Freitag, 19. April 2024

Nachhaltiges Mobilitätsbewusstsein fördern

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Ob Radfahren oder Elektroautos: Nachhaltige Mobilitätsformen sind aktuell im Aufwind. Aber noch existieren viele Hürden auf den Straßen und in den Köpfen. Die Bürger*innen wenden sich daher mit Protesten und Radentscheiden direkt an die Stadtpolitik und Verwaltung. Doch auch andersherum stellen sich Verwaltungen die Frage: Wie kann ein nachhaltiges Mobilitätsbewusstsein bei den Bürger*innen gefördert werden? Die Stadt Chemnitz nähert sich mit dem Forschungsprojekt NUMIC (numic.city) diesem Thema und hat erste Empfehlungen zusammengestellt.

Bürger*innen beteiligen

Das Grundprinzip von NUMIC ist eine bürgernahe Beteiligung in der Stadtentwicklung und zwar über alle Prozessphasen hinweg: Frühzeitig von der Auswahl einer Modellroute für den Rad- und Fußverkehr bis hin zur Gestaltung einzelner Flächen. Eine solche Beteiligung ist ein Angebot, welches das Verständnis für Planungsvorgänge erhöht und anhand der Mobilitätsmaßnahmen der Stadt ebenso das Mobilitätsbewusstsein der Einzelnen anspricht. Dieser Aufwand ist nicht für jede einzelne Baumaßnahme zu leisten und es gibt verschiedene Abstufungen der Intensität zwischen Konsultation und Ko-Kreation. Besonders ist die Beteiligung für größere Maßnahmen oder strategische Rahmen wichtig. So setzt die Abteilung Verkehrsplanung bei der Erarbeitung des Mobilitätsplans 2040 auf eine Mischung aus Runden Tischen zur Akteursbeteiligung, einem intensiven Bürger*innenratschlag sowie Interessennetzwerk und einer allgemeinen Online-Beteiligung.

Aktionen und Veranstaltungen organisieren

Eine gute Möglichkeit für eine Beteiligung sind Aktionstage und -wochen. An einem Mitmachstand, z.B. mit großgeplotteten Planunterlagen, können Bürger*innen und Verwaltungsangestellte in lockerer Atmosphäre in den direkten Austausch treten. Oder die Verwaltung kann einfach die Freude am Rad und Fußverkehr vertreten: In Chemnitz organisiert die EU-Stelle seit 2002 die Europäischen Mobilitätswoche, die jährlich vom 16. bis 22. September stattfindet, um auf nachhaltige Mobilität aufmerksam zu machen. Unter der Organisation und Schirmherrschaft der Stadt finden zahlreiche Aktionen von verschiedenen Vereinen und Initiativen statt. Seit diesem Jahr beteiligt sich die Stadt zudem an dem nationalen Projekt Stadtradeln, das drei Wochen lang zum Radeln aufruft.

NUMIC-MOBITAG in Chemnitz – Im Bild: Viktoria Miller (l.) und Katja Kluge (r.), Mitarbeiter der EU-Stelle der Stadt Chemnitz (Foto: Stadt Chemnitz)

Leuchttürme aufbauen

Was in der einen Stadt Pop-Up-Radwege sind, stellt in der nächsten Stadt die Radautobahn dar, ist in Chemnitz die stadtweit erste Fahrradstraße. Das alles sind Leuchttürme, also konkrete Projekte mit lokalem Vorbildcharakter. Es geht darum zu zeigen, welche Möglichkeiten in der Stadt(verwaltung) schlummern. Diese Leuchttürme unterstreichen die planerischen Ansätze und geben einen Blick in die Zukunft. Durch die Diskussion und das Erproben der Bürger*innen werden die neuen Mobilitätslösungen schnell Teil des städtischen Bewusstseins. Schon bald kommt die Frage aus der Bürgerschaft zurück, „können wir nicht hier und dort noch so eine Fahrradstraße wie dahinten haben?“

Mobilitätsbewusstsein bewusst kommunizieren

Leuchtturmprojekte erfordern, wie fast alle Verkehrsplanungen, eine umsichtige Kommunikationsarbeit, um die Fachplanungen den Bürger*innen nahe zu bringen. Im Projekt NUMIC wird dabei auf eine kontinuierliche Kommunikation zum Thema „Nachhaltige Mobilität“ gesetzt. Ob eine bewusstseinsweckende Plakatkampagne, informierende Veranstaltungshinweise, eine Radfahrer-Dankstelle als Aktion oder klassische Pressearbeit – viele Wege führen hier zum Erfolg. Zum Beispiel können Soziale Medien auch schon für kleine Anlässe, wie z.B. den Weltradtag am 3. Juni, genutzt werden, um auf ÖPNV, Rad- und Fußverkehr aufmerksam zu machen.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Die Stadtverwaltung kann bei nachhaltiger Mobilität gleichsam selbst als Vorreiter punkten. Eben durch die Anbahnung von Leuchttürmen oder Forschungsprojekten wie NUMIC. Aber ebenso im Alltag durch das eigene Verhalten. Die Stadtverwaltung Chemnitz hat ein eigenes Lastenrad für Aktionen und Touren im Dienstfahrzeugpool, neben weiteren Fahrrädern, E-Bikes und E-Autos. Mit dem farbenfrohen Lastenrad wird die Dienstfahrt nachhaltig und gleichzeitig zum Hingucker. Ebenso wird es ein Team der Stadtverwaltung Chemnitz beim Stadtradeln geben.

Lastenrad (Foto: Stadt Chemnitz, NUMIC)

Baulich und planerisch konkret weiterarbeiten

Nicht zu vergessen: Die klassischen Pflichtaufgaben der Verwaltung sind die Basis eines nachhaltigen Mobilitätsbewusstseins. Also die vielen kleinen wie großen baulichen und verkehrsrechtlichen Veränderungen, die aus der Verwaltung heraus vorgeschlagen und umgesetzt werden. Jedes neue Radweg-Schild oder jeder neue barrierefrei abgesenkte Bordstein sind ein kleiner Schritt zur lokalen Verkehrswende.

Nachhaltiges Mobilitätsbewusstsein lässt sich also auf vielfältige Weise animieren und entwickelt sich gleichzeitig selbstständig weiter. Den Blick immer wieder auf dieses Leitbild zurückzulenken sowie dran bleiben lohnt sich und lässt eine nachhaltig mobile Stadt bzw. Kommune entstehen.

Bjarne Lotze ist Verkehrsplaner der Stadt Chemnitz und Stadtaktivist. Als Projektkoordinator für das Forschungsprojekt NUMIC erprobt er mit Bürger*innen Mobilitätslösungen vor Ort. Rad & Fuß sind nicht nur beruflich sein Schwerpunkt, sondern tragen ihn auch in der Freizeit durch die Natur des Erzgebirges.(Foto: Privat)

Mehr zu NUMIC lest ihr hier.

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