Freitag, 29. März 2024

Behördendeutsch

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Das Bürokraten-Deutsch hat Hochkonjunktur: das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz, der SARS‑CoV-2-Arbeitsschutzstandard oder die Allgemeinverbindlicherklärung. Nur wenige Bundesbürger verstehen Regierung und Verwaltung auf Anhieb.

Eine Studie der Universität Hohenheim untersuchte über 500 Pressemitteilungen des Bundes und der Länder von März bis April zum Thema Pandemie. Das Ergebnis: die Kommunikation ist unverständlich. Zwischen 40 bis 50 Wörter in Bezug auf die Satzlänge sind keine Seltenheit bei fast allen Ministerien. Hinzu kommt: Der Satzbau ist umständlich. Fach- und Fremdwörter dominieren. Denglische Begriffe und Komposita sind in Mode. Der Bundesfreiwilligendienstleistende ist als lange und komplizierte Wortaneinanderreihung nur die Spitze des Eisbergs.

Das ist aber nicht typisch Deutsch. Schaut man zu unseren Nachbarn in die Niederlande plante die dortige Regierung bereits im vergangenen Jahr 100 Sprachtrainer einzusetzen, um ihre Beamten zu schulen. Die Initiative hat zum Ziel, dass Bürger nicht nur verstehen, was in Formularen, Broschüren, Briefen und auf Webseiten steht, sondern sie sollen die Kommunikation auch als angenehm empfinden. Verständliche Sprache im Behördenumfeld hat aber auch noch einen positiven Nebeneffekt – weniger Bürgeranfragen und Zeiteinsparungen für Beamte.

Wer studiert hat, kann sich vielleicht noch an den Typus des (geisteswissenschaftlichen) Professors von einst erinnern. Die Ideen vom launigen und verklausuliert sprechenden Gelehrten hat man seltener verstanden als die, des sich klar und deutlich ausdrückenden Professors. Sprache ist also auch ein Indikator von Intelligenz. Wer sich verständlich ausdrückt, dessen Argumente sind nachvollziehbar. Damit macht man sich natürlich angreifbar. Sprache wird genau an dieser Stelle instrumentalisiert zu Macht- und Reputationszwecken. Wer wichtig sein will, drückt sich kompliziert aus. Sprache ist Macht, zumindest suggeriert sie diese.

In schwierigen Zeiten suchen Menschen Orientierung. Die Politik sollte dies  durch verständliche Sprache liefern. Die aktuelle Krise, so konstatiert Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler und Mitautor der Studie der Universität Hohenheim, sei kein gutes Beispiel dafür.

Auch die Diskussion um genderkorrekte, rassistische oder fremdenfeindliche Sprache bestärkt den Trend der Verkomplizierung, sei aber hier nicht weiter erwähnt. Als Journalist muss man sich dabei natürlich auch an die eigene Nase fassen und ist dabei nicht frei von Fehlern: kurze Sätze und einfache Wörter erhöhen die Lesbarkeit.

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