Samstag, 20. April 2024

Ein Hoch auf die Zivilbevölkerung!

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Dorothee Frank
Dorothee Frank
Dorothee Frank ist Redakteurin für Wehrtechnik und Sicherheitspolitik. Privat engagiert sie sich für Tier- und Naturschutz und verbringt viel Zeit mit ihrem Pferd, einem Noriker namens Schröder, den sie von Fohlen an hat.

Deutschland lebt vom Ehrenamt und den freiwilligen Helfer*innen. Dies zeigte sich erst wieder in diesem Jahr bei der Flutkatastrophe. Ebenfalls deutlich wurde bei dieser Katastrophe, dass auf die Menschen, die normalen Bürger*innen, mehr Verlass ist als auf den Staat.

Es war eine Nacht des Grauens. Der Regen war den ganzen Tag über vom Himmel gefallen. Kein Starkregen, nur sehr ergiebig, dadurch für die Anwohner*innen nicht als Katastrophe ersichtlich. Aber dieser ergiebige Regen fiel auf bereits vom Wasser gesättigte Böden und irgendwann kam alles ins Rutschen oder die Wassermassen stauten sich so hoch, dass Menschen im Erdgeschoss ihrer Häuser ertranken, weil sie die Türen nicht mehr öffnen konnten. Andere retteten sich auf Nachbardächer – wenn sie Glück hatten – und sahen zu wie ihre Häuser in den Fluten mitgerissen wurden. Dann kam die Nacht mit weiterem Regen. Die Handynetze und die Elektrizität waren zu diesem Zeitpunkt schon längst ausgefallen, die Nacht war dunkel. Nur das Rauschen, das Splittern, wenn Wassermassen wieder Bäume, Autos und Häuser mit sich rissen. Und die Hilfeschreie. So harrten die Bewohner*innen des Ahrtals eine ganze Nacht, manche zwei Nächte aus, bis staatliche oder zivile Hilfe kam.

Die Evakuierten, die in den nicht betroffenen umliegenden Städten ankamen, hatten nichts. Der Staat war im ersten Moment überfordert. Schnell wurden Notunterkünfte bereitgestellt, aber das Essen und die Bekleidung, die kamen durch private Initiativen. In den Städten gingen Nachbar*innen sammeln, lieferten es zu den Flutopfern oder staatlichen Sammelstellen. Es war so viel, dass nach drei Tagen bereits gesagt wurde, erstmal keine Kleidung mehr spenden. Zehntausende waren versorgt, dank der Hilfsbereitschaft der Bürger*innen.

Die gleiche Hilfsbereitschaft zeigte sich beim Wiederaufbau. Hunderte von Helfer*innen kamen an den Wochenenden, das THW organisierte schließlich Sammelparkplätze und Busse, um die Freiwilligen in die Flutgebiete zu bringen. Handwerksbetriebe kamen aus ganz Deutschland, um kostenlos Böden rauszureißen oder die Stromversorgung wiederherzustellen. Ein Unternehmer organisierte jene Helfer*innen, die mit Großgerät umgehen konnten oder sogar welches mitbrachten. Hier kam es zu ersten Reibungen mit den staatlichen Stellen, welche auf die Koordination rein ziviler und privater Helfer*innen in dem Ausmaß nicht vorbereitet waren.

Das deutsche Katastrophenschutzsystem mit seinen ehrenamtlichen Helfer*innen ist darauf ausgerichtet, dass die Freiwilligen bereits in Organisationen – z.B. THW, Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz – erfasst sind und koordiniert werden. Nun kamen aber tausende Freiwillige, die niemandem angehörten. Und die sich mittels Social Media sehr schnell organisierten.

Wenn man heute mit den Menschen im Ahrtal spricht, dann herrscht neben dem Entsetzen über die Nacht – und der Wut über die späte staatliche Reaktion sowie der immer noch fehlenden Planungssicherheit bezüglich der Hilfsgelder – vor allem Dankbarkeit gegenüber den freiwilligen Helfer*innen, die zu tausenden in die Katastrophengebiete kamen, um kostenlos die Schäden zu beseitigen und den Wiederaufbau zu ermöglichen. Ebenso wie die Dankbarkeit über die vielen Sachspenden, ohne die sogar die Ernährung der Flutopfer direkt nach der Katastrophe nicht möglich gewesen wäre. Die große Lehre aus der Schreckensnacht ist: In der Not halten die Menschen in Deutschland zusammen und jeder kann sich auf die Hilfsbereitschaft der Nachbar*innen verlassen. Der Staat muss nun nur noch lernen, diese Hilfsbereitschaft zu organisieren und in bestehende Strukturen im Notfall schnell mit einzubinden.

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