Die Ahrtal-Katastrophe war mein Schlüsselerlebnis! Was ich dort gesehen habe, hat mich in meinen mehr als 50 Jahren, in denen ich als Feuerwehrmann eine Uniform trage, zutiefst geschockt. Lange Zeit hatten wir nicht mehr solche katastrophalen Ausmaße erlebt, aber vor allem sind nicht so viele Menschen gestorben wie an diesem Tag im Juli 2021. Als Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung beschäftige ich mich seit langem mit der Frage, wie man Menschen besser auf Brände und deren Folgen, noch besser aber auf deren Verhütung, vorbereiten kann. Wie viele Menschen starben im Ahrtal, weil sie vielleicht vorher nicht mit einer derartigen Lage gerechnet haben?
Das war der Ausgangspunkt. Gute Verbindungen zum Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (BBK) hatte ich schon immer und die Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) und der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) waren sofort dafür, dass wir als Feuerwehren in Zukunft unseren Beitrag leisten sollten, damit eine derartige Katastrophe, zumindest aus der Sicht der Betroffenen, besser gehandhabt werden kann.
Es entstand in langen und gründlichen Verhandlungen die Kooperationsvereinbarung zwischen dem BBK, dem DFV und der vfdb zur Zusammenarbeit bei der Aufklärung der Öffentlichkeit über Vorsorge für und richtiges Verhalten in Krisen und Katastrophen außerhalb der polizeilichen Gefahrenabwehr. Was waren die Vorteile? Das BBK hatte als Bundesbehörde gute Möglichkeiten exzellentes Aufklärungsmaterial zu schaffen – aber es fehlte an Instrumenten für eine Verbreitung bis an den einzelnen Menschen auf der Straße. DFV und vfdb können mit ihren Netzwerken, insbesondere im Bereich der Feuerwehren bis an die einzelnen Menschen in den Gemeinden kommen – eine Feuerwehr gibt es schließlich fast überall!
Das Netzwerk der Brandschutzerziehung erstreckt sich über ganz Deutschland und die Player sind über Ausschüsse von den Kreisen über die Länder bis zum Bund so gut vernetzt, dass man sehr viel Aufklärung anstoßen kann. Dazu kommen auch noch gute Verbindungen zu den Schulen, denn keiner hat besseren Zugang zu Kindern und Jugendlichen als die Lehrer*innen unserer Schulen. Mit der Kooperationsvereinbarung wurde auch eine Steuerungsgruppe aus Vertreter*innen des Gemeinsamen Ausschusses für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung und des BBK gebildet, die ihr Fachwissen, ihre Ideen und Möglichkeiten zusammenbringen und damit die Aufklärung der Bevölkerung zum richtigen Verhalten im Falle von Naturkatastrophen voranbringen. Ein schönes Beispiel ist die im letzten Jahr entstandene Website Sicherheit durch Vorsorge und das darin enthaltene Material, insbesondere für Lehrkräfte in Schulen. Als Beispiel ist hier das Bildungsmaterial für Hochwasser aufgeführt. Es ist insbesondere gedacht für Lehrkräfte, die so schnell an die umfangreich vorhandenen Materialen des BBK kommen. Auf der Vorderseite der Teaser, der das Thema anreißt, auf der Rückseite die Quellen, wo maßgeschneidertes Material für verschiedene Altersgruppen zu finden ist – und vor allem ganz schnell mit dem QR-Code auszulesen. Diese im Internet verfügbaren Merkblätter können über die Feuerwehr verteilt werden, von den Brandschutzerziehenden an die Lehrer*innen weitergegeben werden oder sind eine Möglichkeit, wie man zu verschiedenen Themen am Tag der offenen Tür z.B. der Feuerwehren interessante Anziehungspunkte schaffen kann. Die Steuerungsgruppe aus der Kooperationsvereinbarung hat aber noch deutlich mehr Ideen, wie man das Bewusstsein der jungen Menschen, aber auch der ganzen Bevölkerung verbessern kann. Ideen gibt es zu einem Spiel für Schulklassen oder Jugendgruppen, wo spielerisch Know-How zum richtigen Verhalten bei Katastrophenfällen trainiert werden kann, es gibt aber auch schon sehr interessante Ansätze in Niedersachsen, wo in Volkshochschulen mit Unterstützung der unteren Katastrophenschutzbehörden durch Spezialist*innen aus der Brandschutzerziehung auch Angebote für Erwachsene geschaffen werden. Es ist also einiges in Bewegung, um zu verhindern, dass die mangelhafte Aufklärung über die Folgen von Naturkatastrophen zukünftige Betroffene wieder in schweres Elend werfen werden! Aber es ist noch viel zu tun und die engagierten Helfenden brauchen natürlich auch die Unterstützung aller!
Frieder Kircher ist der Vorsitzende des Gemeinsamen Ausschusses für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung von DFV und vfdb und war bis 2019 als Leitender Branddirektor bei der Berliner Feuerwehr. Er ist Dipl.-Ing. im Bauwesen und hat seit 1967 das Feuerwehrwesen von der Pike auf gelernt.