Donnerstag, 25. April 2024

Junge Stimmen für die Stadt der Zukunft

Reduce - Reuse - Recycle

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Im rollenden Rathaus vor Ort

Stadtentwicklung ist eine lange Reise, besonders wenn ein ganz neues Quartier entsteht. Zu oft werden bei Beteiligungsverfahren nur die gleichen Menschen erreicht. Besonders die Stimmen und Wünsche von Kindern- und Jugendlichen fehlen deswegen in Planungsprozessen. Doch gerade sie werden als Erwachsene in den Städte leben, die heute geplant werden. In Kiel geht die Stadtverwaltung deswegen neue Wege. Mit dem Tiny Rathaus kommt sie vor Ort und lädt mit spielerische Formate ein, die Zukunft mitzugestalten.

Vom Marineflugplatz zum neuen Stadtquartier

Wo sich in Kiel Holtenau Ost heute ein beliebtes Ausflugsziel befindet, das zum Fahrradfahren, Spazieren, Skaten und Segeln einlädt, entsteht in den nächsten Jahren ein neuer Stadtbaustein. Das Konversionsgelände ist seit 2014 teilweise für die Öffentlichkeit geöffnet. Mit Wohn- und Geschäftshäusern, Wald, Gewerbe-, Sport- und Gemeinschaftsflächen und vielen Freizeitangeboten soll die heute untergenutzte Konversionsfläche des MFG-5-Areals zu einem lebendigen Stadtquartier an der Kieler Förde entwickelt werden.

Mit der Konzeption des Berliner Planungsteams Yellow Z liegt seit dem Sommer 2021 die städtebaulich-freiraumplanerische Vision vor, die in eine stadtentwicklungspolitische Vision und Entwicklungskonzeption überführt werden soll. Mit dem Forum Holtenau Ost wurde im Mai 2022 ein neues Format ins Leben gerufen – ein Ort der Information, der Beteiligung und des Austausches. Das Format ist als Reihe gedacht, deren Veranstaltungen immer dann stattfinden, sobald sich für das Projekt neue Impulse ergeben.

Das Rathaus kommt in den Jugendtreff

Schon jetzt ist das Gelände belebt durch einen Skatepark, einen Jugendtreff, Unterkünfte für über 700 Geflüchtete und das jährliche Zukunftsfestival Waterkant. Die Landeshauptstadt Kiel möchte die zukünftige Entwicklung mit einem breiten Dialog in der Stadtgesellschaft verankern.

Vor allem Kinder und Jugendliche sollen für die Stadtplanung begeistert werden. (Foto: Marco Knopp)

Und weil besonders Kinder und Jugendliche oft nicht an gängigen Beteiligungen teilnehmen, hat sich die Landeshauptstadt Kiel in Zusammenarbeit mit der BIG Städtebau GmbH und dem büro luchterhandt & partner ein neues Format ausgedacht. Die Bühne dafür bot das Tiny Rathaus, ein mobiler Raum für Beteiligungen, Informationen und Beratungsangebote.

Unter dem Titel “Mach mit und gestalte dein Holtenau Ost!” wurde die Planungen direkt auf dem MFG-Gelände beim Jugendtreff Schusterkrug präsentiert und eingeladen, zum Stadtquartier über Lieblingsorte ins Gespräch zu kommen. Zentraler Bestandteil der Beteiligung bildete eine große Bodenplane mit einem Luftbild des gesamten MFG-5-Geländes sowie daneben ein mit Kreide auf den Boden gezeichneter Plan.

Wo haltet ihr euch am liebsten auf? Was machen ihr gerne? Was hättet ihr noch gerne? Wie stellt ihr euch eure ideale Nachbarschaft vor?

Entlang dieser Fragen konnten die Kinder und Jugendlichen während der Veranstaltung an zwei Basteltischen ihre Lieblingsorte sowie ihre Wünsche, Ideen und Anregungen auf Meinungssticker schreiben, auf große Holzklötzchen kleben und auf der Bodenplane verorten oder direkt in den Kreide-Plan einzeichnen.

Mit Kreide oder Knete können Kinder ihre Nachbarschaft nachgestalten (Foto: Marco Knopp)

Die jüngeren Kinder (5-11 Jahre) hatten zudem die Möglichkeit, ihre Lieblingsorte aus Knete zu basteln oder aus Schablonen auszuschneiden und auf dem Luftbild zu verorten. Die älteren Kinder und Jugendlichen (12-18 Jahre) konnten sich zudem ihre ideale Nachbarschaft aus kleinen Holzhäusern zusammenbauen und auf dem Plan darstellen. An einer dritten Station konnten Eltern stellvertretend für die ganz Kleinen ihre Wünsche und Ideen aufschreiben. Im Tiny Rathaus wurde der Sachstand der Planungen ausgestellt und auch hier gab es die Möglichkeit, Fragen oder Wünsche und Ideen aufzuschreiben. Zudem hatten die Kinder Gelegenheit, den Geschichten von Kleinkünstler Barney Hallmann, bekannt von Auftritten auf der Spiellinie auf der Krusenkoppel, zu lauschen.

Die Ergebnisse werden in die weitere Arbeit des Planungsteams Yellow Z einfließen. Dieses Team wird die Basis für die Bauleitplanung in den nächsten Monaten erarbeiten.

Verwaltung neu gedacht: Das Tiny Rathaus

Zentrale Anlaufstelle für den Austausch war das Tiny Rathaus.

Das kleine Rathaus ist eine Kieler Erfolgsgeschichte, ein Projekt das zwischen dem Kreativzentrum Anscharcampus, der Landeshauptstadt Kiel und der Smarten KielRegion entwickelt wurde. Schon in seiner Entwicklung gewann es den Bundespreis Koop.Stadt 2021. Dieses Jahr ist das Projekt das erste mal mit einem eigenen Wagen in den Quartieren der KielRegion unterwegs. Alle Stationen können online hier gefunden werden.

Für die Nutzung gab es ganz unüblich für die Verwaltung einen sogenannten Open Call. Bei einem Aufruf konnten sich neuartige Beteiligungsformate und niederschwellige Begegnungen mit Bürger*innen bewerben. So auch das Stadtplanungsamt, das sich mutig mit der Aktion beworben und sofort begeistert hat.

Das Tiny Rathaus dient als zentraler Informationsort und Treffpunkt für Jung und Alt (Foto: Marco Knopp)

Das Tiny Rathaus diente als Informationsort zum derzeitigen Planungsstand. Auf der großen Fläche am Jugendtreff fiel das Tiny Rathaus den Besucher*innen, Kindern und Jugendlichen schon von weitem ins Auge. Trotz des Sommerwetters unterbrach mancher seinen Weg zum Strand, um zu erfahren, was um den Wagen herum passiert. Darauf hatte das Stadtplanungsamt gehofft. Das Tiny Rathaus vor Ort sollte auch den Teil der Stadtgesellschaft ansprechen, der sich sonst nicht einbringen würde oder erstmal nur gucken möchte.

Multifunktional bietet das Tiny Rathaus sowohl Raum für Nutzungen als Werkstatt für gemeinsame Visionen, Bühne für Präsentation von neuen Ideen und aktuellen Planungsstand, aber auch eine kleine Stube für längere Gespräche. Durch eine Rampe ist der Wagen barrierefrei und eine kleine Windkraftanlage und eine Photovoltaikanlage versorgen ihn teilweise mit Strom. Die Nutzung des Wagens steht für Verwaltung, sowohl wie für Projekte und Veranstaltungen aus der Zivilgesellschaft offen. Der Betrieb wird vom Anscharcampus organisiert, sodass Nutzer*innen sich ganz auf ihre Formate konzentrieren können.

Das Projekt Tiny Rathaus wird durch die Smarte KielRegion gefördert, die Teil des Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ist.


Margot Buchert arbeitet beim Stadtplanungsamt Koordination MFG 5 in der Landeshauptstadt Kiel.


Manuela Witt ist Partnerin bei büro luchterhandt & partner.


Sophie Mirpourian ist für die Projektleitung Tiny Rathaus, Anscharcampuus, verantwortlich.

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