Donnerstag, 9. Mai 2024

Und ewig grüßt der Zeitvertrag?

Die Macht der Wissenschaft

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Befristung in der Wissenschaft – BMBF-Entwurf sorgt für Empörung

Eigentlich wollte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 6. Juni einen Kompromiss vorstellen, mit dem Ruhe in die Debatte um Fristverträge in der Wissenschaft kommen sollte. Stattdessen braute sich bereits direkt im Anschluss an die Pressekonferenz von Bundesministerin Stark-Watzinger (FDP) ein veritabler Shitstorm in den sozialen Medien zusammen. Sogar die eigenen Koalitionspartner distanzierten sich prompt: Sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen verweigerten ihre Unterstützung. Dabei war noch bis am Vorabend verhandelt worden – offenbar ohne Erfolg.

Sonderarbeitsrecht mit Folgen

Grundlage für die Befristung von wissenschaftlichen Beschäftigten an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen ist ein Sonderarbeitsrecht, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Es erlaubt in der Regel zwölf Jahre sachgrundlose Befristung (sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion) und bietet hierüber hinaus großzügige Befristungsmöglichkeiten in drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten.

In der Folge gibt es unbefristete Verträge fast nur noch für Professor*innen, angestellte Wissenschaftler*innen sind zu 80 Prozent befristet beschäftigt. Die andauernde Unsicherheit wird von ihnen insbesondere nach der Promotion als starke Belastung empfunden. Kinderwünsche werden häufig zurückgestellt und auch später oft nicht mehr realisiert. Und immer mehr Wissenschaftler*innen wechseln ins Ausland, wo es ein vergleichbares Dauerbefristungssystem nicht gibt.

Ministerin ohne Blick für die Interessen der Beschäftigten

Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag verlässlichere Berufswege angekündigt. Doch hiervon ist im BMBF-Entwurf kaum noch etwas zu erkennen. Zwar sollen Mindestvertragslaufzeiten eingeführt werden, diese bleiben aber so kurz, dass sie kaum breitere Wirkung entfalten werden. So sind etwa für die Promotion drei Jahre vorgesehen, durchschnittlich dauern Promotionen derzeit aber mehr als fünfeinhalb Jahre (ohne Medizin).

Für Promovierte sollen keine Entfristungen, sondern nur kürzere Fristverträge vorgesehen werden – das würde absehbar vor allem den Druck auf die Beschäftigten erhöhen und damit die Lage sogar noch verschärfen. Offenbar hat sich die Ministerin entschieden, die Perspektive der Arbeitgeberseite einzunehmen und die Erwartungen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften in den Wind zu schlagen.

Die Tarifpartner sollen nicht einmal die Chance bekommen, bessere Regelungen auf dem Verhandlungsweg zu erreichen: Die umstrittene Tarifsperre, die dies verbietet, soll bestehen bleiben. Vergleichbare Einschränkungen der Tarifautonomie gibt es sonst nur bei den Kirchen.

Jetzt ist der Bundestag am Zug

Der vorliegende Gesetzesentwurf kann von jungen Wissenschaftler*innen nur als Empfehlung verstanden werden, sich von öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen abzuwenden und ihre berufliche Zukunft lieber in der Privatwirtschaft zu suchen. Dieses Signal ist fatal. Der Bundestag sollte den BMBF-Entwurf zur Seite legen und einen neuen Anlauf für eine echte Reform nehmen.


(Foto: Privat)

Sonja Staack ist Bundesfachkommissionsleiterin Hochschule und Forschung bei ver.di, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft.

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