Freitag, 29. März 2024

Co-Creation und Innovationskultur

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Wie Bundeswehr, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam Innovationen schaffen  können

Außerhalb militärischer Bereiche sind Chief Information Officers oftmals auch Chief Innovation Officers – Informationstechnologie und Innovationen gehen Hand in Hand. In der Bundeswehr ergibt sich dazu ein differenziertes Bild: Innovationsansätze sind dezentral und fragmentiert vorhanden. Das Mindset ist geprägt von linearem Denken und Wasserfallansätzen. Rahmenbedingungen wie das Vergabe- oder Haushaltsrecht wirken konservativ.

Dem Leitspruch von AFCEA International “Connecting people, ideas and solutions globally” folgend war es am 07. Oktober nun soweit! Unter dem Motto “Co-Creation und Innovationskultur” wurde sich im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) die Zeit genommen, einen tieferen Blick hinter die genannten Herausforderungen zu wagen. Mit 75 Teilnehmer*innen vor Ort und weiteren 30 virtuellen Zuschauern*innen wurden zu Beginn der Veranstaltung durch Sven Weizenegger, Prof. Eßig, Haya Shulman und Maximilian Rapp Denkimpulse gesetzt und im Anschluss in drei parallelen Workshops vertieft. Begleitet wurde die Veranstaltung durch das Moderatorenteam Antonia, Teresa und Nils, welche mit Witz und Humor durch den Abend leiteten. Darüber hinaus konnte mit Unterstützung des BITKOM auch für das leibliche Wohl gesorgt werden. Den Abschluss bildeten die Vorstellungen der jeweiligen Workshopergebnisse und ein gemütlicher Ausklang in der Bar “Zeitlos”. Aber nicht nur die Location und das Essen sorgten für einen unterhaltsamen Abend. Die Impulse der jeweiligen Vortragenden, machten den Abend zu einem Highlight:

Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr

(Foto: Young AFCEANs)

Die Opening Keynote kam auch direkt vom Gastgeber, dem CIHBw. Sven Weizenegger hat nach seinen ersten 16 Monaten als Leiter der ersten Digital Innovation Unit (DIU) eines deutschen Ministeriums ein Zwischenfazit gezogen. Der Hub ist nicht nur die erste DIU der Bundesregierung sondern auch die erfolgreichste! Auch wenn nicht jedes Experiment, das der Hub begleitet hat, in die Truppe eingeführt wurde, so sind auch diese Experimente erfolgreich durchgeführte Innovationsprojekte im Sinne der gewonnenen Erkenntnisse. Um das immense Potenzial der Bundeswehr hinsichtlich Innovation zu nutzen, ist Vertrauen in die Mitarbeitenden unabdingbar. So werden sie bestärkt, ihre Ideen in die Tat umzusetzen und identifizieren sich damit. Damit die vielen Ansätze in die richtige Richtung gehen, braucht es auch für Innovation klare Zielvorgaben. Beim Beschreiten neuer Wege passieren Fehler, die in einer innovationsfreudigen Kultur mindestens verziehen, besser noch gefeiert werden! Wenn dann noch eine Brücke gebaut wird zwischen Innovation und Beschaffung, dann steht der Bundeswehr 4.0 nichts mehr im Weg!

Innovationsmanagement – Buzzwords aber richtig!!

(Foto: Young AFCEANs)

Für die zweite Keynote konnten die Young AFCEANs eine echte Koryphäe aus dem Themenfeld Innovationsmanagement in der freien Wirtschaft gewinnen. Dr. Maximilian Rapp leitet bei EY das Innovation Squad und unterrichtet Innovationsmanagement an den Universitäten in München, Monaco und Moskau. In seiner Keynote grenzt er zunächst die Begriffe und Buzzwords aus dem Themenfeld Innovation Management voneinander ab und zeigt mit dem House of Innovation auf, was Organisationen zusätzlich zu der einfachen Anwendung von Methoden wie Co-Creation, Open Innovation oder Design Thinking tun müssen, um eine echte Innovationskultur zu etablieren. Über allem steht der Fokus auf den späteren Anwender. Verdeutlichen lässt sich das anhand anschaulicher Beispiele, wie u.a. der Entwicklung eines Magnetresonanztomographen (MRT) speziell für Kinder. Die Abbruchrate bei Untersuchungen insbesondere der kleinen Patienten ist sehr hoch und die teuren Untersuchungen an den meist über Monate ausgebuchten Geräten müssen oft wiederholt werden. Der Grund dafür liegt zumindest für diejenigen, die selbst schon einmal in einer diesen engen, lauten Röhren gewesen sind, auf der Hand: Die Kinder haben Angst und es fällt ihnen schwer ruhig liegen zu bleiben. Mit Hilfe von Design Thinking hat die Agentur IDEO hier für Abhilfe gesorgt und eine Geschichte über ein Piratenschiff um die eigentliche Untersuchung herum gebaut. In der Geschichte müssen die Kinder sich auf einer Planke verstecken und ganz ruhig bleiben, während sie in einem technisch unveränderten MRT liegen, das lediglich optisch an die Geschichte angepasst wurde. Ein schönes Beispiel, wie Innovation entstehen kann, wenn die richtigen Leute die richtigen Methoden anwenden!

In Unternehmen und Behörden geschieht auch heute bereits viel Innovation. Mehr geht aber immer und bei einem genaueren Blick, fällt schnell auf, dass immer dieselben Hindernisse im Weg stehen: Es fehlen klare Zielvorgaben für Innovation aus dem Top Management. Es besteht nach wie vor ein innovationshemmendes Silodenken. Vielen Unternehmen fehlt der Mut auch mal einen Schuss in den Ofen zu wagen. Strukturen und Prozesse sind noch nicht auf Innovation ausgelegt und selbst wenn sie vorherrschen, fehlt häufig das richtige Personal.

Hier gibt es noch Potenzial für Verbesserung! Das Feiern von Erfolgen, die es ja auch schon zuhauf gibt, gehört in jeden Fall dazu, aber genauso verdienen es auch Ideen, die verworfen werden und die nicht umgesetzt werden als erfolgreiches Innovationsvorhaben zu feiern.

Innovationsökosystem Israel am Beispiel Cybersecurity

Nach der Einführung von Dr. Maximilian Rapp, folgte mit dem zweiten Vortrag ein Beispiel aus der Praxis. Und da Digitalisierung und Innovationen nicht an Ländergrenzen halt machen, war es für alle ganz besonders, dass mit Haya Shulman eine Speakerin, die eine internationale Forschungs- und Innovationsreputation mitbringt, als nächste gesprochen hat. Haya Shulman ist u.a. Direktorin der Abteilung Cybersecurity Analytics and Defences (CAD) am Fraunhofer SIT in Darmstadt und Leiterin des Forschungsgebietes Analytics Based Cybersecurity am Nationalen Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit ATHENE. Daneben ist sie Gastprofessorin an der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel. Im letzten Jahr gewann Haya Shulman den IT-Sicherheitspreis der Horst-Görtz-Stiftung. Es war deshalb naheliegend, dass sich ihr Vortrag auf Israels Innovationsökosystem fokussierte, welches sie den Zuhörer*innen am Beispiel Cybersecurity näherbrachte. In ihrer Analyse stellte Haya Shulman dar, wie die unterschiedlichen Stakeholder im Bereich Cybersecurity organisiert sind. Anders als in Deutschland herrscht eine hohe Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Akteuren von Verteidigung, Wirtschaft, Forschung und der zivilen Sicherheit. Während Israel von einer risikofreundlichen Startup-Landschaft und einer äußerst innovativen Verteidigung profitiert, ist Deutschland insbesondere in der Organisation der zivilen Sicherheit und der Forschung stark. Nicht verwunderlich waren deshalb die vorgestellten Zahlen. Unter den weltweit TOP 100 Cybersecurity Unternehmen hält Israel alleine sechs, während Deutschland – als wesentlich größeres Land – gar nicht auftaucht. Wenn es aber um die zivile Cybersicherheit geht, dann liegt Deutschland deutlich vor Israel (Global Cybersecurity Index: Deutschland Platz 21, Israel Platz 39). Als Fazit hielt die Speakerin fest, dass der Austausch und die Zusammenarbeit von Forschung, Wirtschaft, Verteidigung und ziviler Sicherheit ein besonderes Asset des Ökosystems in Israel ist. Hinzu kommen eine gewisse Leidenschaft zum Risiko und eine ausgeprägte Fehlerkultur. Cybersecurity gilt deshalb als besonderer Wirtschaftsfaktor. In Deutschland dagegen wird stärker in Silos gedacht und gearbeitet. Die Risikobereitschaft ist gering und eine Fehlerkultur bisher nicht etabliert. Deutschlands Stärke ist eine gut organisierte staatliche Cybersecurity, womit deutlich wird, dass beide Länder eine Menge voneinander lernen können!  

Innovation und Beschaffung – Ein Blick auf Deutschland

Last but not least konnten die Young AFCEANs mit Prof. Dr. Michael Eßig einen ganz besonderen Impulsgeber gewinnen. Professor Eßig ist als Inhaber der Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Beschaffung und Supply Management an der Universität der Bundeswehr München, ein anerkannter Experte im Bereich Beschaffung und kennt sich auch mit den Finessen der öffentlichen Beschaffung aus. In seinem Impuls skizzierte er zunächst, warum der öffentliche Sektor ein toller Auftraggeber sein kann – und wie wichtig die öffentliche Beschaffung mit ca. 611 Mrd. Euro jährlichem Beschaffungsvolumen (15% des Bruttoinlandsprodukts) ist. Für die korrekte und transparente Umsetzung gibt das Vergaberecht die richtigen Leitplanken durch die Wahrung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit (nach §97 GWB) vor. Zudem geben die Prinzipien der Vergabe explizit vor, dass bei Ausschreibungen Aspekte der Qualität und der Innovation berücksichtigt werden sollen und eben nicht nur der Preis.

Anschaulich präsentierte er dem Publikum, dass die Chancen für innovative Lieferanten aktuell nicht schlecht sind. Die durchschnittliche Zahl der Angebote ist von 5,3 auf 3 gesunken (von 2006 auf 2016) und somit sucht der öffentliche Auftraggeber nach mehr leistungsfähigen Lieferanten. Allerdings liegt die Herausforderung in der eigentlichen Umsetzung. Mit einem Appell für eine größere Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten (Markterkundungen und co.), bessere Befähigung der Vergabestellen und für “strategic patience” endete sein Impuls, der die Teilnehmenden zum Denken und Diskutieren sichtlich anregte.

Ergebnisse aus den Break Out’s

(Foto: Young AFCEANs)

Die Ideen aus seiner Keynote hat Dr. Maximilian Rapp, unterstützt durch Nils Merkle, in einem der Workshops aufgenommen und in das konkrete Umfeld der Bundeswehr übertragen. Mit den vielen Teilnehmenden aus dem Auditorium haben sie Antworten auf die beiden Fragen “Was fehlt heute in der Bundeswehr, um Innovationspotenziale noch besser zu nutzen?” und “Was können wir tun, um innovativer zu sein?” gesucht. Die Painpoints waren schnell gefunden: In der Unternehmenskultur fehlen an manchen Stellen Visionen für Innovation und der Mut, diese in die Tat umzusetzen. Silodenken, wenig etablierte Schnittstellen zwischen Organisationselementen und das Empowerment der Ideengeber stehen hier der Bundeswehr noch im Weg. In den über 200.000 Mitarbeiter*innen und Soldat*innen stecken so viele noch unausgesprochene Ideen, die es nun in den Innovationsprozess zu lotsen gilt. Existierenden Bürokratische Hürden sollten sukzessive abgebaut und die Prozesse verbessert werden. Gamification-Ansätze und Innovationswettbewerbe oder aber ein KVP 3.0 können einen Beitrag dazu leisten. In jedem Fall wünschen sich Ideengeber*innen auch in die weitere Verfolgung ihres Einfalls einbezogen zu werden und wollen dabei auch Verantwortung übernehmen. Der Mut, den Einzelne haben, sollte sich auf die Organisation als Ganzes übertragen und auch im CPM darf mal ein Schritt ausgelassen werden, was der Innovator Leapfrogging nennt. In Summe wurde festgestellt, dass das kein Bundeswehrspezifisches Problem ist, sondern sich auf den gesamten öffentlichen Sektor und sogar auf ganz Deutschland projizieren lässt. Es gab nie so viel zu tun!

(Grafik: Young AFCEANs )

Der zweite Workshop, geleitet von Anna Lena Hohmann, Dr. Christian Weber und Michael Schwabe, beschäftigte sich mit Innovationsakteuren – und Projekten in der Bundeswehr. Die Digitalisierungslandschaft der Bundeswehr ist vielfältig. Veranschaulicht wurde die Thematik durch eine digitale Stakeholdermap, an der ein Team aus YAFCEAns im letzten Jahr arbeitete und die einen Überblick über Projekte, Zuständigkeiten und Abhängigkeiten bei der Digitalisierung der Bundeswehr bietet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops waren sich einig, dass dieser konkrete Output einen Mehrwert für alle Stakeholder bietet. Die Karte ist ein lebendiges Dokument und wird stetig erweitert. Hier kann der aktuelle Stand angeschaut werden.

(Foto: Young AFCEANs)

„Innovation erlebbar machen“ – das war der Titel des dritten Workshops, in dem Alenka Carstens aus der Innovationsabteilung innoX der BWI an drei Stationen die Besucher einlud sich ein Bild von verschiedenen Innovationsvorhaben zu machen und sie auch selbst auszuprobieren.

Mark Poticha zeigte CATHING – ein kleiner Würfel aus dem 3D Drucker, der gespickt mit IoT-Technik die Arbeitszeiterfassung erleichtert. Je nach dem auf welche Seite man den Würfel dreht wird die Arbeitszeit auf verschiedene Projekte gebucht. Jan Riedel ließ uns „mit KI durch Wände schauen“. Es wurde demonstriert wie mit künstlicher Intelligenz Bewegungsmuster, ob eine Person sitzt, geht oder steht, hinter einer Wand erkannt werden können.

Eine weitere Station war die BWI Schmiede, die jüngste Innovationseinheit der BWI. Sie entwickelt unkompliziert individuelle und prototypische Software für die privaten und dienstlichen Devices der Bundeswehrangehörigen. Jörg Plathner als Leiter stellte verschiedene „Softwerke“ und die Arbeitsweise der Schmiede vor.

Die Besucher*innen bekamen einen Eindruck von der Innovationsarbeit und konnten in kleinen Gesprächsrunden Fragen vertiefen.

Kernteam: Sebastian Artz, Christopher Gaube, Nils Merkle, Antonia Schmidt, Teresa Ritter, Ron Simon, Justus Groth (Foto: Young AFCEANs)

Es war eine tolle Veranstaltung und dies verdankt das Organisationsteam der Young AFCEANs nicht zuletzt dem Gastgeber Sven Weizenegger mit der Location des CIHBw, dem BITKOM mit dem Catering, den Vortragenden mit den anregenden Impulsen, den diskussionsfreudigen Teilnehmer*innen, vielen helfenden Händen, welche tatkräftig mit z. B. der Erstellung eines Hygienekonzepts, Schreiben von Fachartikeln, Posts und vielem Weiteren unterstützt haben. Nur so war es dem Kern-Orga-Teammöglich, diese Veranstaltung zu organisieren. Auch für das nächste Jahr sind zwei Veranstaltungen der Young AFCEANs geplant, bei denen sich gerne auch weitere engagierte Mitglieder einbringen können. Bei Interesse bitte eine kurze Mail an ya@afcea.de senden.

Die Young AFCEANs Bonn e.V. sind die jungen Mitglieder (unter 40) der AFCEA.

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