Freitag, 19. April 2024

Was kann eigentlich der deutsche Nutri-Score?

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Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser
Scarlett Lüsser ist Volontärin in der Online-Redaktion und kümmert sich auch um Social Media und Podcasts. In ihrer Freizeit spielt sie gerne alle Arten von Gesellschaftsspielen.

Beim ursprünglich französischen Nährwertprofil „Nutri-Score“ handelt es sich um eine Kennzeichnung mittels Buchstaben- und Ampelfarbensystem. Von Dunkelgrün bis Rot und A bis E wird eine Gesamtwertung des Produkts angezeigt, die nach einem speziellen Algorithmus berechnet wird. Dabei gilt aber nicht, wie gesund das Produkt allgemein ist, sondern wie vorteilhaft gegenüber anderen Produkten in derselben Kategorie. Sprich, man sollte nicht Kategorie übergreifend z.B. Schokoriegel mit Pizza vergleichen, sondern nur Pizzen untereinander. Außerdem bezieht sich der Score nicht auf die ganze Portion, sondern ähnlich wie die Nährwerttabelle auf 100g, bzw. 100ml.

Wie funktioniert das Ganze? Positive Inhaltsstoffe wie Eiweiß, Ballaststoffe, Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und gute Öle wie Wallnuss- oder Olivenöl bekommen Negativpunkte, während negativ gewertete Inhaltsstoffe wie der Energie-/Kaloriengehalt, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz Positivpunkte erhalten. Diese ganzen Punkte werden dann miteinander verrechnet und ergeben am Ende einen Wert – je niedriger dieser ausfällt, umso besser ist der Score auf der Verpackung. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise ein hoher Zuckergehalt durch einen hohen Anteil an Obst ausgleichen. Dabei wird zudem zwischen zwei Kategorien unterschieden: „Feste Lebensmittel“ und „Getränke“ (wobei Milch und Milchgetränke in die feste Kategorie zählen). Eine eigene Kategorie haben außerdem Käse, sowie Fette (also auch Öle, Butter und Sahne) erhalten.

Angestoßen wurde die Einführung eines solchen Rankingsystems 2017 durch den Koalitionsvertrag der damaligen Bundesregierung und richtig eingeführt wurde er für Deutschland im November 2020. Den Ausschlag in Richtung Nutri-Score gab damals die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner, sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), welches auch heute noch für den Score zuständig ist. Auf Grund der EU-Regelung ist die Nutzung des Scores noch auf freiwilliger Basis, allerdings fordern Verbraucherschützer*innen eine verpflichtende Einführung. Denn nach Stand 2022 wird der Score nur von etwa 40% der möglichen Produkte genutzt. Und der Nutri-Score bringt erst wirklich was, wenn man auch alle ähnlichen Produkte miteinander vergleichen kann. Da der Score auch in anderen EU-Ländern verwendet wird, gibt es seit 2021 außerdem Bemühungen, den Score für jedes Land einheitlich zu machen, damit er auch Länder übergreifend vergleichbar ist.

Was muss ein Hersteller tun, um an dem Score teilzunehmen?

Zunächst muss er sich dafür bei der französischen Gesundheitsbehörde “Santé publique France” anmelden, denn hier liegen die Markenrechte für den Nutri-Score. Hat sich der Hersteller dann dafür eingetragen, muss er den Score auch konsequent für die Marken einsetzen, die er damit kennzeichnen möchte. Das heißt, er kann sich zwar entscheiden, bestimmte Marken aus der eigenen Produktpallette außen vor zu lassen, aber bei den Marken, für die er sich entschieden hat, müssen alle Produkte gekennzeichnet werden, auch wenn sie schlecht abschneiden. Dabei ist der Hersteller selbst für die Berechnung und das Label zuständig. Und während diese Angaben in Frankreich noch durch die Gesundheitsbehörde kontrolliert werden, ist das in Deutschland nicht der Fall. An einer ähnlichen Prüfinstanz arbeitet allerdings das BMEL.

Was bringt der Score?

Nun gibt es den Score bereits seit über zwei Jahren, also was kann man über dessen Wirkung und Probleme sagen? Der allgemeine Konsens von Expert*innen ist, dass der Score noch einiges an Verbesserungsbedarf hat und auch eine flächendeckende Kampagne zum richtigen Verwenden nicht schaden würde. Es ist nämlich zu bezweifeln, ob der Score auch von allen Verbraucher*innen richtig genutzt wird. Häufig wird Grün als grundsätzlich unbedenklich wahrgenommen, während rot als Stopp-Signal gilt. Das aber ein Produkt nicht automatisch gesund ist, nur weil es ein A oder B hat, vergessen dabei einige. Außerdem gilt auch hier: Die Menge macht das Gift – und gesunde Grundpfeiler wie Obst und Gemüse sind gar nicht gekennzeichnet und werden deshalb auch gerne mal vergessen. Wie Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg gegenüber n-tv sagt: “Der Nutri-Score nimmt den Verbrauchern nicht die Verantwortung ab, grundsätzliche Ernährungsempfehlungen zu kennen.”

Ein weiteres Problem ist die Wertung der einzelnen Kategorien, denn dadurch, dass zwischen den einzelnen Punktabstufungen relativ viel Spielraum liegt, können Hersteller ihre Produkte durch geringe Anpassungen von Inhaltsstoffen und Mengen in ein besseres Ranking einordnen. Aus diesem Grund fordern einige Expert*innen auch eine schärfe Bewertung von Zucker. Allgemein sind die berücksichtigten Stoffe ein Problem. Zwar werden wichtige Inhaltsstoffe berücksichtig, dafür aber andere aussagekräftige Kategorien außen vorgelassen. Aromen und Zusatzstoffe wie Süßungsmittel zum Beispiel, oder auf der anderen Seite Vitamine und Mineralstoffe. Zwar wird der Gehalt von beispielsweise Obst berücksichtigt, aber die darin enthaltenen Vitamine können durch das Verarbeitungsverfahren auch stark reduziert werden. Und dass eine Cola Light beispielsweise besser abschneidet, als ein Apfelsaft kann sehr irreführend sein. Denn nur, weil es weniger Zucker enthält, macht es das Produkt dadurch nicht unbedingt vorteilhafter.

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