Freitag, 19. April 2024

Chance oder Gefahr?

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Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg ist Teil der Online-Redaktion, koordiniert das E-Journal und unterstützt digitale Veranstaltungen. Auch in ihrer Freizeit ist sie gerne auf Veranstaltungen unterwegs, dann aber als Kamerafrau oder Lichttechnikerin.

Social Media hat die Welt enorm verändert. Der Kommunikation sind räumlich und zeitlich keine Grenzen mehr gesetzt. Informationen sind immer und überall abrufbar. Eine große Chance für Politik und Verwaltung, schließlich können Bürger*innen aktuell und ganz direkt mit den wichtigsten Informationen versorgt werden. Wer in den Sozialen Medien unterwegs ist, kann aber auch leicht erahnen, dass es sich hierbei nicht immer um einen Vorteil handelt. Christoph Meineke war 15 Jahre lang Bürgermeister und einer der ersten, der im Wahlkampf und auch danach noch auf Social Media setzte. Mittlerweile sieht er die Nutzung von Sozialen Medien kritisch.

Nach dem Studium wollte er Bürgermeister in seiner Heimat in Wennigsen am Deister werden. Obwohl Online-Wahlkampf zu dieser Zeit weder bei Parteien noch in der Gesellschaft eine große Rolle spielte, habe er im Alter von 27 Jahren viel mit den damals gängigen Messengern gearbeitet, erinnert sich Christoph Meineke. Die Messenger, die er dafür nutzte, spielen heute keine Rolle mehr: ICQ, Kiezkollegen, StudiVZ… 2006 waren sie für ihn aber eine tolle Möglichkeit um potenzielle Wähler*innen zu erreichen. Warum? “Dies alles funktionierte erfolgreich, weil ich zielgenau mit einzelnen Menschen und Gruppen kommunizieren konnte, vor allem mit Jüngeren.”

Heute gibt es Twitter, Facebook, Instagram und Co statt der kleinen deutschen Plattformen, die Christoph Meineke nutzte. Für ihn macht das einen großen Unterschied: “Heute haben diese Plattformen immense Marktmacht: Entweder man ist dabei oder ist von reichweitestarken Kommunikationssträngen tatsächlich ausgeschlossen.”

Kein Abschalten

Er sieht zwar die vielen positiven Effekte wie die Möglichkeit zu Diskussionen und auch das gemeinsame Erarbeiten von Themen, welches es vorher nicht so gegeben habe. Auf der anderen Seite sinke die Hemmschwelle für Beleidigungen und Hatespeech folge, außerdem könnten Diskussionen in sozialen Medien schnell Dynamiken gewinnen, die ins Radikale umschlagen und manche Menschen wollten sich von Daten und Fakten nicht erreichen lassen, weiß der ehemalige Bürgermeister. Solche negativen Effekte haben laut eigener Aussage dazu geführt, dass er vom begeisterten Social Media-Politiker zum Skeptiker avanciert sei.

Auch die ständige Erreichbarkeit, die mittlerweile Standard zu sein scheint, ist für Christoph Meineke einer der Aspekte, die ihn an der Nutzung neuer Medien stört. “Wirklich verändert hat mich, dass es im Digitalen irgendwann kein Abschalten mehr gab.” Diese Erfahrung musste er während seiner Amtszeit als Bürgermeister machen – keine schöne Erfahrung, viel mehr eine enorme Belastung, die auch vor dem Feierabend nicht Halt macht. Während Smartphones zu Beginn seiner Bürgermeister-Karriere noch Neuland waren, schienen sie für ihn irgendwann “allgegenwärtig”. Beispielsweise dadurch, dass man von verschiedenen Apps auch dann weiter Benachrichtigungen bekomme, wenn die App geschlossen ist – und das so lange, bis man diese aktiv abstelle und dann Gefahr laufe, etwas zu verpassen oder nicht reagieren zu können. Gerade auch in der Corona-Krise gab es für ihn kein Abschalten. Selbst nachts erreichten ihn erboste WhatsApp-Nachrichten von Unternehmen, die sich um ihre Existenz sorgten oder Eltern, die von einem Tag auf den anderen keine Kinderbetreuung mehr hatten. Für Christoph Meineke einen riesiger Stressfaktor mit Auswirkungen auf seine Arbeit: “Die gesamte Orchestrierung des Digitalen führt also auch dazu, dass wir uns im Amt verändern und einem permanenten Stress ausgesetzt sind. Dieser digitale Stress, egal wie aktiv man die Social Media-Kanäle bedient oder auch nur verfolgt, führt dazu, dass wir das Amt anders wahrnehmen, dass man hektischer und kurzfristiger handelt. Ich will nicht sagen, dass man kopflos agiert, aber es führt doch dazu, dass man immer mehr vom Gestalter zum Getriebenen wird.”

Ohne Social Media geht es nicht

Trotzdem, von Social Media und der Nutzung in Politik und Verwaltung abraten würde er nicht. Christoph Meineke beschreibt seine Sicht auf die Medien als “Kritisch, aber noch konstruktiv.” Ohne Social Media gehe es nicht mehr. Gerade für die Kommunalpolitik sieht er auch Vorteile. Das Kommunikationsverhalten vor Ort verändere sich, Regional- und Tageszeitungen sterben aus und so nehme Kommuikation über Social Media eine tragende Rolle ein. Als Kommunalpolitiker darauf zu reagieren und diese Medien zu nutzen, um transparent Informationen zu teilen, hält er vor diesem Hintergrund für sehr sinnvoll.

Für ihn ist klar, das richtige Maß zu finden ist entscheidend. Er betont, dass die Sozialen Medien viele Vorteile haben. “Wichtig ist aber, als haupt- oder ehrenamtlicher Amtsträger im persönlichen Umgang mit Social Media klare Grenzen zu setzen. Dies heißt zum einen, das Smartphone zu gewissen Zeiten auch auszuschalten, sofern dies möglich ist. Dies bedeutet aber auch, bezüglich des Inhaltlichen und der Art der persönlichen Information Grenzen zu ziehen.”

Private Bilder der Familie würde der ehemalige Bürgermeister z. B. nicht in Sozialen Medien teilen. Außerdem ist Christoph Meineke wichtig, trotz all der Möglichkeiten, die Social Media heute bietet, sollte man als Bürgermeister nicht auf den persönlichen Kontakt zu den Bürger*innen verzichten.

Matthias Lorenz hat mit Christoph Meineke über seine Erfahrungen mit Social Media gesprochen, den Podcast findet ihr hier.

Tipps und Tricks, wie man die guten Aspekte der neuen Medien nutzt, hat Henning Evers uns verraten. Den Beitrag gibt es hier.

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