Freitag, 19. April 2024

Der Sturm auf die Rheinfestung

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Karneval und Bundeswehr – passt das zusammen? Und wie das passt! So beweist es der Carneval-Club Korpskommando-Koblenz 1968 e.V. (CCKK) der Bundeswehr, der die jährlichen Karnevalsveranstaltungen organisiert. Über die intensive Vorbereitungszeit, karnevalistische Traditionen und den Kontakt zu den zivilen Bürger*innen haben Oberstleutnant Helmmar Schmidt und Hauptmann a.D. Peter Olf mit uns gesprochen.

Der CCKK blickt auf eine jahrzehntelange Tradition zurück. Wie viele Mitglieder aus dem gesamten Sanitätsdienst sind aktuell zu verzeichnen? Ist die Nachfrage bei den Mitgliedschaften im Verlauf der Jahre eher gestiegen oder gesunken?

Der CCKK ist am 9. Januar 1968 von Generalleutnant Albert Schnez gegründet worden und in diesem Jahr zum fünften Mal elf Jahre alt geworden. Aktuell gibt es rund 150 Mitlieder unter den Angehörigen der Bundeswehr, zu denen noch ca. 30 Mitglieder der Tanzgruppe hinzukommen, die allerdings nicht direkt bei der Bundeswehr arbeiten. Insgesamt kommt der CCKK also auf eine Mitgliederzahl von 180 Personen. Erfreulicherweise sind die Mitgliederzahlen im Gegensatz zu anderen Vereinen seit Jahren stabil geblieben, selbst während der Corona-Pandemie.

Der CCKK soll neu versetzten Bundeswehrangehörigen die Integration am neuen Standort erleichtern und sorgt auch für mehr Nähe zur Bevölkerung: Durch die Einbindung in den Lokalkolorit zeigt die Bundeswehr hier, dass sie mehr kann als nur “bitteren Ernst”.

Karneval 2020, Foto: Sanitätsdienst der Bundeswehr

Traditionell findet in den Karnevalstagen die Erstürmung der Bundeswehr in Koblenz statt. Dabei wird nach der Unterzeichnung einer “Kapitulationsurkunde” der Schlüssel zum Gebäude übergeben. Wie müssen wir uns als Außenstehende diese Erstürmung vorstellen? Können Sie uns das näher beschreiben?

Der Karnevalsspaß beginnt schon im Herbst des Vorjahres: hier werden die Koblenzer Tollitäten Prinz und Confluentia – als Prinzessin sozusagen – dem ranghöchsten Soldaten am Standort Koblenz-Lahnstein, somit dem Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, vorgestellt und erbitten das „Vue et approuvé, das „Gesehen und Genehmigt“. Am Karnevalsfreitag sammeln sich dann die “närrischen Horden”: Unter Führung des Generalfeldmarschalls marschieren über 40 Karnevalsgesellschaften zum Bundesbehördenhaus, das kurzerhand zur “Rheinfestung” erklärt wird, mit dem Inspekteur des Sanitätsdienstes als “Ritter der Rheinfestung” an der Spitze. Es folgt ein verbaler Schlagabtausch zwischen den Karnevalstruppen und den Verteidigern der Festung. Am Ende muss die Bundeswehr aber kapitulieren – wohlgemerkt aus Nachgiebigkeit und nicht aus Schwäche. Mit der Schlüsselübergabe an Prinz und Confluentia wird ihnen dann das Schicksal der Soldaten für die närrische Jahreszeit anbefohlen und die Bundeswehr wechselt auf die Gewinner-Seite. Denn im Anschluss marschiert der ganze Zug zum Rathaus, um auch dem Oberbürgermeister seinen Goldenen Schlüssel zu entreißen.

Koblenzer Karneval: Erstürmung der Rheinfestung 2020, Foto: Sanitätsdienst der Bundeswehr

Nehmen Sie auch an Karnevalszügen teil? Wie laufen hier die Vorbereitung und die Beteiligung ab?

Die Wagen werden eigens in der Falckenstein-Kaserne gebaut. Für den Karnevalszug gibt es einen alten Komiteewagen aus dem Jahr 1961, die Tanzgruppe und immer neue Motive. Hier ist Kreativität gefragt – es kommen Motive aus Stadt-, Landes- oder Bundespolitik vor, wobei letztere meistens das Thema stellt. In den letzten Jahren gab es hier zum Beispiel schon eine Darstellung der damaligen Verteidigungsministerin von der Leyen auf der Schleudersitz. Aber auch selbstironische Bezüge kommen vor, wenn etwa ein Wagen als maroder Panzer dargestellt wird.

Bei der aktuellen Karnevalssession geht es um den Klimawandel und die augenzwinkernde Auseinandersetzung mit Erneuerbaren Energien. “Erbsen, Linsen, Kohl und Gras, der Michel macht draus Biogas”, weist ein Wagenbanner auf die energieförderliche Verdauung des deutschen Michel hin.

Die Vorbereitungen für die Karnevalszeit laufen das ganze Jahr über und finden nicht in der Dienstzeit statt. Knapp 20 bis 25 Stunden ihrer Freizeit investiert die etwa zehnköpfige Gruppe in der fünften Jahreszeit pro Woche in die Vorbereitungen. Hierzu gehören auch die technische Wartung und Instandsetzung der Fahrzeuge.

Motto 2017: Eierlegende Ursula von der Leyen, Foto: Sanitätsdienst der Bundeswehr

Welchen Einfluss hat der Karneval auf die reguläre Arbeitszeit? Wie lassen sich Karnevalsvorbereitungen und -veranstaltungen mit dem regulären Dienst vereinbaren?

Wie schon angesprochen, finden die gesamten Vorbereitungen außerhalb der Dienstzeit statt. Teilweise nehmen sich die Beteiligten sogar Urlaubstage dafür. Andere sind bereits Pensionär*innen, die sich ihre Zeit frei einteilen können. Rosenmontag ist bei vielen Dienststellen der Bundeswehr im Rheinland ein arbeitsfreier Tag, und die eigene Karnevalssitzung findet an einem Freitagabend statt.

Einzige Ausnahme ist die Erstürmung der Bundeswehr, die tatsächlich als dienstliche Veranstaltung gilt. Durch den Kontakt zur Bevölkerung und die Teilhabe am Brauchtum werden gute Verbindungen zur Bevölkerung aufgebaut und gepflegt. Deshalb ist diese Veranstaltung im Karneval für die Bundeswehr als Institution und ihre Außenwirkung wichtig und findet während der regulären Dienstzeit statt.

MAN L2A des CCKK, Foto: G. Juraschek

Die Karnevalsveranstaltungen dienen auch dazu, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und über die Aufgaben der Bundeswehr zu informieren. Sollen die Karnevalsveranstaltungen gezielt dafür eingesetzt werden, um solche Verbindungen zu schaffen und um eventuell vorhandene Distanzen abzubauen?

Schon vor über 200 Jahren verfügten die Koblenzer Stadtkommandanten, dass Teile des Militärs am Karneval teilnahmen, um die Beziehungen zur Bevölkerung zu verbessern. Neben der offiziellen Bundeswehr gibt es mit dem CCKK noch einen Verein, der von den Menschen hier aber genauso als Die Bundeswehr gesehen wird. Der Selbsthumor der Bundeswehr, der sich bei der eigenen Persiflage zeigt, trägt viel zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei. Die Beteiligung am Karneval folgt daher zwar keinem dienstlichen Zweck, aber in jedem Fall in einem dienstlichen Interesse.

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