Freitag, 26. April 2024

Start Ups und Vergaberecht

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Jörn Fieseler
Jörn Fieseler
Jörn Fieseler leitet die Berliner Redaktion des Behörden Spiegel und ist der Meinung, dass man mit Gelassenheit leichter durch's Leben kommt.

Oft wird es gescholten: das Vergaberecht. Dabei ist es die Grundlage für den Einkauf der öffentlichen Hand. Vor allem Start Ups hadern mit dem in ihrer Wahrnehmung starren Regelwerk. Doch es liegt nicht am Gesetzes- oder Verordnungstext, sondern viel mehr an dessen Anwendung. Für beide Seiten.

Start Ups zeichnen sich durch ihren hohen Grad an Innovation aus. Sei es bei der Entwicklung von Produkten als auch hinsichtlich der eigenen Prozesse. Das passt auf den ersten Blick nicht mit den formalisierten Prozessen des Vergaberechts überein. Andererseits sind Bund, Länder und Kommunen nun mal an Recht und Gesetz gebunden. Und damit auch an eine wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Gelder. Ausgaben müssen am Ende durch die Rechnungshöfe oder die Kommunalaufsicht nachprüfbar sein. Schon deshalb braucht es das Vergaberecht. Doch das ist nicht so starr, wie viele glauben. Es bietet genügend Möglichkeiten für Verfahrenserleichterungen. Leider werden diese viel zu selten angewandt.

Öffentliche Auftraggeber setzen lieber auf ein rechtssicheres Verfahren, statt auf mögliche Erleichterungen. Das fängt bei den formalen Nachweisen zur Eignung und Befähigung schon an. Etwa bei den vorzulegenden Referenzen. Anstatt hier überbordende Vorgaben zu machen, sollten möglichst einfache Anforderungen gestellt werden. Und warum müssen es immer mindestens drei Referenzen sein? Reicht mitunter nicht nur eine? Außerdem ist der Rückgriff auf etablierte Unternehmen kein automatischer Garant dafür, dass der in Rede stehende Auftrag genauso gut erfüllt wird, wie der vorherige. Das zeigt zum Beispiel die Entwicklung zur Corona-Warn-App.

Darüber hinaus bietet das Vergaberecht mit der sogenannten Innovationspartnerschaft ein Verfahren, das sehr gut für die Entwicklung von neuen Produkten geeignet ist, und dem Entwickler am Ende einen wirtschaftlichen Gewinn verspricht. Das Verfahren muss nur angewendet und Erfahrungen damit gesammelt werden. Alternativ reicht mitunter auch eine funktionale Leistungsbeschreibung.

Insgesamt ist die öffentliche Hand gut beraten, auf Start Ups zuzugehen und sie mit dem Vergaberecht vertraut zu machen. So wie es unter anderem in Bayern geschehen ist. Dort wurde nicht nur mit Vertretern der Szene das Vergabeverfahren hinsichtlich der Beteiligungsmöglichkeiten durchforstet. Es wurden auch die dazugehörenden Verwaltungsvorschriften überarbeitet und eine Checkliste für Start Up-freundliche Vergaben entwickelt. Vor allem aber muss die öffentliche Hand noch stärker auf die Markterkundung setzen und mehr Zeit für diese Aufgabe im Vorfeld einer Ausschreibung investieren. Denn nur so kann auf die zum Teil sehr kurzen Produktionszyklen bei Start Ups aufmerksam gemacht werden. Nur so können Start Ups bei der Suche nach der innovativsten und wirtschaftlichsten Lösung berücksichtigt werden.

Und auch für die jungen Unternehmen lohnt es sich, sich mit der Thematik und den praktischen Dingen vertraut zu machen. Nicht umsonst hat sich unter Start Ups eine sogenannte “Govtech”-Szene etabliert, die sich auf die öffentliche Hand spezialisiert hat. Am Ende können beide Seiten nur gewinnen.

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