Freitag, 19. April 2024

Berufliche Bildung als Treiber einer nachhaltigen Entwicklung

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BIBB-Modellversuche nutzen die Potenziale der Berufe für die Gestaltung der Zukunft

Wie können Berufe zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen? Diese Frage stand am Anfang der Modellversuche „Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung 2015 – 2021“, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) fördert. Gesucht wurde nach innovativen Ideen, Auszubildende dazu zu befähigen, mit ihren beruflichen Kompetenzen den nachhaltigen Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft mitzugestalten. Gerade Jugendliche haben zunehmend den Anspruch, in ihrem Beruf sozial und ökologisch verantwortlich zu handeln, sodass Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Kriterium für die Wahl des Berufs- bzw. Ausbildungsortes geworden ist.

Nachhaltigkeit ist dabei weit mehr als ein vermeintlicher Hype in der Jugendbewegung. Tatsächlich ist die Leitidee nachhaltiger Entwicklung längst in unserem Alltag angekommen. In der Folge ist auch die Wirtschaft gefordert, Produktionsweisen zukunftsfähig zu gestalten. Nachhaltigkeit ist dabei nicht nur eine Frage der Einsicht und Haltung, sondern vor allem auch beruflicher Kompetenzen. Um in der Arbeitswelt verantwortlich für Mensch und Umwelt zu handeln, müssen Fachkräfte entsprechend aus- und weitergebildet werden. Die Berufsbildung ist damit ein wichtiger Hebel für eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wirtschaftsweise.

So hat der Hauptausschuss des BIBB kürzlich die Standardberufsbildpositionen zum Umweltschutz modernisiert und um Nachhaltigkeit erweitert. Seit dem Beginn des Ausbildungsjahrs 2021 gelten damit Mindeststandards für berufliche Kompetenzen, sodass Auszubildende lernen, Belastungen für Umwelt und Gesellschaft zu reduzieren. Damit wird Nachhaltigkeit Pflichtprogramm der betrieblichen Ausbildung (weitere Infos: BIBB / Standardberufsbildpositionen – Hintergründe, Inhalte, Perspektiven). Davon profitieren nicht zuletzt die Betriebe, die sich dem Strukturwandel stellen müssen und deshalb gut qualifizierte Fachkräfte benötigen. Schließlich bietet eine moderne, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete berufliche Ausbildung die besten Voraussetzungen, die Beschäftigungsfähigkeit in einer sich dynamisch verändernden Arbeitswelt langfristig zu erhalten. Die Standardberufsbildposition Umweltschutz und Nachhaltigkeit ist gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum Nationalen Aktionsplan „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ mit dem unter Federführung des BMBF Nachhaltigkeit in alle Bildungsbereiche integriert wird (weitere Infos: Startseite – BNE-Portal Kampagne).

Allerdings: Geregelt ist noch nicht betrieblich praktiziert. Vielfach fehlen in den Betrieben, trotz allem guten Willen, praktikable Konzepte, um die Ausbildung nachhaltigkeitsorientiert zu gestalten. Hieraus leitet sich der Arbeitsauftrag der BIBB-Modellversuche „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ ab. Wissenschaft und Praxis arbeitet hier gemeinsam an Maßnahmen zur Integration von Nachhaltigkeit in die Ausbildung. Dabei werden Innovationen nicht am „grünen Tisch“ entworfen, sondern bewähren sich direkt in der praktischen Umsetzung (weitere Infos: BIBB / Modellversuche).

Im Ergebnis stehen vielfältige berufsspezifische wie auch berufsübergreifende Konzepte und Lehr-/Lernmaterialien zur Verfügung, die im Ausbildungsalltag eingesetzt werden können. Sie zielen darauf, Auszubildende für Aspekte der nachhaltigen Entwicklung im betrieblichen Kontext zu sensibilisieren und zu nachhaltigem Handeln im Beruf zu befähigen. Sie knüpfen dabei ganz konkret am beruflichen Selbstverständnis der Auszubildenden an, anstatt abstrakt Anforderungen zu formulieren. Hierbei gilt die Prämisse, dass, nicht nur „grüne“, sondern vielmehr alle Berufe nachhaltiger werden können – diese Potenziale arbeiten die Modellversuche gezielt heraus und stärken sie über die Berufsbildung. In diesem Sinne können Kaufleute im Einzelhandel als Berater*innen für sozial und ökologisch verantwortlichen Konsum fungieren, Berufe des Lebensmittelhandwerks eine gesunde und nachhaltige Ernährung sicherstellen, während andere Berufe zum effizienten Energieeinsatz beitragen, bspw. im Bereich Sanitär, Klima und Heizung. Nicht nur im gewerblichen Sektor, auch in der öffentlichen Verwaltung gibt es viele Ansätze für nachhaltigkeitsorientiertes Handeln, bspw. in der Beschaffung, der Veranstaltungsorganisation, bei der Ver- und Entsorgung, der Verkehrs- und Stadtplanung, der Bewirtschaftung von Liegenschaften usw.

Bei der Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung spielt der Lernort eine zentrale Rolle, an dem die Auszubildenden nachhaltiges Handeln ausprobieren und erfahren können. Wie dies gelingt, zeigt der Leitfaden, der auf Grundlage der Erfahrungen in den Modellversuchen entwickelt wurde – BIBB / Gestaltung nachhaltiger Lernorte. Dass es in der Ausbildungspraxis immer wieder zu Zielkonflikten mit betrieblichen Interessen kommt, bleibt nicht aus. Diese sollten aber nicht unter den Tisch gekehrt, sondern als Anlass genutzt werden, mit den Auszubildenden über die Widersprüche zwischen den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung und individueller Handlungsoptionen zu reflektieren.

Ob Nachhaltigkeit zum selbstverständlichen Bestandteil der Ausbildung wird, hängt vor allem von Engagement und Qualifikation der schulischen und betrieblichen Lehrkräfte ab. Nur wenn das Ausbildungspersonal die Potenziale zur Förderung nachhaltiger Entwicklung in den Ausbildungsberufen kennt und fördert, wird BBNE gelingen. Deshalb werden im BIBB aktuell Modellversuche gefördert, die sich auf die Qualifizierung des ausbildenden Personals konzentrieren. Gemeinsam mit Weiterbildungsträgern der Wirtschaft und der Kammern werden hierzu Angebote entwickelt und erprobt, die dann in einer flächendeckenden Umsetzung münden werden.

Materialien für den Einsatz in der beruflichen Ausbildung sind über BIBB / Materialien aus den Modellversuchen BBnE 2015 – 2019 unmittelbar abrufbar.

Barbara Hemkes ist Leiterin des Arbeitsbereichs „Innovative Weiterbildung, Durchlässigkeit, Modellversuche“ am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).

Kontakt: hemkes@bibb.de, bbne@bibb.de

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