Samstag, 20. April 2024

Engagement in einem der ärmsten Länder der Welt

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Matthias Lorenz
Matthias Lorenz
Matthias Lorenz schreibt sowohl Texte für den Online-Bereich als auch für die Zeitung. Privat ist er Hobby-Tennisspieler und begeisterter Handball-Fan.

Deutsche Soldat*innen sowie Polizist*innen im Auslandseinsatz bekommen hautnah mit, wie es der Bevölkerung in den Einsatzländern geht. Daraus resultiert nicht selten ein über den Job hinausgehendes Engagement für die Menschen im Land, zum Beispiel für die Kinder. Der von Soldat*innen und Polizist*innen geführte Verein “Lachen Helfen” unterstützt das Engagement der Kolleg*innen vor Ort, welche die Projekte meist initiieren. Der Verein stellt dann die finanziellen Mittel zur Realisierung der Projekte unbürokratisch zur Verfügung.

Auch Kriminalhauptkommissarin Nicole Barth wird in ihrem Engagement im Ausland durch den Verein unterstützt. Im Gespräch mit Future4Public spricht sie über ihren Auslandseinsatz, ihr Engagement und die Kraft, die sie aus dem Engagement zieht.

Future4Public: Könntest du dich einmal kurz selbst vorstellen? Wie alt bist du, wo kommst du her und wie bist du zur Polizei gekommen?

Nicole: Mein Name ist Nicole Barth, ich bin 49 Jahre alt und wohne in Alzey (Rheinland-Pfalz). Ich bin seit 31 Jahren Polizeibeamtin (Kriminalhauptkommissarin bei der Kriminaldirektion in Kaiserslautern). Aktuell arbeite ich für die europäische Mission EUCAP Sahel im Niger.

Future4Public: Wie kam es dazu, dass du nach Niger in den Auslandseinsatz gegangen bist?

Nicole: Ich habe mich schon immer für fremde Kulturen und Menschen interessiert. So kam ich dazu, als Polizeibeamtin das erste Mal vor 21 Jahren in Bosnien-Herzegowina zu arbeiten. In den folgenden Jahren war ich dann zwei Jahre im Kosovo und ein Jahr in Georgien. Seit September letzten Jahres bin ich im Niger.

Afrika hat mich schon immer sehr interessiert. Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich die Möglichkeit hatte, Afrika im Rahmen meiner beruflichen Verwendung kennen und tatsächlich auch lieben zu lernen.

Future4Public: Was macht ihr als deutsche Polizist*innen dort vor Ort in Niger?

(Foto: Privat)

Nicole: Wir beraten hier die nigrischen Sicherheitskräfte und bilden sie aus, zusammen mit weiteren europäischen Kolleg*innen, sowohl aus dem Bereich Militär und Polizei als auch zusammen mit Zivilkräften aus diversen europäischen Berufssparten. Wir sind insgesamt etwa 120 internationale Kolleg*innen und arbeiten in der Mission mit etwa 60 nigrischen Kolleg*innen zusammen.

Future4Public: Nun engagierst du dich in Niger parallel zu deinen polizeilichen Aufgaben ja auch noch ehrenamtlich. Was genau machst du da?

(Foto: Privat)

Nicole: Ich besuche an den Wochenenden seit geraumer Zeit ein Waisenhaus hier in der Hauptstadt Niamey. Es wird von einem Witwer geleitet, der 27 Kinder (im Alter zwischen drei und 20 Jahren) beherbergt und versorgt. Er hat dies in den vergangenen 20 Jahren zusammen mit seiner Frau gemacht, die leider vor zwei Jahren verstorben ist. Ich habe im Laufe der Zeit viele Sachspenden aus Deutschland von Freund*innen und Kolleg*innen erhalten, sowohl für die Kinder im Waisenhaus als auch für weitere Kinder in meiner Nachbarschaft. Für das Waisenhaus ist es mir gelungen, zahlreiche Spender*innen zu finden, welche die Schulkosten der Kinder im Waisenhaus auch längerfristig übernehmen möchten. Der Mittelwert der Schulkosten pro Kind und pro Schuljahr hier im Niger beträgt 194 Euro. Somit wird gewährleistet, dass die Kinder ohne Unterbrechungen die Schule besuchen können, bestenfalls im Anschluss sogar studieren können.

(Foto: Privat)

Weiterhin konnte ich im Frühjahr über eine Gofund.me-Spendenaktion acht Fußballtore und acht Basketball-Körbe anfertigen lassen, die auf vier Plätzen aufgestellt werden konnten. Fußball ist im Niger sehr beliebt, insbesondere bei den Kindern. “Lachen Helfen” finanziert unter anderem den Bau eines Unterstandes und die Anschaffung von Schafen, Hühnern, Ziegen und Enten für das Waisenhaus. Dies wird dem Waisenhaus eine unabhängigere und eigenständigere Versorgung gewährleisten.

(Foto: Privat)

Zukünftig planen wir auch noch den Bau und die Einrichtung einer Krankenstation auf dem Gelände des Waisenhauses, die auch den Menschen in den umliegenden Dörfern eine medizinische Versorgung ermöglichen soll. Ein weiteres Projekt wird in Zusammenarbeit von “Lachen Helfen” mit der WULF Stiftung gerade realisiert. Im Umfeld des Waisenhauses wird aktuell ein Brunnen gebohrt, der mit Solarpumpe betrieben wird und die Wasserversorgung von etwa 1000 Menschen in einer sehr abgelegenen Gegend gewährleisten soll.

Future4Public: Wie unterstützt dich der Verein “Lachen Helfen” genau bei deinem Engagement?

Nicole: Ich organisiere die Hilfe vor Ort, zum Beispiel die baulichen Maßnahmen, die Anschaffung von Material und die Abwicklung der Kosten. In enger Zusammenarbeit unterstützt mich dann “Lachen Helfen” finanziell aus Deutschland. Bei meinem Schulkostenprojekt unterstützt mich “Lachen Helfen” in der Form, dass sie die Abwicklung der Spenden übernehmen. Somit ist unter anderem gewährleistet, dass die Spender auch eine Spendenbescheinigung erhalten können.

“Lachen Helfen” hat mir bisher unglaublich schnell und unkompliziert geholfen. Wir pflegen eine sehr freundliche und sehr erfolgreiche Zusammenarbeit.

Future4Public: Was macht der Verein außerhalb Nigers?

Nicole: “Lachen Helfen” unterstützt deutsche Polizei- und Militärangehörige in diversen Ländern bei deren Projekten vor Ort. Dies können zum Beispiel Renovierungsarbeiten sein, die Anschaffung von Betten und Matratzen, sowie auch der Bau von Schulen und Brunnen.

Future4Public: Wir wollen dich ja auch als Person etwas näher kennenlernen. Bleibt neben der Arbeit und deinem Engagement noch Zeit für Freizeit? Wie verbringst du sie?

Nicole: Ich würde die Unterstützung des Waisenhauses und der anderen Kinder hier im Niger als meine liebste Freizeitbeschäftigung bezeichnen. Zeit mit den Kindern zu verbringen ist eine Herzensangelegenheit und in die strahlenden Gesichter zu blicken macht mir sehr viel Freude. Ansonsten lässt die Sicherheitslage hier im Niger leider kaum weitere Freizeitbeschäftigungen zu.

Future4Public: Hast du Hobbys, denen du erst wieder nachgehen kannst, wenn du zurück in Deutschland bist?

Nicole: Ja, ich werde zuhause wieder mehr Zeit mit meinem Hund verbringen können und Freund*innen treffen.

Future4Public: Noch eine Frage, die wir all unseren Gästen stellen: Hast du ein Lieblingsgericht? Gibt es dazu auch eine kleine Geschichte oder Anekdote?

Nicole: Es gibt keine Anekdote dazu, aber mein Lieblingsgericht hier im Niger ist der Kopto-Couscous. Das ist ein Couscous-Gericht mit Moringa-Blättern, pikant mit Erdnusssauce gewürzt.

(Foto: Privat)

Future4Public: Nochmal zurück zu deinem Engagement, hier muss ich leider nochmal eine ernste Frage stellen: Angesichts der Bilder und Nachrichten, die uns aus Afghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen erreichen, wie nachhaltig ist euer Engagement? Gibt es Momente dabei, die dich frustrieren?

Nicole: Ich hoffe sehr, dass das Engagement hier im Niger nachhaltiger ist. Wenn man jedoch nach wie vor im Niger immer wieder von terroristischen Angriffen hören muss, die Armut tagtäglich erlebt und die Situation der Flüchtlinge sieht, so macht einen das schon sehr betroffen. Dennoch sollte man immer positiv denken und dem Niger und seinen liebenswerten Menschen eine bessere Zukunft wünschen.

Future4Public: Wenn du in zehn oder zwanzig Jahren nochmal in den Niger zurückkehren würdest: Was hoffst du, dort vorzufinden?

Nicole: Ich würde mir wünschen, dass der Niger dann nicht mehr das ärmste Land der Welt ist und sich die Situation, insbesondere für Frauen und Kinder enorm verbessert hat. Des Weiteren würde ich mir wünschen, dass ich auch in zehn bis zwanzig Jahren wieder auf ungemein freundliche und lebensfrohe Menschen treffen würde. Wir als Europäer sollten uns da ein Beispiel daran nehmen und unseren Wohlstand nicht als selbstverständlich betrachten. Die Menschen im Niger sind unbeschreiblich arm und dennoch lebensfroh, immer freundlich und scheinen zufrieden.

(Foto: Privat)
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