Donnerstag, 25. April 2024

EU-Taxomomie und Sustainable Finance

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Lora Köstler
Lora Köstler
Lora Köstler-Messaoudi ist Redakteurin für Öffentliche Finanzen und Haushalt beim Behörden Spiegel. Privat ist sie lieber mit dem Fahrrad als mit dem Auto unterwegs und eine Freundin der vegetarischen Küche.

Was kommt aus Brüssel auf die öffentlichen Unternehmen zu?

Werbeversprechen, allerlei Gütesiegel und mangelhafte Transparenz – oft hat man es immer noch schwer, unter den vielen Produkten die wirklich nachhaltigen zu erkennen. Und bei Unternehmen ist es nicht anders. Wann verdient eine wirtschaftliche Aktivität das Etikett “nachhaltig”? Um Anlegern diese Frage zu erleichtern, hat die EU-Kommission ein einheitliches Klassifikationssystem, die EU-Taxonomie, beschlossen. Mit ihr sollen Kapitalströme in nachhaltige Investitionen gelenkt werden. Damit einhergehend wurde auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung der öffentlichen Unternehmen deutlich ausgeweitet.

Europa will bis 2050 klimaneutral werden. Einen Hebel für eine nachhaltigere Wirtschaft sieht die EU darin, die Kapitalflüsse neu auszurichten. Gelder sollen in Bereiche gelenkt werden, die den Klima- und Umweltschutz messbar voranbringen.

Daher hat die EU im Juni 2020 ein einheitliches Klassifikationssystem, die EU-Taxonomie, beschlossen. Mit ihr sollen erstmals europaweit verbindliche Regeln darüber geschaffen werden, welche Tätigkeiten und Branchen künftig als ökologisch nachhaltig gelten und welche nicht.

In diesem Zusammenhang plant die EU auch die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit der CSRD, der Corporate Sustainability Reporting Directive, werden deutlich mehr Unternehmen zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, auch öffentliche Unternehmen. Die neue Corporate Sustainability Reporting Directive betrifft nun bereits kleinere kapitalmarktorientierte Unternehmen ab zehn Mitarbeiter*innen.

Nach aktuellen Schätzungen unterliegen künftig zirka 15.000 Unternehmen in Deutschland, darunter ca. 3.000 öffentliche Unternehmen, der neuen Richtlinie. Und auch inhaltlich werden die Anforderungen an den Nachhaltigkeitsbericht deutlich umfangreicher und anspruchsvoller. Die Regelungen sollen nach dem bisherigen Zeitplan ab 2024 für das Geschäftsjahr 2023 gelten. Der Zeitplan scheint sich allerdings nach hinten zu verschieben.

Skepsis gegenüber Berichtspflichten

In den öffentlichen Unternehmen gibt es aber bereits jetzt gemischte Gefühle gegenüber dieser Thematik, denn die Umsetzung der Anforderungen wird eine große Herausforderung. Sie erfordert Wissensaufbau, Prozessanpassungen, Personal und Zeit. Insbesondere kleine öffentliche Unternehmen blicken mit Sorge auf die erhöhten Berichtspflichten. Während große Unternehmen, wie beispielsweise die Stromversorger eine kritische Größe haben, um solche Berichte zu erstellen, hätten Kleinere hier nicht die notwendigen Kapazitäten. Man habe jetzt schon eine Vielzahl von Berichten, die erstellt werden müssten.

Sebastian Hoffmann, Referent für Nachhaltige Unternehmensführung der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, sieht das ähnlich: “Es ist tatsächlich eine große Herausforderung die Berichtspflichten alle umzusetzen. Es ist meiner Meinung nach naiv zu denken, dass das ohne zusätzliche Ressourcen funktioniert”, so Hoffmann.

Kritisch sollte auch diskutiert werden, ob die aktuell geplanten Berichtsanforderungen vor allem für kleinere öffentliche Unternehmen nicht zu stark seien. Denn in Hamburg würden auch das Thalia-Theater und soziale Unternehmen, wie die Elbkinder-Kitas, unter die Berichtspflicht fallen.

Bessere Finanzierungkonditionen

Neben den zusätzlichen Berichtspflichten eröffnen sich für öffentliche Unternehmen aber auch Chancen durch die EU-Taxonomie, meint Thimo Worthmann, Experte für Sustainable Finance bei Deloitte: “Das Thema Marktpositionierung und Brandung ist nicht zu unterschätzen. Aus meiner Sicht ist das eine große Chance für öffentliche Unternehmen, weil naturgemäß vieles was im öffentlichen Bereich gemacht wird in irgendeiner Form einem nachhaltigen oder sozialen Zweck dient. Ganz anders als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen in der Privatwirtschaft.” So habe beispielweise die Stahl- oder Zementindustrie es hier deutlich schwerer, sich ein positives Branding zu verleihen.

Zudem würden sich auch die Finanzierungskonditionen für öffentliche Unternehmen deutlich verbessern, je mehr diese sich nachhaltig positionieren können. Der Kern bei öffentlichen Investitionen sei bisher immer das niedrige Ausfallrisiko gewesen. Wenn diese eindimensionale Perspektive durch die Nachhaltigkeit erweitert werde, dann könne dies die Wertschätzung der Finanzierung von öffentlichen Maßnahmen deutlich steigern, meint Worthmann.

Bestätigen kann das Helmut König, Vorstand im Ressort Finanzen und Nachhaltigkeit bei der Hamburger Hochbahn AG, dem größten Verkehrsunternehmen in Hamburg. Die Hamburger Hochbahn hatte im letzten Jahr mit einem Greenbond 500 Millionen Euro von institutionellen Anlegern beschafft. “Ich würde schon sagen, dass es eine günstige Art der Finanzierung ist. Wir hatten ein reges Interesse. Die Anleihe war bei der Emission mehr als sechsfach überzeichnet. In Gesprächen mit Banken haben wir zudem wahrgenommen, dass das Interesse an grünen Finanzierungen im letzten Jahr noch weiter gestiegen ist. Es ist definitiv ein Zukunftstrend”, so König. Mittlerweile, so König, könnten Finanzierungen am Grünen Kapitalmarkt sogar günstiger als am “Grauen” Kapitalmarkt finanziert werden.

Auch das Land Berlin will davon profitieren und plant eine nachhaltige Anleihe. “Die hohe Nachfrage am Kapitalmarkt ermöglicht zukünftige Finanzierungsvorteile. Damit fördern wir die soziale und ökologische Entwicklung der Stadt und stärken ihre finanzielle Stabilität”, betont Berlins Finanzsenator Daniel Wesener. Sustainable Finance sei ein unverzichtbarer Baustein für eine zukunftsfeste Berliner Finanzpolitik. Auch öffentliche Unternehmen des Landes Berlin wollen verstärkt auf nachhaltige Finanzierung setzen. Für die Beteiligungsunternehmen des Landes biete sich, so Wesel, eine verstärkte Nutzung nachhaltiger Finanzierungsinstrumente ebenfalls an. Die Unternehmen mit größeren Kreditbeständen würden deshalb in Zukunft den Einsatz nachhaltiger Finanzierungsinstrumente forcieren.

Aber es gebe auch zusätzliche Anforderungen an Grüne Anleihen, gibt König von der Hamburger Hochbahn zu bedenken. So brauche man neben dem Financial Rating auch ein testiertes Grünes Rating. Auch würden sich Grüne Anleihen nur für große Volumina lohnen. Benchmark sei hier eine halbe Milliarde Euro. Somit sind auch hier – wie bei der erweiterten Berichtserstattungspflicht – die größeren öffentlichen Unternehmen im Vorteil.

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