Freitag, 29. März 2024

Eine Frage der Gewohnheit

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Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg
Ann Kathrin Herweg ist Teil der Online-Redaktion, koordiniert das E-Journal und unterstützt digitale Veranstaltungen. Auch in ihrer Freizeit ist sie gerne auf Veranstaltungen unterwegs, dann aber als Kamerafrau oder Lichttechnikerin.

Wie funktioniert die Welt da draußen? – Diese Frage hat Meike Mäncher sich schon als Kind gestellt, schon immer war die mittlerweile 29-jährige gerne in der Natur unterwegs. Kein Wunder also, dass sie nach dem Abitur “Irgendwas in Richtung Umwelt, Naturschutz und Nachhaltigkeit” machen wollte.

Konkret hieß das für die gebürtige Leverkusenerin dann zunächst ein Bachelorstudium der BioGeoWissenschaften in Koblenz. Dort hat sie sich damit befasst, aktuelle Umweltprobleme zu analysieren und zu bewerten. Den Schwerpunkt in ihrem Masterstudium Geografie in Bonn legte sie anschließend auf den Bereich Umweltsysteme im Wandel. Hierbei war Meike wichtig, dass es nicht nur darum ging “wie und warum etwas aus naturwissenschaftlichen Perspektiven passiert, sondern auch, welche Konsequenzen das für die Gesellschaft und umgekehrt mit sich zieht”. Da das Thema Nachhaltigkeit für Meike schon damals nicht nur bloße Theorie war, setzte sie sich nebenbei ganz praktisch in einer studentischen Initiative für Stadtbegrünung ein und machte Stadtbegrünung im Kontext der Klimaanpassung schließlich auch zum Thema ihrer Masterarbeit.

“Mobilität hat sehr viel mit Nachhaltigkeit zu tun” findet die Bonnerin, die mittlerweile Mobilitätsbeauftragte der Stadt Euskirchen ist. “Wir alle bewegen uns täglich fort, beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen oder zum Sport”, erklärt sie. Die Art und Weise wie wir das tun, habe Einfluss auf unser Klima, auf unsere Umwelt und damit wiederum auf uns selbst. Mit rund 20 Prozent sei der Verkehrssektor der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemission in Deutschland, wobei der größte Anteil hierbei auf den Straßenverkehr entfalle, weiß die Mobilitätsbeauftragte und ist sicher: “Um unsere Klimaziele zu erreichen und auch andere Belastungen wie beispielsweise Stau, Lärm und Abgase zu vermeiden oder zu verringern, bedarf es einer Verkehrs- bzw. Mobilitätswende.” Hierbei dürfe auch die soziale Komponente nicht fehlen, Mobilitätsangebote müssten für alle gleichermaßen angeboten werden: für Kinder, Senioren, mobilitätseingeschränkte Menschen und für uns alle, das ist Meike wichtig.

Mobilität denken

Um in Deutschland Mobilitätsbeauftragte*r zu werden gebe es zwei Wege, Meike weiß von einigen wenigen Unis, die Studiengänge in diese Richtung anbieten. Sie selbst hat sich für den anderen Weg entschieden und Anfang des Jahres eine Weiterbildung im Job gemacht. Diese Weiterbildung ist deutschlandweit einmalig, nur in Nordrhein-Westfalen wird sie vom Zukunftsnetz Mobilität NRW angeboten. Bei ihrer Weiterbildung zur Mobilitätsmanagerin hat Meike Grundlagen, Handlungsfelder sowie Kommunikationswege und -möglichkeiten aufgezeigt bekommen. Letzteres hält die 29-jährige für eine der wichtigsten Skills: “Für alle Veränderungen bedarf es einer guten Kommunikation”, erklärt sie. Die Leute sollten etwas von einem Vorhaben mitbekommen, aber auch aktiv beteiligt sein. Nur so könne eine gewisse Akzeptanz geschaffen werden. Grundsätzlich, so Meike, sollte man für die Arbeit als Mobilitätsbeauftragte*r ein gewisses Grundverständnis im Bereich Mobilität und auch in Verkehrs- und Raumplanung mitbringen. Außerdem sollte man interdisziplinär denken und arbeiten können. Bei ihrer Arbeit bemerkt sie selbst tagtäglich, dass Mobilität viele Bereiche auch in der eigenen Verwaltung betrifft, angefangen beim Tiefbauamt, über die Stadtplanung und das Schulamt bis hin in den Wirtschaftsbereich zieht sich das Thema durch die verschiedensten Abteilungen. Teamarbeit und die Verknüpfung von einzelnen Fachbereichen innerhalb der Verwaltung seien daher wichtig, betont sie.

Der richtige Zeitpunkt

Meikes Aufgabe bei der Stadt Euskirchen ist es, die Verkehrswende auf kommunaler Ebene voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass in der Stadt attraktive und nachhaltige Mobilitätsangebote geschaffen werden. Es war keine bewusste Entscheidung für den Öffentlichen Dienst, das Arbeitsthema und das Umfeld lagen und liegen Meike am Herzen. Für sie habe sich zum richtigen Zeitpunkt die richtige Tür geöffnet, erinnert sie sich. Durch Kontakte aus der Studienzeit hatte sie von der Stelle in Euskirchen erfahren. Meike wollte eine Arbeitsstelle, bei der sie auch Ergebnisse aus ihrer Arbeit sehen kann, dass treffe bei ihrer Arbeit als Mobilitätsbeauftragte zu. Außerdem gefalle ihr, dass das Fachgebiet sehr jung besetzt sei. Bei Veranstaltungen und Lehrgängen bemerkt sie immer wieder, dass die meisten ihrer Kolleg*innen aus anderen Kommunen im gleichen Alter sind wie sie.

Fahrpläne und Steckbriefe

Innerhalb der Verwaltung und auch nach außen hin, gegenüber Politik und Bürger*innen, ist Meike Ansprechpartnerin für den Bereich Mobilität. Dazu gehören z.B. Radverkehr, Fußverkehr und öffentliche Verkehrsmittel. In den genannten Bereichen stößt die 29-jährige neue Projekte an, koordiniert diese und wenn möglich beantragt sie Fördermittel und wickelt diese ab. Eines der größten Projekte im Bereich Mobilität ist in Euskirchen aktuell das gesamtstädtische Mobilitäts- und Fahrradkonzept, welches momentan durch ein beauftragtes Büro erstellt wird. Dieses Projekt läuft seit gut zwei Jahren. Man könne es sich wie einen Fahrplan vorstellen, so Meike. Der aktuelle Zustand der Mobilität werde erfasst und analysiert und man schaue, welche Bereiche wo und wie verbessert werden könnten. Dann würden für konkrete Umsetzungsmaßnahmen sogenannte Maßnahmensteckbriefe erstellt, die den Fahrplan für die nächsten Jahre im Bereich Mobilität bilden. Ziel sei es, so die Mobilität für alle die in Euskirchen wohnen, arbeiten, zur Schule gehen oder in die Stadt pendeln, nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten. Bei diesem Projekt ist Meike Projektleiterin, außerdem ist sie für die Stadt auch Fahrradbeauftragte. Als Fahrradbeauftragte achtet sie bei Planungen darauf, dass auch die Belange des Rad- und Fußverkehrs berücksichtigt werden, und stimmt sich mit anderen Baulastträgern ab.

Weitere Projekte im Bereich Mobilität in Euskirchen sind z.B. verschiedene Sharing-Angebote wie Bike- und Carsharing. Außerdem sollen durch Radpendlerrouten und ein gesamtstädtisches Radverkehrskonzept alle Ortsteile und auch die Nachbarkommunen attraktiv mit dem Fahrrad erreichbar gemacht und verbunden werden. Eine weitere Maßnahme von der Meike berichtet, sind die sogenannten Mobilitätsstationen: Orte, an denen verschiedene Verkehrsmittel miteinander verknüpft werden und Nutzer*innen z.B. einfach aus Bus oder Bahn aussteigen und sich direkt vor Ort ein Leihfahrrad mieten können. Wichtig sei bei einem solchen Prozess, alle Beteiligten mit einzubeziehen, betont Meike. In Euskirchen geschah dies durch verschiedene Bürgerbeteiligungsrunden.

Ein gutes Beispiel

Das Mobilitäts- und Radkonzept, an dem Meike arbeitet, soll inklusive aller Maßnahmen in naher Zukunft im zuständigen Ausschuss beschlossen werden und anschließend in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Besonders sei, ergänzt Meike, dass in Euskirchen schon während dieses Erstellungsprozesses einige Maßnahmen umgesetzt werden. Beispielsweise existiert bereits seit Sommer ein kreisweites E-Bike-Verleihsystem, welches der Kreis Euskirchen initiiert hat. In der Kreisstadt Euskirchen gibt es derzeit zwei feste Terminals, an denen Räder

ausgeliehen und aufgeladen werden können und mehrere virtuelle Stationen, an denen die Räder zusätzlich abgegeben werden können. So wird den Kund*innen ermöglicht, im gesamten Kreisgebiet und linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis zu fahren. Außerdem nimmt Euskirchen erstmalig am STADTRADELN teil. Das STADTRADELN ist eine Aktion des Klimabündnis, bei der innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Wochen zwischen Mai und Ende September möglichst viele Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt werden sollen, um so ein Zeichen für mehr Klimaschutz, Radförderung und Lebensqualität zu setzen. Auch Meike und einige ihre Kolleg*innen nehmen als Team für die Stadtverwaltung an dieser Aktion teil und gehen so mit gutem Beispiel voran.

Zusammen mit einem städtischen Verkehrsunternehmen plant Meike derzeit außerdem ein Carsharing-System in der Stadt zu etablieren. “Es gibt also insgesamt noch sehr viel zu tun, aber wir sind jetzt schon fleißig in der Umsetzung des Konzeptes, um nachhaltige Mobilitätsangebote in der Stadt anzubieten und auszubauen”.

Doch Nachhaltigkeit ist für Meike nicht nur ein Arbeitsthema, “für mich fängt Nachhaltigkeit schon auf dem Weg zur Arbeit an” erklärt sie. Diesen legt sie mit Bus und Bahn zurück, auch wenn das dann etwas länger dauert. Überhaupt integriert die Bonnerin das Thema in alle Lebensbereiche: “Ich versuche meinen Alltag nach meinen Möglichkeiten nachhaltig zu leben.” Auch beim Einkaufen im Supermarkt oder beim Klamottenkauf achtet sie auf Nachhaltigkeit. “Ich bin da aber auch nicht perfekt, das weiß ich selber” erklärt sie, denn sie liebt es zu reisen und für weitere Reisen nutze sie auch mal das Flugzeug. Ansonsten ist Meike in ihrer Freizeit gern sportlich unterwegs. Wenn die Zeit es zulässt, fährt sie Fahrrad, spielt Volleyball oder wandert. Eine weitere Leidenschaft ist für sie die Fotografie, die natürlich gerade auf ihren Reisen nicht fehlen darf.

Gewohnte Muster

Nicht der “Verzicht” auf das Auto steht für Meike bei ihrer Arbeit im Mittelpunkt, vielmehr gehe es für sie darum, attraktive Möglichkeiten zu schaffen; Alternativen zum privaten PKW, die als genau solche angesehen und genutzt werden sollten, “auch Mobilität ist erstmal eine Frage der Gewohnheit”. Um die gewohnten Muster zu brechen, bedürfe es erstmal sehr viel Überzeugungsarbeit, attraktive Angebote, aber auch eigene Erfahrungen und Erlebnisse mit diesen. Es gibt bei jedem Thema und Wandel unterschiedliche Ansichten, auch beim Thema Nachhaltigkeit und Mobilität, dennoch ist Meike überzeugt, “dass wir eine Verkehrswende benötigen. [Das] ist ja nicht nur auf Grund der politischen Ziele notwendig, sondern auch weil es uns selbst betrifft und wir den Klimawandel und seine Auswirkungen bereits spüren, auch vor Ort. Ich denke, dass dies positive Effekte für die Akzeptanz einer Verkehrs- und Mobilitätswende mit sich zieht und auch bisherigen Kritikern die Notwendigkeit eines Wandels vor Augen führt.”

Die richtige Richtung

Die Erstellung eines Mobilitätskonzepts in Euskirchen sieht Meike als Grundstein für einen Wandel und auch, dass überhaupt eine Stelle für ein*n Mobilitätsbeauftragte*n eingerichtet wurde empfindet sie als wichtigen Schritt. “Die Entwicklung zeigt ja schonmal einen Trend in die richtige Richtung”, fasst sie zusammen, denn auch in anderen Kommunen gebe es immer mehr Mobilitätsmanager*innen, werden neue Konzepte erstellt und Projekte umgesetzt. Persönlich würde sie sich noch wünschen, dass jede*r beim nächsten Spaziergang durch die eigene Straße oder Stadt selbst mal bewusst darauf achtet, wie viel Raum die einzelnen Verkehrsmittel einnehmen – also PKW, Fahrrad, Fußgänger oder Bus – und welche Möglichkeiten sich vor der eigenen Haustüre bieten, um für kurze Wege mal das Auto stehen zu lassen und Alternativen zu testen.

“Über eine Verkehrswende oder Nachhaltigkeit kann viel geredet werden und am besten probiert man es selbst einfach mal aus und macht seine eigenen Erfahrungen.”

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