Samstag, 20. April 2024

Pandemie und dann?

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Durch die COVID-19-Pandemie wurde Homeoffice beinahe über Nacht zum Alltag für viele
Beschäftigte im öffentlichen Dienst, um das Ansteckungsrisiko am Arbeitsplatz zu reduzieren. Während in vielen Privatwirtschaftlichen Unternehmen Homeoffice schon lange gelebte Praxis ist, tat sich der öffentliche Dienst bisher eher schwer. In vielen Behörden wurde das Homeoffice eher als gönnerhaftes Entgegenkommen des Arbeitgebers gesehen. Jedoch hat das letzte Jahr gezeigt, dass entgegen aller Bedenken vieler Führungskräfte, der öffentliche Dienst auch im Homeoffice gut funktioniert. Viele Arbeitsbereiche sind gezwungenermaßen ins Homeoffice verlagert worden. Es konnte die Erkenntnis gewonnen werden, dass die Beschäftigten ihre Arbeit auch von Zuhause sehr gewissenhaft erledigten.

Aktuell wächst die Hoffnung, dass die Pandemie bald bezwungen ist und der Alltag wieder in das Leben Einzug erhält. Deswegen stellt sich bei vielen Beschäftigten die Frage, wie es mit der Arbeit weiter geht. Ist Homeoffice nun „the way to go“? Diese Frage beschäftigt auch den vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte. Deswegen fanden im Jahr 2021 bereits zwei Veranstaltungen statt, die sich mit dem Thema beschäftigten. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich das Schicken ins Homeoffice, im Regelfall nur darauf bezog, dass die Beschäftigten einen Laptop bekommen haben und das war es dann. Die Frage nach dem Arbeitsschutz spielte keine Rolle. Auch die privaten Rahmenbedingungen wurden nur im seltensten Fall betrachtet.

Aus Sicht der vbob Jugend, müssen Arbeitsschutz und Homeoffice Hand in Hand gehen. Die Begrifflichkeit Homeoffice wird bei vielen Arbeitgebern komplett unterschiedlich benutzt. In diesem Zusammenhang wird das Wort Telearbeit und auch mobile Arbeit regelmäßig verwendet. Manchmal als Synonym für Homeoffice und manchmal für etwas komplett Eigenes. Egal was genau verwendet wird, es muss so früh wie möglich ein geregelter Rahmen geschaffen werden, der nachhaltig auch im „Normalbetrieb“ eine vernünftige Balance zwischen Flexibilität und Schutz beim Arbeiten von zuhause oder unterwegs bietet.

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) findet bei Telearbeit und mobilem Arbeiten uneingeschränkt Anwendung. § 1 ArbSchG legt den Anwendungsbereich des Gesetzes dahingehend fest, dass es in allen Tätigkeitsbereichen gilt. Damit bestehen gemäß §§ 3, 4 ArbSchG in Verbindung mit der allgemeinen Pflicht zur gefahrfreien Gestaltung des Arbeitsplatzes nach § 618 BGB für Arbeitgeber im Hinblick auf Telearbeit, als auch im Rahmen von mobilem Arbeiten, Schutzpflichten gegenüber den Beschäftigten.

Einen Unterschied gibt es bei der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Diese gilt für Telearbeit, insbesondere bei Bildschirmarbeitsplätzen. Dabei steht die Einrichtung und Ausstattung des Bildschirmarbeitsplatzes mit Mobiliar, sonstigen Arbeitsmitteln und Kommunikationsgeräten im Vordergrund. Mobiles Arbeiten hingegen unterliegt nicht den Regelungen der Arbeitsstättenverordnung.

Deswegen sollten sich die Personalvertretungen und auch die Gewerkschaften ganz klar fragen, ob wir in den Dienststellen wirklich mobiles Arbeiten machen oder ob es nicht ganz klar Homeoffice bzw. Telearbeit ist. Dann hätte der Beschäftigte zumindest auch ein Anrecht auf einen vernünftig ausgestatteten Arbeitsplatz bei sich zuhause.

Doch selbst wenn diese ganzen Bedingungen erfüllt sind, sollte Homeoffice immer nur ein Angebot sein und niemals Pflicht.

Die Beschäftigten müssen weiterhin einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz in der Dienststelle haben und dürfen nicht zum Arbeiten von zuhause gezwungen werden. Es gibt viele Gründe, weswegen die Beschäftigten lieber in einem Dienstgebäude arbeiten. Bestrebungen wie in der Privatwirtschaft, bei denen ganze Standorte „virtualisiert“ werden, um Raumkosten einzusparen, müssen im Öffentlichen Dienst ausgeschlossen sein. Auch dürfen für die Beschäftigten durch das Arbeiten im Homeoffice dienstlich weder Vorteile noch Nachteile entstehen. Dies betrifft insbesondere Beurteilungen, Entwicklungsperspektiven und leistungsorientierte Entlohnungselemente.

(Foto: pixabay.com)

Um vollwertig im Homeoffice arbeiten zu können, ist eine entsprechende technische Ausstattung erforderlich. Wenn keine Doppelausstattung im Büro und am Telearbeitsplatz erfolgt, eignen sich z. B. Laptops/TabletPCs mit Docking-Station, sodass nur ein Gerät beim Ortswechsel transportiert werden muss. Von der Nutzung eigener Geräte der Beschäftigten sollte abgesehen werden. Eine Ausnahme können hier sog. SecureBootsticks bilden.

Die telefonische Erreichbarkeit sollte unbedingt über eine Rufumleitung gewährleistet sein. Für abgehende Anrufe sollte technisch gewährleistet werden, dass die dienstliche Nummer angezeigt wird, da sonst die private Rufnummer z. B. bei Externen bekannt wird.

Einen wichtigen Beitrag zum vollwertigen Arbeiten im Homeoffice stellt die elektronische Aktenführung dar, die dringend vorangetrieben werden muss. Darüber hinaus sind jedoch auch digitale Kollaborationstools wie gemeinsame Arbeitsräume und Kommunikationssoftware (z. B. Telefon- und Videokonferenztools) notwendig. Ebenso müssen bei verstärktem Homeoffice auch die Arbeitsprozesse (z. B. Mitzeichnungen) in digitaler Form abgebildet werden. Es sollte den Beschäftigten klar kommuniziert werden, welche Technik wie genutzt werden darf. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Anzahl der verschiedenen Techniken und Softwareprodukten nicht zu groß wird, da die Nutzung dieser sonst zeitlich sehr aufwendig wird und die Quantität der eigentlichen Arbeit beeinflussen kann. Ebenfalls sollten diese Techniken und Softwareprodukte leicht zu bedienen sein und im Zweifelsfall geschult werden, bevor diese produktiv zum Einsatz kommen.

Auch beim Homeoffice muss die Arbeitszeit klar geregelt werden. Dies umfasst Beginn und Ende der Arbeitszeit (Gleitzeit, Kernzeit) sowie Pausen und Ruhezeiten. Erreichbarkeiten sollten ebenso geregelt werden wie ein Recht auf Nichterreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten. Der Umgang mit Überstunden im Homeoffice ist ebenfalls zu klären. All dies sollte direkt in einer Dienstvereinbarung geregelt werden und ggf. nur in geringen Teilen der Führungskraft für ihren Arbeitsbereich überlassen werden. Seit einigen Jahren heißt es schon immer, dass bei den Regelungen darauf geachtet werden soll, dass einer Entgrenzung bzw. einem Verschwimmen zwischen Arbeitszeit und Freizeit entgegenzuwirken ist. Sonst besteht die Gefahr von Selbstausbeutung, ständiger Erreichbarkeit, Überlastung und Überforderung. Hierbei gibt es jedoch auch noch andere Meinungen. In der Führungslehre gibt es das Management by Objectives. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter*innen oder Teams über das Erreichen von vorher festgelegten Zielen geführt werden. Diese Führungstechnik ist nicht neu aber entspricht den Bedürfnissen der modernen Arbeitnehmer nach mehr Mitbestimmung und Gestaltungsspielraum. Im Rahmen der immer agiler werdenden Arbeitswelt, wird das Führen über kurzfriste Ziele immer wichtiger werden. Gemeinsam haben auf jeden Fall beide, dass sie Zeitunabhängig sind, da es nur darum geht die Ziele zu erreichen. Warum sollten diese Ziele in Gefahr sein, wenn zeitgleich das Kind gefüttert wird und dabei einer Telefonkonferenz beigewohnt wird? Kann es gerade bei kreativen Prozessen schädlich sein, wenn nebenbei die Wäsche aufgehangen wird? Deswegen vertreten wir eher die Meinung, dass die Arbeitszeit klar geregelt sein muss, damit die Menge der Zeit erfasst wird. Nur so kann die Kontrolle darüber bewahrt werden, dass genug Arbeitszeit als auch Freizeit gewährleistet ist. Jedoch was in der Arbeitszeit gemacht wird, sollte nicht im Detail geregelt werden. Wenn es der Zielerreichung nicht schadet, soll den Beschäftigten überlassen werden, wie sie dieses Ziel erreichen. Hier wäre dann ein Umdenken einiger Führungskräfte aber auch Beschäftigten notwendig, welches nicht kurzfristig passieren kann.

Die letzten Veranstaltungen des vbob haben gezeigt, dass die Beschäftigten noch der Meinung sind, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beschäftigten und den Arbeitgebern möglich ist. Deswegen sollten die Personalvertretungen und Gewerkschaften ihren Fokus darauf lenken, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Das bedeutet klare Regelungen zur Ausstattung des Arbeitsplatzes, Digitalisierung von noch weitgehend analogen Verfahren und natürlich die Anwendung des Arbeitsschutzes. Wenn dann noch das Umdenken klappt, dass Führung nichts mit Anwesenheit zu tun hat, glauben wir, dass sich ein zukunftsfähiges Arbeitsumfeld im Öffentlichen Dienst etablieren wird. Wir glauben, dass es Beschäftigte gibt, die zu 100% von Zuhause arbeiten wollen genauso wie es Beschäftigte geben wird, die zu 100% in der Dienststelle arbeiten wollen. Der Großteil der Kolleg*innen wird sich jedoch in der Mittel ansiedeln und ein Mischmodel finden, was zu den jeweiligen Bedingungen passt.

Thomas de Greeff ist Personalratsvorsitzender im Bundesverwaltungsamt in Köln und Mitglied des Bundesvorstandes vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte. Bereits seit 2014 setzt er sich in beiden Rollen für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ein.

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