Samstag, 27. April 2024

Gegenseitig voneinander lernen

Die Macht der Wissenschaft

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Paul Schubert
Paul Schubert
Paul Schubert schreibt vorrangig über Themen der IT-Sicherheit. Ist sonst am liebsten draußen, vorzugsweise auf dem Tennis- oder Beachvolleyplatz oder schlummert im Park.

Bedarfe der Verwaltungsdigitalisierung variieren von Land zu Land

Während wir in Deutschland über das Onlinezugangsgesetz und die Registermodernisierung reden, gibt es in Indien vollautomatisierte Führerscheinprüfungen und in Südafrika werden Parks mithilfe des Videospiels Minecraft gestaltet. Der Blick in Länder außerhalb Europas zeigt: die Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger bei der Digitalisierung der Verwaltung unterscheiden sich von Land zu Land – auch hinsichtlich bewährter Praktiken und deren Schwerpunktsetzung.

Wie transformiert sich der öffentliche Sektor außerhalb Deutschlands? Dieser Frage gehen Expert*innen bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nach. Riham Fakhry ist als Digitalisierung- und Innovations- Beraterin mit der GIZ in Ägypten, um die dortige Regierung beim E-Government für die öffentliche Verwaltung zu unterstützen. Das Projekt läuft bis 2025 und hat das Ziel, Dienstleistungen zu digitalisieren und Kapazitäten für den Öffentlichen Dienst aufzubauen. Der Kontakt zu Bürger*innen ist Fakhry besonders wichtig. In Workshops tritt das GIZ-Team, welches mit 15 Leuten am Projekt “Unterstützung von E-Government und Innovation in der öffentlichen Verwaltung (InnoPA)” beteiligt ist, in den direkten Kontakt mit den Nutzenden.

Neben der Zusammenarbeit zwischen der GIZ und der Bevölkerung spielt auch die bilaterale Partnerschaft eine große Rolle. Im Deutsch-Indischen Digitaldialog zwischen Bundesregierung und dem indischen Ministerium für Elektronik und IT (MeitY) werden digitalpolitische Themen besprochen – darunter auch eGovernment und elektronische Bürgerservices.  Janina Kempf arbeitet als Beraterin für den Dialog und zeigt auf, dass bei dieser Partnerschaft beide Länder profitieren: „Indien ist mit Blick auf digitale Standarddienste, wie Finanzen und Gesundheit, am Puls der Zeit. Umgekehrt erarbeitet das Land gerade erst ein Datenschutzgesetz und profitiert von Deutschlands Erfahrungen“, erklärt Kempf. In Indien gebe es weniger Bewusstsein für die Sensibilität persönlicher Daten, man sei im Vergleich dazu aber innovationsfreundlicher. Europa sei da eher datenschutzorientiert. In diesem Kontext werden im Rahmen des Dialogs Expertenrunden rund um das Thema Datenschutz organisiert. Neben Finanzen und Gesundheit ist Indien auch Vorreiter im Bereich Mobilität: „In Indien gibt es an einigen Stellen vollautomatisierte Führerscheinstrecken. Man ist unabhängig von Fahrlehrenden und es wird mittels Sensoren am Auto ermittelt, ob die Führerscheinprüfung bestanden oder nicht bestanden wurde.“ Damit könnten bis zu 3.000 Fahrwillige pro Woche getestet werden, erklärt Kempf. Dieses System werde nicht nur für PKWs, sondern auch für LKWs, Motorräder und Tuk Tuks eingesetzt.

Digitale Bausteine für die Verwaltung

Indien ist Teil der GovStack-Initiative. Das Projekt schafft einen gemeinsamen Rahmen und die technische Praxis für die Entwicklung wiederverwendbarer digitaler Komponenten – sogenannter „digitaler Bausteine“. Sarah Fischer ist Projektleiterin der Initiative, die ein „Playbook der Verwaltungsdigitalisierung“ entwickelt. Dafür sei ein internationales Netzwerk aufgebaut worden. Neben Indien sind auch Singapur, Ukraine und sechs weitere Länder aktiv am Projekt beteiligt. Im Sommer dieses Jahres soll dafür eine Sandbox gelauncht werden. “Mit Hilfe der Sandbox können Länder ihre Anwendungsfälle prototypisch nach dem Baukasten-System aufbauen und auf Kompatibilität testen,” erklärt Fischer.

Neben klassischen digitalen Dienstleistungen für die Verwaltung beschäftigt sich die GIZ auch mit innovativen Ideen bei der Stadtplanung. „Dabei gibt es so einige Beispiele, von denen wir alle lernen können“, erklärt Lisa Hiemer-Maqoma. Sie arbeitet unter anderem für das BMZ-Digitalvorhaben „E-Governance inklusiv gestalten (INDIGO)” in den palästinensischen Gebieten. „Die Bundesregierung möchte dort insbesondere die Kommunen stärken. Auch Städtepartnerschaften mit Deutschland sind geplant“, erzählt Hiemer-Maqoma. Neben INDIGO war sie in einem Projekt aktiv, das einen Park in der Stadt Johannesburg umgestaltet hat. „Hier wurden Jugendliche und Anwohner*innen gebeten, Ideen zu sammeln, wie der Park wieder ein Begegnungsort werden kann“, so die Projektleiterin. Die jungen Menschen konnten beispielsweise mithilfe des Videospiels Minecraft Vorschläge sammeln. Diese wurden dem Planungsbüro in Johannesburg übergeben: „Mit den Ideen wurde die Beleuchtungssituation im Park verbessert, neue Zäune gebaut und Spielplätze errichtet“, berichtet Hiemer-Maqoma.

„Wir möchten mit den beteiligten Stakeholdern nachhaltige Kompetenzen und Strukturen aufbauen“, erklärt Riham Fakhry. Das geschieht am besten mit einem Ansatz, der am Menschen orientiert ist, resümiert Hiemer-Maqoma. Denn auch wenn es häufig Verwaltungsprozesse sind, die in den Projektländern digitalisiert werden, werden sie vorrangig für die Verwaltungsmitarbeitenden der Regionen und ihrer Bürger*innen geschaffen.

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