Freitag, 29. März 2024

Das Scheitern in Afghanistan

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Dorothee Frank
Dorothee Frank
Dorothee Frank ist Redakteurin für Wehrtechnik und Sicherheitspolitik. Privat engagiert sie sich für Tier- und Naturschutz und verbringt viel Zeit mit ihrem Pferd, einem Noriker namens Schröder, den sie von Fohlen an hat.

Am 31. August verließen die letzten U.S. Soldat*innen den Flughafen in Kabul. Deutschland hatte bereits vergangenen Freitag die Evakuierungsmission beenden müssen. Das, was in der Bundeswehr aktuell herrscht, als Katerstimmung zu bezeichnen, wäre eine grobe Untertreibung. Die Enttäuschung sitzt zu tief bei jenen, die am Hindukusch auf Wunsch der Politik die Sicherheitsinteressen Deutschlands verteidigten. Fast 20 Jahre dauerte der Einsatz, wodurch jede*r aktive Soldat*in den Großteil ihrer/seiner Dienstzeit mit Afghanistan erlebte. 59 deutsche Soldaten wurden während des Einsatzes getötet, sehr viel mehr verwundet. Erst Afghanistan brachte den Umgang mit Einsatzversehrten in den Fokus und führte zu erweiterten Angeboten, um etwa traumatisierten Soldat*innen wieder ein normales Leben zu ermöglichen.

Mit hehren Zielen ging die Koalition seinerzeit in den Einsatz. Der “Comprehensive Approach” sollte zum Muster werden, wie Staaten aus der Steinzeit mit ihrem Recht des Stärksten in einen humanistischen, demokratischen Rechtsstaat zu überführen seien. Die Bundeswehr, das Militär, sollte nur die Grundbedingungen schaffen, damit Polizist*innen, Richter*innen, und Entwicklungshelfer*innen ihre Arbeit leisten konnten. Und genau an dieser zivilen Komponente scheiterte der Einsatz. Schon vor Jahren. Kein einziges Land erfüllte die zugesagten Pflichten. Deutschland schickte nicht genug Polizist*innen für die Ausbildung und Unterstützung, Italien nicht genug Richter*innen, Großbritannien nicht genug Polizeieinheiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Die Liste könnte endlos weitergehen.

Aktuell wird dem damaligen Präsidenten Donald Trump angelastet, er habe mit dem Vertrag von Doha, einem Abzugsabkommen mit den Taliban im Februar 2020, den Afghanistan-Einsatz zum Scheitern gebracht. So wenig Trump sympathisch sein mag, er sorgte mit dem Doha-Abkommen kaum für das ungewollte Ende. Mit dem Scheitern des Comprehensive Approach war ein Erfolg bereits wenige Jahre nach dem Beginn des Einsatzes verwirkt. Dass die militärische Mission dennoch weiterging, kaschierte höchstens das Offensichtliche des Misserfolgs. Trump zog die Reißleine in einer sich verschlechternden Situation, die immer mehr amerikanische Soldat*innen das Leben kostete. Das Scheitern war nicht militärisch, aber es war bereits zehn Jahre vor dem Ende absehbar. Wie viele öffentlich zugängliche Artikel aus der Zeit um 2010 belegen.

Die Bundeswehr – und auch alle anderen eingesetzten Streitkräfte – haben die an sie gestellten Aufgaben in Afghanistan erfolgreich erfüllt. Zuletzt bei der bravourösen Evakuierungsmission. Auch hier mussten die Streitkräfte wieder Fehler der zivilen Seite ausgleichen, die ihre Leute und Helfer*innen nicht rechtzeitig herausgeholt hatten. Die Bundeswehr war schließlich bereits geordnet und problemlos abgezogen, alles andere lag in der Hoheit des Auswärtigen Amtes. Und der des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das mindestens als Auftraggeber für die humanitäre Hilfe und deren Mitarbeiter*innen im Land verantwortlich ist. Das Abzugsdatum stand schließlich seit Februar 2020 fest. Zeit genug um zu regeln, wie alle gefährdeten Helfer*innen das Land verlassen können. Stattdessen mussten Soldat*innen ihr Leben riskieren, um in kurzer Zeit unter schwierigsten Umständen zu handeln. 13 amerikanische Soldaten überlebten dies nicht, wahrscheinlich weil sie ein Gate für britische zu Evakuierende freihalten wollten.

Über die Luftbrücke haben die amerikanischen und ihre verbündeten Streitkräfte über 122.000 Zivilist*innen aus Afghanistan evakuiert. Eine enorme militärische Leistung, wie der gesamte Afghanistan-Einsatz. So bleibt zum Schluss das Dilemma, dass die Bundeswehr sehr erfolgreich war – und am Ende doch alles vergebens ist.

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