Samstag, 20. April 2024

Experte unter den Spürnasen

Tierische Kolleg*innen

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„Opal für Opal 2501, beginne mit Personensuche.“ Personenspürhund Rosko steckt seine Nase in die am Boden liegende Tüte, nimmt einen tiefen Atemzug und läuft los.

Die 20-jährige Lena wird vermisst. Sie ist aus ihrem Elternhaus zur Berufsschule gelaufen, aber dort nie angekommen. Nun soll Rosko sie finden.

Das Szenario ist nur eine Übung und soll Rosko und mich, sein Frauchen, auf den Ernstfall vorbereiten. Denn wir beide sind ein Personenspürhundeteam in Ausbildung beim Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen. Im Echteinsatz suchen wir später vermisste Personen, Suizident*innen oder geflohene Straftäter*innen.

Angefangen hat alles im Juli 2021 als ich meinen zehn Wochen alten Welpen bekommen habe. Rosko sollte er heißen und von nun an mein Wegbegleiter, Kollege und bester Freund sein. Schon mit zwölf Wochen hat Roskos zweijährige Ausbildung begonnen, denn so eine Personensuche bringt viele Tücken mit sich und das Training benötigt viel Zeit.

Um zu verstehen, was so ein Personenspürhund eigentlich macht, muss man wissen, dass jeder Mensch immer und überall Hautschuppen verliert. Auch unter einer dicken Jacke. Diese Hautschuppen schweben in der Luft, fallen irgendwann zu Boden und bleiben dort als „Geruch“ eine Zeit lang liegen. Personenspürhunde können diesen durch ihren ausgeprägten Geruchsinn wahrnehmen, speichern und verfolgen. Ihnen kommt dabei entgegen, dass jeder Mensch seinen ganz individuellen Geruch hat, den sogenannten Individualgeruch. Der kann selbst durch Deodorant oder Parfüm nicht verfälscht werden. Bei einer Trainingssuche kann die gesuchte Spur 48 Stunden alt und 1,5 Kilometer lang sein. Im Echteinsatz kann sie auch deutlich länger sein. Raus geht es bei Wind und Wetter. Ausdauer ist hier gefragt.

Ich habe eine abgeschlossene Polizeiausbildung im mittleren Dienst. Das ist wichtig für meinen Job als Personenspürhundeführerin, denn es werden nicht nur vermisste oder hilflose Personen gesucht, die Hilfe brauchen, sondern auch Straftäter*innen, die eigentlich nicht gefunden werden wollen.

In der Tüte am Boden liegt eine getragene Socke von Lena. Wenn Rosko an dieser riecht, weiß er, welchen Geruch er verfolgen soll. Als Frauchen bin ich natürlich dabei und habe für ihn sein Umfeld im Blick, um mögliche Gefahren abzuwehren. Ich führe Rosko an einer besonders langen Leine, damit er möglichst frei arbeiten kann. Unterstützt werden wir von zwei Sicherungsbeamt*innen, denn heranfahrende Autos oder auch fremde Hunde könnten Rosko während der Suche verletzen oder gefährden. Aber er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann.

Um so ein eingespieltes Team zu werden, mussten wir viele Trainingssuchen absolvieren und haben sehr viel Zeit miteinander verbracht. Gegenseitiges Vertrauen ist eine wichtige Basis für die Personensuche.

Rosko beginnt konzentriert und checkt Passant*innen ab, doch Lena ist nicht dabei. Bei der nächsten Kreuzung entscheidet er sich, nach links zu gehen. „Jawohl, super gemacht“, lobe ich ihn sofort. Es ist als Hundeführer*in wichtig, zu wissen, ob sich der Hund richtig entscheidet, denn nur so lernt man seine Körpersprache und sein Verhalten in bestimmten Situationen richtig zu lesen und kann das Selbstbewusstsein des Hundes stärken, wenn er etwas richtigmacht. Dieses Selbstbewusstsein braucht Rosko später im Echteinsatz, denn dort kann ich ihn nicht bestätigen. Er entscheidet dann ganz alleine, wohin es geht.

Rosko biegt auf einen Feldweg ab und zieht zielstrebig in Richtung einer Obstbaumwiese. Hinter einem der Bäume hat sich Lena für das Training versteckt. Rosko findet sie schnell und markiert sie durch Anspringen als „richtige“ Person. Als Belohnung für seine tolle Arbeit bekommt er sein Futter und ein ausgiebiges Spiel mit seiner Lieblings-Spielzeug-Ente. 800 Meter lang war die heutige Spur und ich bin sehr zufrieden mit unserer Teamarbeit.

So sieht unser Trainingsalltag aus. Später werden wir zusammen mit den acht weiteren Personenspürhundeführerteams in ganz Baden-Württemberg im Einsatz sein.

Nach Feierabend lege nicht nur ich meine Uniform ab, sondern auch Rosko darf einfach nur Hund sein und über die Wiesen rennen. Zuhause ist er ein ganz normaler Hund und liebt es, bei seinen Menschen zu sein. Allgemein sind Personenspürhunde menschenfreundlich, denn sie lernen von klein auf, dass Menschen ihre Freunde sind und es sich lohnt, sie zu suchen und zu finden. Anders als der Großteil der Polizeihunde, bekommen Personenspürhunde keine Schutzhundeausbildung und suchen auch keine Drogen oder Ähnliches. Sie sind dafür die Experten, wenn es um das Verfolgen einer individuellen, menschlichen Spur geht.


(Foto: Polizeipräsidium Einsatz)

Polizeiobermeisterin Yvonne und Personenspürhund Rosko während einer Personensuche. Gemeinsam arbeiten sie beim Trainings- und Kompetenzzentrum Polizeihundeführer des Polizeipräsidiums Einsatz in Göppingen. Nach zwei Jahren Ausbildung werden sie im ganzen Land Baden-Württemberg im Einsatz sein. Und manchmal sogar über die Landesgrenzen hinaus.

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