Netzwerk im 21. Jahrhundert?

Hier die Antworten, die wir erhalten haben:

Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal

Politik macht man für Menschen und Politik wird von Menschen gemacht. Vernetzung ist daher hier so wichtig, wie wahrscheinlich nirgendwo sonst. Die Pandemie war ein tiefer Einschnitt in unser übliches Verbandsleben: Die Arbeit bei den Jusos lebt eigentlich davon, dass man sich persönlich trifft. Wir diskutieren über gesellschaftliche Probleme, erarbeiten Lösungen und arbeiten an ihrer Durchsetzung. Da wir dies alle in unserer Freizeit machen, verbringen wir viele Abende und auch Wochenenden zusammen. So bilden sich schon ganz natürlich freundschaftliche Netzwerke.

Veränderung kommt nicht von allein, sondern muss erstritten werden und dafür kämpfen wir auch innerhalb der eigenen Partei für Mehrheiten für unsere Ideen. Deshalb ist es für uns so wertvoll, dass wir als Jusos zwar aus ganz unterschiedlichen Ecken des Landes kommen, aber für eine gemeinsame Idee streiten: Dass jede*r alles aus seinem Leben machen kann, unabhängig davon, wo man herkommt oder welchen Kontostand die Eltern mitbringen.

Außerdem ist die Arbeit in einer Partei sehr vielschichtig. Niemand kann alles alleine machen und vor allem nicht alles perfekt. Deswegen ist bei uns Teamarbeit essenziell. Mit diesem Vertrauen und der inhaltlichen Überzeugung können wir dann zusammen unsere Ziele vorantreiben. Dieser Rückhalt eines überzeugten Netzwerkes ist auch für mich persönlich sehr wichtig.

Soziale Netzwerke und Messengerdienste sind dabei der Kleber dieses Netzwerkes. Denn sie ermöglichen es, dass wir uns absprechen, mitbekommen, was andere Teile des Verbandes tun oder auch wie es politischen Freund*innen geht. Für mich ist und bleibt es ein Rätsel, wie man in früheren Zeiten so große Netzwerke ohne diese digitalen Möglichkeiten pflegen konnte. Die sozialen Medien sind für uns aber vor allem auch sehr wichtig, um junge Menschen mit unseren Ideen zu erreichen und sie davon zu überzeugen, dass wir gemeinsam eine gerechtere Welt erstreiten können. Denn wir wollen, dass unser Netzwerk weiterwächst. Dieser direkte ungefilterte Kontakt ist auch mir unwahrscheinlich wichtig. So können soziale Medien eine Möglichkeit sein, unsere Stimme als Jugend lauter zu machen. Daran arbeiten wir als Jusos jeden Tag.

Bundessprecher Maximilan Schulz
(Foto: Ben Gross)

Die Pandemie hat gezeigt: Digitale Medien sind schön und gut, aber das Feeling von den großen Debatten über Anträge und den kleinen Gruppen zu Arbeitsthemen können sie nicht ersetzen. Natürlich war es auch mal angenehm, während des Lockdowns gemeinsam Among Us zu spielen oder sich in Zoom-Räumen zu treffen – aber ohne Präsenz fällt es schwer, neue Kontakte zu knüpfen.

Dennoch spielen die sozialen Medien eine große Rolle. Jedes Medium hat dabei einen eigenen Zweck. Auf Instagram kann man präsentieren, aber nicht diskutieren. Dort erreichen wir zahlenmäßig die meisten Menschen, insbesondere und auch Nichtmitglieder. Mit Facebook bewegt man sich schon im Boomer-Bereich, aber Veranstaltungen lassen sich hier bestens bewerben. Losgelöst vom schnöden offiziellen Part findet die meiste Vernetzung auf Discord statt. Die interessanteste Option, die wir ausprobiert haben, war Gather.Town – das ist ein virtueller Raum mit Avataren. So konnten wir einen Tag mit verschiedenen Veranstaltungen gleichzeitig visualisieren. Wir versuchen also jedes Medium mit einer bestimmten Funktion zu versehen.

Vernetzung braucht dennoch persönlichen Kontakt und findet meist zwischen den Zeilen statt. Man findet die besten Bekanntschaften meist in den Pausen und dort, wo man es nicht gerade erwartet. Als Gremien müssen wir genau solche Räume schaffen. Uns hilft es da, auch als politischer Verband mal unpolitisch zu sein. 

Unter’m Strich bleibt es so, dass der Kontakt „in echt“ nicht ersetzbar ist: Der Tanz oder das Kaltgetränk nach dem Workshop oder wenn man sich nach einem Parteitag noch gemeinsam die Nacht um die Ohren schlägt. Für die Zeit nach der Pandemie versuchen wir zweigleisig zu fahren – wenn nicht gerade bundesweite Veranstaltungen stattfinden, können die weiten Entfernungen am besten digital überbrückt werden.

Weil die meisten unserer Strukturen ehrenamtlich agieren, brauchen wir eine gute Vernetzung, damit jede*r mithelfen kann. Nur so können wir unser Verbandsleben aktiv gestalten.

Jens Teutrine
Bundesvorsitzender
(Foto: Marvin Ruder)

Netzwerken, das ist für uns Liberale in gewisser Weise ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gilt in der Politik genau wie anderswo: Ohne ein Netzwerk an Gleichgesinnten oder Unterstützern komme ich als Einzelner häufig nicht weit. Und gerade Politik lebt ja vom Austausch, vom gemeinschaftlichen Vorankommen – groß war zum Beispiel die Freude, als wir JuLis im letzten Jahr in der FDP das Wahlrecht ab 16 durchgesetzt haben. Ohne ein großes und gut funktionierendes Netzwerk wäre das vielleicht nicht möglich gewesen.

Andererseits stehen Netzwerke immer unter dem Verdacht, dem Leistungsgedanken zuwiderzulaufen. Schnell wird aus einem Netzwerk eine Seilschaft, zählen nicht mehr Einsatzbereitschaft und Talent, sondern bloß die richtigen Kontakte. Laufen Netzwerke in die falsche Richtung, geht dies auch zu Lasten der Transparenz und der Weiterentwicklung einer Partei (oder auch einer Gesellschaft) – Strukturen verkrusten.

Trotz der Probleme, die Netzwerken anheften, ist klar: Ohne geht nicht. Und ich bin überzeugt, dass es das auch nicht muss. Netzwerken im 21. Jahrhundert kann nämlich ganz anders funktionieren als es das alte Bild. Hier war auch die Coronakrise ein Treiber – viele etablierte Formate unserer Organisation ließen sich nicht mehr durchführen. Die Antwort war das Ausweichen ins Digitale. Gerade der Kontakt mit Interessenverbänden, gesellschaftlichen Akteuren und auch vielen Mitgliedern lief bei mir fast ausschließlich digital. Das gibt die Chance, Menschen zu erreichen, zu denen ich sonst kaum Kontakt haben könnte. Dennoch hat die Pandemie ebenso gezeigt, dass persönlicher Kontakt manchmal unverzichtbar ist.

So bedeutet Netzwerken im 21. Jahrhundert für mich und für die Jungen Liberalen, den Ausgleich zu suchen zwischen neuen, digitalen Formaten und bewährtem Austausch „in person“ und weiterhin Netzwerke zu pflegen, die gemeinsames Fortkommen bei größtmöglicher Offenheit ermöglichen. 

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