Du kennst das sicherlich auch: nach dem Lernen kommt das Üben. Auch an der Hochschule Harz nutzt man hierfür digitale Möglichkeiten, wenn es das Lernen verbessert: Bei digitalen Fragebögen statt Stift und Papier erfährst du deine Punktzahl direkt und musst nicht warten, bis ich alles durchgesehen habe. Aber mal ehrlich: auch digital bleiben Fragebögen langweilig. Nachteilig war für mich als Lehrkraft, dass die Lernenden beim Beantworten auch mal raten oder so zügig sind, dass kaum etwas hängen bleibt. Das war der Ansporn für das Projekt zum digitalen Lernen in virtuellen Realitäten (DigiLehR).
Digitales Lernen in virtuellen Realitäten
VR erzeugt eine künstliche Welt, in der du dich frei bewegen, umsehen und handeln kannst. Im Computerspiel bückt sich die Spielfigur durch Tastendruck. In VR bückst du dich selbst, siehst unter den Tisch und vergisst dabei fast, dass du Teil einer Simulation bist.
In DigiLehR verbinden wir klassische digitale Fragebögen mit virtuellen Welten: Die Frage „Was muss ich bei Feuer machen?“ wird zu der Situation, in der du im virtuellen Wohnzimmer Feuer entdeckst. Statt ein Kreuz bei „Fenster schließen“ zu machen, schließt du das Fenster – und die Antwort wird im Fragebogen vermerkt. Statt Antwortmöglichkeiten im Fragebogen durchzugehen, kommt es jetzt darauf an, richtig zu handeln!
Wie machen wir das?
Wir haben das Fragebogensystem ILIAS mit der 3D-Entwicklungsumgebung Unity gekoppelt und drei sehr verschiedene Übungen aus unserer Lehre in VR umgesetzt. Wichtig war uns, dass die Aktionen in der VR-Welt den Antworten im Fragenbogen entsprechen. VR soll als Ergänzung der Fragebögen dienen, um auf vorhandenem Lehrmaterial aufbauen zu können.
Die Szenarien sind die Inbetriebnahme einer Industrieanlage, das Lösen von Rechtsfragen beim Anwalt und das Filmen eines Interviews mit professionellem Equipment. Warum? Die erste Szene erfordert, dass die Lernenden die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge beherrschen und merken, wenn bei der Anlage ein Fehler vorliegt. Die weiteren Szenen werden zunehmend kreativer, ermöglichen mehr Antwortmöglichkeiten und stellen mehr das Zusammenspiel von Mensch und virtuellem Gegenspieler in den Mittelpunkt.
Was hat es gebracht?
Es war zu erwarten, dass VR besser angenommen wird als der einfache Fragebogen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass es die Erstellung der VR-Szenarien deutlich erleichtert, wenn man sich an Fragebögen orientiert. Multiple-Choice Fragen geben vor, dass es eine Aufgabe gibt zu der es bestimmte richtige und falsche Aktionen gibt. Für die Fragearten haben wir Werkzeuge umgesetzt, um diese einfach in VR abzubilden. Bei der Industrieanlage werden die vielen Knöpfe mit den richtigen und falschen Antworten verknüpft, um zu beantworten, wie man die Anlage startet. Im Gegensatz zum Fragebogen kann man in VR nun zusätzlich sehen, was passiert, wenn man die falschen Knöpfe drückt.
Eine andere Überraschung ist, dass in Gruppen VR gemeinsam verwendet wird, in dem eine*r in der VR tätig ist und andere zusehen und Hinweise geben, es dann aber auch selber versuchen wollen, so dass ein viel intensiverer Austausch zu den Lerninhalten erfolgt.
Wie geht es weiter?
Momentan verfassen wir einen Leitfaden für Lehrende mit Hinweisen für die Erstellung von VR-Lernszenarien. Wir entwickeln Wege, um den Erstellungsaufwand weiter zu reduzieren und wollen hier zunehmend künstliche Intelligenz (KI) einbeziehen. Zudem untersuchen wir, ob KI-Assistenz die Lernenden gezielt mit Hinweisen unterstützen kann.

Simon Adler ist Professor für Industrial Mixed Reality und Koordinator des Studiengangs Informatik an der Hochschule Harz. Er forscht und entwickelt mit seinem Team VR-Assistenz Lösungen im Betrieb technischer Anlagen sowie als Trainings- und Lernsysteme.