Freitag, 29. März 2024

Umgeben von Hitze und Rauch

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Deutsche Feuerwehren im Waldbrandeinsatz in Griechenland

Sieben Tage lang waren Feuerwehrfrauen und –männer aus Nordrhein-Westfalen auf der griechischen Halbinsel Peloponnes im Einsatz und unterstützten die dortige Feuerwehr beim Kampf gegen die verheerenden Waldbrände. Ebenfalls mit dabei: Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes sowie der gemeinnützigen Hilfsorganisation @fire. Die im EU-Katastrophenschutzmechanismus als GFFF-V Modul (Ground Forrest Fire Fighting using Vehicles, dt.: Einheit zur bodengebundenen Bekämpfung von Vegetationsbränden mit Tanklöschfahrzeugen) registrierte Einheit arbeitete dabei Schulter an Schulter mit Brandbekämpfer*innen aus Frankreich, Tschechien und Großbritannien. Auch ein weiteres deutsches Kontingent aus Hessen sowie ein österreichisches Team waren in der Region Tropea im internationalen Einsatz.

Der Einsatz

Es vergingen keine 36 Stunden bis das Waldbrandmodul der Feuerwehren Bonn, Königswinter und Leverkusen nach dem Hilfeersuchen aus Griechenland am frühen Morgen des 15. Augusts 2021 ausrückte. Gerade genug Zeit für die haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräfte, berufliche und familiäre Dinge zu klären und die Ausrüstung einzupacken. Drei Tage dauerte die Anfahrt für die 55 Feuerwehrleute mit 17 Einsatzfahrzeugen über Land und mit der Fähre über Österreich und Italien bis ins Einsatzgebiet auf der Halbinsel Peloponnes. Vorab reisten zwei Führungskräfte der Bonner Berufsfeuerwehr mit dem Flugzeug nach Athen. Sie stellten den Kontakt mit der griechischen Katastrophenschutzbehörde her, stimmten sich mit der ebenfalls in Athen befindlichen Verbindungsbeamtin zur EU-Katastrophenschutzzentrale in Brüssel (Emergency Response Coordination Centre (ERCC) des EU-Katatstrophenschutzmechanismus) über den Einsatz ab und erhielten Informationen von der deutschen Botschaft. Auch die erste Erkundung im zugeteilten Einsatzgebiet in der Region Tropea und das Finden eines geeigneten Platzes für das Camp der Waldbrandbrandeinheit standen auf der Todo-Liste des Vorauskommandos.

Für einen Teil der Anreise nutzten die Einsatzkräfte die Fährverbindung zwischen Ancona (Italien) und Patras (Griechenland). (Foto: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Je weiter man sich dem Einsatzgebiet näherte, umso deutlicher wurde das Ausmaß der verheerenden Brandkatastrophe sichtbar. Eine dichte Rauchwolke lag über der Region, die Straßen führten durch vom Brand schwarz gezeichnete Landschaften, abgebrannte Bäume kokelten leise vor sich hin. Wie dynamisch sich die Situation entwickeln konnte, erfuhr das Einsatzteam immer um die Mittagszeit: Die über den Vormittag auf mehr als 40 Grad Celsius angestiegene Temperatur, kaum Luftfeuchte und stark auffrischende Winde führten dazu, dass Glutnester wieder aufflammten und die Flammen sich rasant in bisher unverbrannte Bereiche ausbreiteten. Mit Löschleitungen von den Löschfahrzeugen aus und mit „Handcrews“, die mit den verschiedensten Werkzeugen und Löschrücksäcken ausgerüstet auch unwegsameres Terrain erreichen konnten, gelang es Häuser zu schützen, Brandausbreitungen zu verhindern und Glutnester abzulöschen. Auch die Bereitstellung von Löschwasser und Erkundungsflüge mit der Einsatzdrohne zählten zu den Aufgaben. Zeitgleich flogen über den Köpfen der Einsatzkräfte Löschflugzeuge und Löschhubschrauber hinweg, um am Rande der Flammenfronten das zuvor aufgetankte Löschwasser abzuwerfen. Stets an der Seite des NRW-Einsatzteams: Drei griechisches Feuerwehrleute, die die Schnittstelle zu den lokalen Feuerwehrkräften darstellten – insbesondere zur örtlichen Einsatzleitung, unter deren Weisung der Einsatz aller europäischen Einheiten erfolgte.

Im Basiscamp, welches das Waldbrandteam am Fuße eines Stausees rund 20 Fahrminuten vom Einsatzgebiet errichtet hatte, war alles dafür vorbereitet, um auch den Anforderungen an Einsatzstellenhygiene, Verpflegung, Wartung der Einsatzfahrzeuge und Geräte gerecht zu werden und um sich in den Einsatzpausen ausruhen zu können. Auch das ist eine Anforderung an das GFFF-V-Modul: die Autarkie der Einheit während des gesamten Einsatzes. So ist der Einsatz auch in den Bereichen und unter den Umständen möglich, wenn die örtlichen Einsatzkräfte selbst alle Hände voll zu tun haben oder falls durch das Ereignis keine Infrastruktur mehr vorhanden wäre.

Nach sechs operativen Tagen war der Einsatz für die europäischen Einheiten beendet und es ging wieder in Richtung Heimat, die die Einsatzkräfte am abends am 18. August 2021 wohlbehalten erreichten.

Das Waldbrandmodul – Eine Spezialeinheit (nicht nur) im Europäischen Katatstropenschutzverfahren

Gruppenfoto des Waldbrandmoduls NRW (Foto: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Das NRW-Waldbrandmodul zur bodengebundenen Brandbekämpfung mit Einsatzfahrzeugen besteht seit 2019. Die Kooperation der Feuerwehren Bonn, Leverkusen und Königswinter ermöglicht es dabei, dass zum einen vorhandene Ressourcen sinnvoll gebündelt und zum Einsatz gebracht werden können. Auf der anderen Seite ist damit auch sichergestellt, dass in jeder Gebietskörperschaft der Grundschutz – also die Vorhaltung für die Alltagseinsätze – weiterhin sichergestellt ist. Die erforderlichen Ausbildungen und Übungen erfolgen dabei an den jeweiligen Standorten. Die Zusammenarbeit im Team wird mehrmals jährlich in gemeinsamen Trainings geübt. Gemeldet ist die Einheit als Einsatzmodul des Katastrophenschutzverfahrens der EU.

Europäischer Katastrophenschutzmechanismus – Was ist das?

Seit 2001 gibt es das EU-Katastrophenschutzverfahren, bei dem die EU-Mitgliedstaaten sowie weitere Teilnehmerstaaten ihre Katastrophenschutzressourcen und –fähigkeiten gebündelt bereitstellen. Dank gemeinsamer Standards und Vorgehensweisen ist es möglich, im Katastrophenfall zielführend und koordiniert zusammen zu arbeiten. Zudem trägt die Europäische Kommission einen großen Anteil der Transport- und Durchführungskosten bei Einsätzen.

Wie funktioniert die EU-Katastrophenhilfe?

Jedes Land der Welt, aber auch die UN und internationale Organisationen können das EU-Katastrophenschutzverfahren um Hilfe bitten. Gesteuert über das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (ERCC) in Brüssel kommen die spezialisierten Teams oder Spezialausrüstungen in den Einsatz. Für Deutschland übernimmt das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) als nationales Fachlagezentrum den Austausch mit dem ERCC. Außerdem bietet das GMLZ für die deutschen Katastrophenschutzeinheiten Unterstützung bei der Ressourcenplanung, bei der Vermittlung von Ansprechpartnern und bei Logistikthemen.

Eine europäische Reserve zusätzlicher Kapazitäten („rescEU-Reserve“) mit zum Beispiel Löschhubschraubern und – flugzeugen oder medizinischer Ausrüstung samt Einsatzteam sowie der Europäische Katastrophenschutzpool (ECPP) ermöglichen zudem eine schnelle und zuverlässige Reaktion der EU im Katastrophenfall.

Wie erfolgt die Ausbildung?

Das Schulungsprogramm für die Experten und Einsatzteams des EU-Katastrophenschutzes ist europaweit abgestimmt und zentral koordiniert. Dadurch werden die Kompatibilität und Austauschbarkeit der Einsatzteams und die Festigung von spezifischem Fachwissen der Experten gewährleistet. Das Trainingsportfolio reicht dabei von speziellen Fachkursen bis hin zu groß angelegten Vollübungen mit einer Vielzahl von Einsatzteams.

Links zum Katastrophenschutzverfahren der EU:

Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BKK)

Europäischen Kommission

Infos zum Verfahren im Factsheet

Die Führungskräfte des Einsatzmoduls haben daher auch eine Ausbildung im EU-Katatstrophenschutzverfahren durchlaufen. Über ein europäisches Trainingsprogramm werden die Expert*innen dabei auf die Auslandseinsätze und die Besonderheiten des Tätigwerdens in einem internationalen Einsatz vorbereitet.

Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz

Als eine von zwei deutschen Waldbrandeinheiten haben die Einsatzkräfte aus dem Rheinland dazu beigetragen, dass die Brände zumindest auf der Peloponnes unter Kontrolle gebracht werden konnten. Die Erfahrungen aus dem ersten Einsatz in Griechenland werden bei der Betrachtung der Ausstattung des Einsatzmoduls berücksichtigt werden und mit in die Aus- und Fortbildung der Einsatzkräfte einfließen. Denn eines ist gewiss: Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz – egal ob in Deutschland oder in einem internationalen Umfeld.


Martin Haselbauer ist Feuerwehrbeamter im gehobenen Dienst bei Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn. Beim Waldbrandeinsatz in Griechenland war er als Liaison Officer eingesetzt. In dieser Funktion war er unter anderem mit dem Austausch mit den griechischen Behörden und der deutschen Botschaft verantwortlich. Auch die Abstimmung mit der Verbindungsperson zur Europäischen Katastrophenschutzzentrale ERCC und das Reporting zählten zu seinen Aufgaben. Im Dienstalltag leitet Martin die Werkfeuerwehr des Universitätsklinikum Bonn, deren Aufgaben die Berufsfeuerwehr Bonn auf Basis eines Kooperationsvertrages für das Klinikum übernimmt.

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