Donnerstag, 28. März 2024

Mit Weiterbildung für den Digitalisierungsfortschritt

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Matthias Lorenz
Matthias Lorenz
Matthias Lorenz schreibt sowohl Texte für den Online-Bereich als auch für die Zeitung. Privat ist er Hobby-Tennisspieler und begeisterter Handball-Fan.

Eines der Hindernisse der Digitalisierung der Verwaltung ist der Fachkräftemangel. Von staatlicher Seite will man diesem Problem unter anderem mit Fort- und Weiterbildungsangeboten begegnen. Dafür wurde unter anderem die Plattform eGov-Campus ins Leben gerufen, die technisch auf einer Lösung des Hasso-Plattner Instituts (HPI) beruht. Außerdem bietet das HPI auf dem Campus ein Modul zu innovativen Technologien an. Im Interview spricht Prof. Dr. Christoph Meinel, Institutsdirektor des HPI und Inhaber des Lehrstuhls für Internet-Technologien und Systeme, über den eGov-Campus und das neue Modul.

Prof. Dr. Christoph Meinel ist der Direktor des Hasso-Plattner Instituts und Inhaber des Lehrstuhls für Internet-Technologien und Systeme. (Foto: BS/HPI)

Future4Public: Scheitert die Digitalisierung der Verwaltung am Fachkräftemangel?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Tatsächlich ist der Fachkräftemangel ein großes Thema. Scheitern darf die Digitalisierung daran natürlich nicht. Und es gibt auch andere Hürden, die man in Deutschland zur erfolgreichen Digitalisierung überwinden muss.

Future4Public: Was kann der Öffentliche Dienst denn tun, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Der Fachkräftemangel betrifft gar nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern alle Bereiche unserer Wirtschaft. Das hängt mit der zunehmenden Bedeutung der Digitalisierung und der Digitaltechnologien zusammen. Laut Bitkom fehlen in dem Bereich etwa 100.000 Fachkräfte pro Jahr, es dauert mehrere Monate, die entsprechenden Stellen zu besetzen. Wir beobachten das auch hier bei uns am HPI:  Wir haben viele Absolvent*innen, bei denen wir uns auch freuen würden, wenn sie für eine Promotion bei uns blieben. Einer von ihnen hat mir kürzlich erzählt, dass jede Bewerbung, die er losgeschickt hat, zu einer Zusage geführt hat. Von diesen Angeboten kann er am Ende nur eines annehmen.

Future4Public: Bleibt die Möglichkeit der Weiterbildung. Was genau steckt hinter dem eGov-Campus, der an dieser Stelle ansetzt?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Der eGov-Campus ist eine aus Hessen getriebene, im letzten Jahr gestartete Initiative, auf der Online-Fortbildungsangebote zu allen Themen der öffentlichen Verwaltung, aber insbesondere auch zu Digitalisierungsthemen angeboten werden. Sie wird vom IT-Planungsrat koordiniert und soll helfen, den Öffentlichen Dienst fit für die Digitalisierung zu machen. Der Campus basiert auf unserer Lernplattform “OpenHPI”, wo Inhalte zur digitalen Ausbildung für Lai*innen, junge Leute, aber auch für Spezialist*innen angeboten werden. Auf dem eGov-Campus werden zu ganz verschiedenen Themen der Ausbildung im öffentlichen Bereich sogenannte Massive Open Online Courses (MOOCs) zusammengestellt. Diese beinhalten zum Beispiel Lern-Videos, Quizze und Interaktionstools, mit welchen man seinen Lernfortschritt überprüfen kann. Das Ganze ist verbunden mit einem Forum, in dem sich die Teilnehmer*innen eines Kurses untereinander austauschen können. Der eGov-Campus ist also ein Online-Lernangebot, durch das man die Möglichkeit hat, lebenslanges Lernen zeitlich selbstbestimmt auch neben dem Beruf voranzutreiben.

Future4Public: Die MOOCs auf der Plattform werden dann von verschiedenen Hochschulen angeboten. Welchen Kurs führt das HPI auf dem eGov-Campus durch?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Wir bieten ab sofort den Kurs “Innovative digitale Technologien für die öffentliche Verwaltung” an. Darin geht es um Themen wie Cloud-Computing, Blockchain, Internet der Dinge oder Digitale Identitäten. Ein besseres Verständnis zu all diesen Themen kann man im Öffentlichen Dienst sinnvoll anwenden, beispielsweise bei der Entscheidung, mit welchem Mittel man welches Problem am besten lösen kann.

Future4Public: An wen genau richtet sich das Modul?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Wir haben den Kurs so konzipiert, dass jede*r ohne besondere IT-Vorkenntnisse teilnehmen kann. Man braucht lediglich das Interesse an der Frage, was hinter den oben genannten innovativen Technologien steckt. Was sind deren Grundprinzipien, wie funktioniert die Technologie? Was zum Beispiel ist denn so eine digitale Identität überhaupt, wie entsteht sie, wie wird sie gemanagt? Die Mitarbeiter*innen können also den technischen Hintergrund besser verstehen.

Auf dem eGov-Campus ist das Modul frei zugänglich, es gibt keine Zugangsbeschränkungen. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, ein Zertifikat zu erlangen. Dafür muss man wöchentlich Hausaufgaben erledigen und eine Abschlussklausur bestehen.

Future4Public: Warum reicht es nicht aus, wenn solch ein relativ spezifisches Wissen nur Spezialist*innen in der Verwaltung bekannt ist?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Das Wissen in der Breite hilft nicht nur der Verwaltung, sondern auch der gesamten Bevölkerung, ein besseres Verständnis für bestimmte Fragen zu gewinnen. Was sind Daten, was bewirken sie, wo liegen die Daten, wie kann ich sie sichern oder was kann jemand anstellen, wenn er meine Daten in die Hände kriegt. Das sind alles Themen, für die man ein Verständnis haben muss, wenn man mit ihnen umgeht. Bleiben wir beim Beispiel: Die öffentliche Verwaltung muss die Bürger*innen ja auch beraten: Sie muss ihnen erklären, dass ihre Daten in der Verwaltung sicher sind oder wie man in der Verwaltung mit der digitalen Identität der Bürger*innen umgeht. Es ist in der IT-Welt wie im Straßenverkehr: Man muss die Regeln kennen, um sich möglichst sicher zu bewegen.

Future4Public: Ist dieses Wissen auch für die Schnittstelle zwischen den Verwaltungs-Fachbereichen und den eigentlichen IT-Spezialist*innen wichtig?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Ganz genau. Jetzt sind wir in einer Phase, in der die Digitalisierung zum Einsatz gebracht wird. Das heißt, es geht beispielsweise darum, Entscheidungen für den Einsatz von bestimmten IT-Systemen zu treffen. Hier ist es hilfreich, wenn auch die Anwender*innen bei der Auswahlentscheidung involviert werden und die Konsequenzen der Entscheidung ein Stück weit abschätzen können. Was bedeutet es, wenn mein System in einer Cloud läuft, was habe ich dadurch für Vorteile, wo liegen die Risiken? Letztendlich sind es die normalen Mitarbeiter*innen des Öffentlichen Dienstes, welche die Verwaltungsprozesse mit IT-Unterstützung durchführen müssen. Diese Mitarbeiter*innen müssen ein Grundverständnis von dem haben, was im Hintergrund passiert, um mit diesem System und dem Prozess entsprechend sicher umgehen zu können.

Future4Public: Wie stark lässt sich denn der Fachkräftemangel in der Verwaltung durch Weiterbildung kompensieren? Oft braucht es ja dann doch spezifisches Wissen, das zum Beispiel nur in einem Studium erlangt werden kann.

Prof. Dr. Christoph Meinel: Im Verwaltungsbereich geht es ja auch nicht nur um das Hochschulstudium. Es gibt vielmehr eine sehr breite Fächerung. Der eGov-Campus ist auf jeden Fall ein sehr effizientes Beiwerk: Zum einen, um überhaupt mal sich mit bestimmten Themen zu beschäftigen, zum anderen aber auch, um an einem bestimmten Thema dranzubleiben. Selbst wenn man in der Jugend beispielsweise etwas IT-nahes studiert hat, verfällt dieses Wissen sehr schnell. Man benötigt Auffrischung. Hierfür sind solche Plattformen wunderbare Mittel, schließlich können die Lernenden die Auffrischung in ihren Tagesablauf integrieren.

Future4Public:  Wie wird es mit dem eGov-Campus weitergehen?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Das HPI gehört zu den ersten, die dort einen Kurs anbieten. Bereits jetzt sind für unseren Kurs über 400 Lernende eingeschrieben. Ich gehe davon aus, dass im Laufe der Zeit mit der Verbreiterung des Angebots auch weitere Funktionalitäten hinzukommen, wie wir das von anderen Plattformen kennen. Dann wird man auch Teile seines Studiums komplett online absolvieren können. Das ist dann auch insbesondere interessant für ältere Mitarbeiter*innen, die schon in der Verwaltung tätig sind und sich auf diese Weise qualifizieren können. Die dem eGov-Campus zugrundliegende Plattform lässt sich gut skalieren.

Future4Public: Zum Abschluss nochmal kurz zurück an den Anfang des Gespräches: Wir hatten über den Zusammenhang zwischen Fachkräftemangel und Schwierigkeiten der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gesprochen. Welche Hürden müssten in Deutschland noch überwunden werden, um die Digitalisierung der Verwaltung voranzubringen?

Prof. Dr. Christoph Meinel: Nach meinem Gefühl gibt es ein Grundproblem, welches von der föderalen Verfassung unserer Gesellschaft herrührt. Ich sehe sehr viele Anstrengungen auf der kommunalen oder den Landesebenen, die am Ende nicht zum Erfolg führen, weil die Kompetenzen, die finanziellen Mittel oder die Fachkräfte fehlen. Für die Digitalisierung bräuchte es eine digitale Infrastruktur über ganz Deutschland hinweg. Diese müsste von der Bundesebene für alle anderen Ebenen bereitgestellt werden. Denn als Nutzer*in weiß ich ja oft gar nicht, welche Ebene für welche Leistungen zuständig ist, und ob ich jetzt mit der Bundes-, der Landes- oder der kommunalen Ebene interagieren muss. Die Nutzer*innen könnte sich mit einer solchen gemeinsamen Infrastruktur an nur einem Punkt einloggen. Sie bräuchten für alle Interaktion mit dem Staat nur eine einzige digitale Identität, die dann die Nutzung aller Angebote der verschiedenen föderalen Ebenen erlaubt. Auf einer solchen gemeinsamen Infrastruktur könnte man sich identifizieren, die Identitäten würden sicher gemanagt werden, es könnten geeignete Rechen- und Cloudstrukturen zur Verarbeitung aller anfallender Daten bereitgestellt werden und sichere Datenspeicher. Mit einer solchen Infrastruktur wäre es dann auch ganz leicht, die zahlreichen konkreten Anwendungen der öffentlichen Verwaltung, wie die KFZ-Anmeldung oder den Kindergeldantrag, aufzusetzen und sicher anzubieten. Weil diese Infrastruktur jedoch fehlt, muss für jede Anwendung alles von Grund auf neu entwickelt werden. Das erfordert einen unnötig großen Entwicklungsaufwand, für den die Fachkräfte fehlen, ist also hochgradig ineffizient und für die Nutzer*innen lästig. Deswegen hinken wir bei der Digitalisierung im Vergleich zu anderen Ländern zehn bis 15 Jahre zurück.

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