Freitag, 29. März 2024

Überschäumende Stimmung

Nach dem Fest ist vor dem Fest

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Dr. Eva Charlotte Proll
Dr. Eva Charlotte Proll
Dr. Eva-Charlotte Proll ist verantwortlich für Unternehmensentwicklung und Digitalisierung beim Behörden Spiegel – nach außen wie nach innen. Sie ist passionierte Reiterin, macht gerne Sport und ist mit Ihrer kleinen Tochter viel draußen unterwegs.

Ein Volksfest ist wie eine Hochzeit oder ein Kindergeburtstag. Man geht hin, weil man immer hingegangen ist, weil man sieht, dass es die Menschen verbindet. Sie lachen, feiern gemeinsam, singen und tanzen. Es ist eine Sehnsucht nach der heilen Welt, nach Tradition. Volksfeste schüren das Gefühl von Gemeinschaft, egal ob es die Wiesn oder Wasen sind, der Hamburger Dom oder die Rheinkirmes. Lebensfreude strahlt aus allen Ecken. Kultur wird bewahrt.

Volksfeste zeichnet aus, dass sie im Brauchtum verankerte Feste sind, die oft eine kirchliche, mittelalterliche oder regionaltypische Tradition haben. Die Verwurzelung und das damit entstehende Heimatgefühl haben auch mich dazu verleitet, meiner Tochter einen Namen in Anlehnung an die Heilige Adelheid zu geben. Sie hat den Bauern von Pützchen nach einer langen Dürreperiode eine Wasserquelle geschenkt, an deren Stelle heute Pützchens Markt gefeiert wird. Für Besucher*innen der Kieler Woche oder der Wiesn ist das völlig unbedeutend – zurecht! Für die Identitätsbildung im regionalen Kontext ist es jedoch mitnichten beiläufig. Daneben feiern die Rheinländer jedes Jahr sogar die fünfte Jahreszeit, den Karneval. Schulen und Arbeitsstätten schließen zur Brauchtumspflege. Die Effizienzmaschinerie hält an! Das lokale Wohlbefinden der Menschen steigt.

Geht man auf ein Volksfest, erleben viele das Nicht-Alltägliche. Man kann sich – mehr noch seit man coronainfiziert war oder die Einschränkungen durch das Virus einfach satthat – in eine Welt flüchten, die von den täglichen Sorgen ablenkt. Man kann Freunde, Stars und Sternchen sowie alle anderen treffen. Corona hat die Sehnsucht potenziert, dies freimütig nachzuholen. Was wäre das für eine traurige Welt ohne Volksfeste.

So schaffen sie, wie andere Sitten und Bräuche, Identität: Dirndl, Lederhose und Heimatfilm – das ist symbolgesinnt. Nicht nur die Bayern wollen sich darstellen und zeigen, auch der Rest der Welt partizipiert daran. Deutsche haben doch immer Lederhosen an, oder? Auch hier gilt: die Tracht und das Beisammensein stärken die Identifikation mit der Gemeinschaft.

Selbst wenn dabei die Maß Bier knapp 14 Euro kostet, die Inflation die Preise für Fahrgeschäfte in die Höhe treibt, die Energiekrise draußen tobt und der Krieg weitergeht, die Infektionszahlen vermutlich steigen und Layla der Wiesn-Hit 2022 ist – in einem Moment sind alle gleich ausgelassen, zumindest jene die vor Ort sind.

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