Freitag, 26. April 2024

7 Institutionen – 2 Verbände – und viele Beteiligte

Must read

Das Projekt „Verbund Inklusion“

Im Projekt „Verbund Inklusion“ haben sich sieben Museen zusammengeschlossen. Ihr gemeinsames Ziel: Erproben, wie Inklusion in kulturellen Institutionen nachhaltig eingelöst und strukturell verankert werden kann.

Was bedeutet Inklusion für Museen? Inklusion reicht weit über Barrierefreiheit und Integration hinaus. Inklusion bedeutet, niemanden auszuschließen – und hierfür bedarf es entsprechender Strukturen auch an Museen. Laut UN-Konvention müssen Museen weitgehend barrierefrei und inklusiv gestaltet werden, nicht nur baulich, sondern auch inhaltlich. Doch fehlen Museen häufig die Voraussetzungen, einen solchen Weg einzuschlagen und ihn konsequent realisieren zu können. Seit 2018 fördert die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien das Projekt „Verbund Inklusion“. Sieben Kulturinstitutionen mit weitreichenden Erfahrungen im Bereich der inklusiven Arbeit erproben hier gemeinsam, wie Strukturen nachhaltig verändert werden können und welche Ressourcen – zeitlich, personell und finanziell – dafür notwendig sind. Sie arbeiten hierzu jeweils vor Ort an eigenen Teilprojekten. Bei gemeinsamen Workshops und Arbeitstagungen werden die Erfahrungen dann geteilt und diskutiert, zudem werden übergreifende Fragestellungen erörtert. So können die individuellen Erkenntnisse in einem kooperativen Prozess zusammengeführt und Transfereffekte für andere Häuser ermöglicht werden. Grundlegende Voraussetzung für solche Prozesse ist, dass Museen sich als lernende Institutionen verstehen, die Veränderungen von Haltungen und Strukturen nicht nur ermöglichen, sondern bewusst vorantreiben. Im Fokus steht also sehr stark der Blick auf die Institution Museum – jedoch nie als reiner Selbstzweck: Immer geht es maßgeblich darum, für und mit dem Publikum zu arbeiten.

Die teilnehmenden Museen entwickeln vor Ort Maßnahmen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten. So arbeitet das Deutsche Historische Museum Berlin etwa an der Idee einer Sensory Map bzw. eines Social Guide. Auf solchen Karten werden Angebote zu Inklusion und Informationen zu möglichen Störfaktoren wie Lautstärke, Gerüche, Lichtverhältnisse etc. übersichtlich dargestellt. Damit können Besucher*innen ihren Ausstellungsbesuch intensiv vorbereiten. Das Haus der Geschichte hingegen entwickelte u.a. für die beiden Standorte Bonn und Leipzig inklusive Mediaguides mit zahlreichen Spuren, z.B. deutsche Alltagssprache, Fremdsprachen und Deutsche Gebärdensprache. Das Team hat den Content selbst erstellt, der Prozess wurde von externen Berater*innen aus den Betroffenengruppen begleitet und geprüft. Auch die Landesmuseen in Schleswig-Holstein entwickelten einen inklusiven eGuide. Die Bundeskunsthalle in Bonn und das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden hingegen legten einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darauf, inklusive Standards für Sonderausstellungen zu entwickeln und zu implementieren. Die Klassik Stiftung Weimar sucht nach Strategien, wie sich Inklusion in Dauerausstellungen frühzeitig verankern lässt. Hier geht es etwa um die Entwicklung eines Designs für Alle sowie die Arbeit mit Fokusgruppen. In Hamburg am Museum für Kunst- und Gewerbe wird erprobt, wie mit Hilfe infrastruktureller und baulicher Maßnahmen der Zugang und die Teilhabe für möglichst viele Menschen ermöglicht und das Museum weiter für eine diverse Gesellschaft geöffnet werden kann. Das Interesse richtete sich insbesondere auf ästhetische und funktionale Lösungen.

Um diese äußerst heterogenen Module für das Projekt nachhaltig zusammenführen zu können, entwickelten die Projektpartner eine gemeinsame Matrix. Diese enthält Fragestellungen, die auf alle Projekte angewendet werden. Auf dieser Basis können übergreifende Themen herauskristallisiert und in gemeinsamen Arbeitstreffen vertieft werden. Bislang beschäftigen sich die Projektpartner*innen hier z.B. mit der Fragestellung, wie die Mitarbeiter*innen der eigenen Institution für das Thema sensibilisiert und als „Verbündete“ gewonnen werden können. Diskutiert wurde über Weiterbildungen und Kompetenzen, aber auch über Strukturen und Verantwortlichkeiten: Wie ist das Thema Inklusion am Haus am besten zu verankern? In zentraler Form mit einer Stabsstelle bzw. mit Inklusionmanager*innen oder besser als Querschnitts-AG mit Beteiligten aus allen Bereichen? In der Diskussion ergab sich, dass individuelle Lösungen sinnvoll sind, dass eine inklusive Strategie aber nur dann funktionieren kann, wenn sie auch von der Leitung eines Hauses gewollt und überprüft wird. Neben Ressourcen und Standards stehen auch Themen wie Evaluierung, Arbeit mit Expert*innen (in eigener Sache) oder die Rolle von Foyers auf der Agenda. Ein weiteres Thema ist – verstärkt auch durch Corona – die Digitalität: digitale Maßnahmen und digitales Marketing mit Blick auf Barrierefreiheit. Hier werden nicht nur Erfahrungen in der Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben (BITV 2.0) diskutiert, sondern auch weiterreichende Herausforderungen wie Universal Design oder inklusive Social Media-Arbeit.

Zwei Verbände begleiten und beraten die Museen im Projekt: Das Netzwerk Kultur und Integration (Remscheid) sowie der Bundesverband Museumspädagogik e.V. Im Bundesverband hatte sich bereits 1995 eine Fachgruppe für Barrierefreiheit gegründet. Sie vertritt heute einen umfassenden Anspruch von Inklusion, da in Museen vielfach auch Menschen ohne körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen – im Sinne einer sozialen Exklusion – ausgegrenzt werden, etwa durch Art der Besucheransprache, durch elitäre Präsentationsformen oder die Gestaltung von Eintrittspreisen.

Fazit: Inklusion macht Arbeit, kostet Ressourcen und stellt bisweilen das eigene Selbstverständnis sowie das des Teams und der Institution gründlich auf den Kopf – doch tragen all die Veränderungsprozesse auf dem Weg zum inklusiven Museum letztlich zur Besucherfreundlichkeit eines Museums insgesamt bei und kommen somit allen Besucher*innen und der Institution selbst zugute.

Dr. Elke Kollar ist 1. Vorsitzende des Bundesverbands Museumspädagogik e.V. und Leiterin der Abteilung Kommunikation sowie des Referats Kulturvermittlung am Badischen Landesmuseum Karlsruhe. Arbeitsschwerpunkte: Kulturelle Bildung im Museum; Kommunikation; regionale, nationale und internationale Vernetzung; Besucher*innen-Orientierung und Ausstellungsdidaktik; Schnittfelder kultureller und politisch-historischer Bildung.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel
- Werbung -

More articles

Latest article