Samstag, 20. April 2024

Public Service Lab: Bessere Bürgerdienste, bessere Verwaltung

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Deutschland ist Schlusslicht in Europa in Sachen Digitalisierung des Staates und der Verwaltung. Das bescheinigt auch der gerade erschienene eGovernment-Monitor 2021, der zeigt, dass die Nutzung und Zufriedenheit mit digitalen Verwaltungsleistungen sogar rückläufig ist. Wenn es um Digitalisierung geht, haftet der deutschen Verwaltung ein schlechtes Image an: hinter der Zeit geblieben, zu langsam, nicht konsequent und selten benutzerfreundlich. Das 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz soll das bis Ende 2022 ändern. Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie hat zu einem Digitalisierungsschub geführt und gezeigt, dass digitale Abläufe einiges vereinfachen können. Aber wie geht gute Digitalisierung von Verwaltungsleistungen?

Gute Digitalisierung geht nur nutzerzentriert

Bürger*innen interessiert nicht, wer zuständig ist, sondern dass sie eine Leistung einfach, schnell und digital beantragen können. Von den Nutzenden her denken, ist daher die Voraussetzung für eine hohe Nutzerakzeptanz digitaler Verwaltungsdienste. Das bedeutet in vielen Teilen der Verwaltung einen Perspektivwechsel. Anders als bei privaten Dienstleistungen besteht keine Wahl, stattdessen sind Menschen auf die Verwaltung angewiesen. Anders als noch vor ein paar Jahren ist Nutzerzentrierung allerdings heute kein Fremdwort mehr. Während mittlerweile also Nutzerzentrierung propagiert wird, steckt nicht überall Nutzerbeteiligung drin. Jedoch ist die Grundlage für nutzerzentrierte Gestaltung Nutzerforschung, also die Erhebung und kontinuierliche Einbeziehung von Nutzerbedürfnissen. Servicedesign als nutzerzentrierte Herangehensweise zur Gestaltung von Dienstleistungen hat sich in den letzten 10 Jahren als Vorgehensweise im Privatsektor etabliert. Während dies auch in Verwaltungen weltweit bereits gelebte Praxis ist, ist dieser Ansatz für die öffentliche Verwaltung in Deutschland noch relatives Neuland.

International inspiriert Deutschland vorantreiben

(Foto: Privat)

2017 habe ich mit Martin Jordan und Simone Carrier das Public Service Lab gegründet. Vor dem Hintergrund unserer internationalen Erfahrungen haben wir uns gefragt, wie sich der Spirit und Ansatz nutzerzentrierter Gestaltung auf die deutsche Verwaltung übertragen lässt. Die gemeinnützige Initiative bietet Veranstaltungen und eine Plattform an, um sich über nutzerzentrierte Gestaltung und Servicedesign im öffentlichen Sektor auszutauschen. Beim Public Service Lab vernetzen sich Verwaltungsmitarbeitende und Innovationstreiber*innen rund um die Verwaltung. Das Ziel der Initiative besteht vor allem darin, Wissen miteinander zu teilen. Mit Veranstaltungsreihen und der Dokumentation von herausragenden Praxisspielen möchten wir Sichtbarkeit schaffen und andere inspirieren sowie über nutzerzentrierte Gestaltung und Servicedesign für die öffentliche Verwaltung informieren. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit beim Public Service Lab ist die Herausgabe der deutschen und englischen Zeitung Service Gazette. Diese publizieren wir auch online in unserem Medium-Blog.

Gründen war für mich keine Option

Während meines Politikwissenschaftsstudiums hatte ich das Thema Gründung gar nicht auf dem Schirm. Mein interdisziplinäres Zusatzstudium in Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut (HPI) 2009 war in diesem Sinne eine Horizonterweiterung. Es hat mir einerseits mit Design Thinking ein nutzerzentriertes, innovatives Methodenset an die Hand gegeben, und mich außerdem motiviert, neue Wege zu gehen. Beim Design Thinking geht es im Kern um das Ausprobieren und Experimentieren.

Dieses Mindset und der Innovationsgeist an der HPI School of Design Thinking haben mich dazu gebracht, direkt nach dem Studium und relativ “grün hinter den Ohren” ein Beratungsunternehmen für Design Thinking zu gründen. Auch wenn ich aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen im Team relativ schnell wieder ausgestiegen bin, möchte ich diese Erfahrung nicht missen. Ich hatte eine steile Lernkurve in der Start-up-Zeit und habe gelernt, einfach mal zu machen statt nur über etwas zu reden. Zur gleichen Zeit habe ich mit Kommiliton*innen vom HPI auch ein Service-Design-Netzwerk in Berlin gegründet, in dem sich Innovator*innen über die Gestaltung von Dienstleistungen austauschen konnten. Aus dieser Kollaboration ist auch das Public Service Lab entstanden.

Als ich als Politikwissenschaftlerin am HPI studierte, überlegte ich, wie sich Design Thinking auf Politik und Verwaltung übertragen lässt. 2010 war das noch Zukunftsmusik in Deutschland, während Design Thinking und nutzerzentrierte Gestaltung bereits von Verwaltungen weltweit als Problemlösungsansatz genutzt wurden. Das war auch der Grund, mich im Rahmen meiner Promotion mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen. In Singapur und Australien habe ich geforscht, wie öffentliche Verwaltungen Design Thinking implementieren kann.

Machen statt diskutieren

Die Leidenschaft für den öffentlicher Sektor und das Interesse an nutzerzentrierter Gestaltung teile ich mit meinen Mitgründer*innen. Wir haben gesehen, dass in Deutschland etwas fehlt. Zusammen mit Martin Jordan, der mittlerweile als Head of Service Design in der britischen Verwaltung arbeitet, und Simone Carrier, freiberufliche Servicedesignerin, die ebenfalls mit Verwaltungen international gearbeitet hat, habe ich 2017 die erste Konferenz organisiert. Diese findet seitdem jährlich statt. Ein Katalysator für unsere Netzwerkarbeit war 2018 unser Vortrag beim IT-Planungsrat-Fachkongress über die Wichtigkeit von Nutzerzentrierung als Leitlinie für die Digitalisierung.

Für die Arbeit im Public Service Lab helfen mir die vielseitigen Rollen und Erfahrungen. Ich möchte den digitalen Wandel mitgestalten – und zwar genau mit der nutzerzentrierten Brille. Dabei ist das Public Service Lab für mich ein Experimentierraum. Mit dem Public Service Lab kann ich Themen, die mir wichtig sind, vorantreiben, Impulse setzen, etwas eigenes schaffen. Ich ziehe aus der Netzwerkarbeit wertvolle fachliche Impulse, schätze den breiten Austausch und die Vernetzung mit der Community. Das inspiriert auch meine berufliche Tätigkeit als Beraterin bei der init AG, wo ich seit 2019 die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes begleite. Die Arbeit im Team des Public Service Labs beflügelt zudem einen fortwährenden Diskurs und Austausch. Unsere gemeinsame Vision ist es, die deutsche Verwaltung innovativer, agiler und nutzerzentrierter zu machen und Deutschland in der Aufholjagd in Sachen Digitalisierung zu unterstützen.

Dr. Katrin Dribbisch ist Mitgründerin des Public Service Lab und Mitherausgeberin der Service Gazette. Sie berät Verwaltungen zu nutzerzentrierten Arbeitsweisen und besseren Onlinediensten bei der Init AG. Sie promovierte zu Design Thinking in der Verwaltung und forschte dazu in Singapur und Australien.

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