Freitag, 10. Mai 2024

Ein beispielhafter Rekord

Rekordverdächtig

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Jonas Benecke
Jonas Benecke
Jonas Benecke ist Werkstudent beim Behörden Spiegel und unterstützt die Online Redaktion beim Audio- und Videoschnitt, sowie bei Recherchearbeiten und der Vorbereitung von F4p Beiträgen. In seiner Freizeit produziert er gerne Musik und arbeitet an eigenen Remixes.

Die skandinavischen Länder halten einen besonderen Rekord. Sowohl in Dänemark, Schweden, Island als auch Norwegen liegt der Anteil der arbeitenden Bevölkerung im Öffentlichen Dienst bei etwa 30%. Damit sind sie Spitzenreiter unter den OECD Ländern. Gegenüber steht Deutschland mit 11%. Doch was machen die skandinavischen Länder richtig, um den Öffentlichen Dienst attraktiv zu gestalten und was macht Deutschland im Gegenzug falsch? 

Die Gründe sind vielfältig. Im Folgenden wird deutlich, wo die Unterschiede zwischen Skandinaviens Staaten und Deutschland im Öffentlichen Dienst liegen, und wo es bei uns mit Sicherheit noch Nachholbedarf gibt. 

Werteorientierung und Denkmuster 

In seinem Modell der Kulturdimensionen geht der niederländische Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologe Geert Hofstede auf fünf für eine Kultur ausschlaggebende Faktoren ein. Machtdistanz, Individualität, langfristige Orientierung, Ungewissheitsvermeidung und Maskulinität. Die skandinavische Ländergruppe zeichnet sich auf diesem Index im Vergleich mit anderen Ländern durch die geringsten Werte in Machtdistanz und Maskulinität, verbunden mit einer hohen Toleranz gegenüber Unsicherheit, aus. Diese Werteorientierungen sind bereits Ausdruck einer Care-Ökonomie, in der soziale Dienstleistung eine wichtige Rolle spielen und die Distanz zu Behörden und Autoritäten gering ist. 

Ausgewogene Machtverteilung zwischen Arbeit und Kapital 

Diese findet besonders in der gewerkschaftlichen Organisation eines Land ihren Ausdruck. Während 2019 beispielsweise 91% der isländischen sowie etwa zwei Drittel der dänischen und schwedischen Bevölkerung gewerkschaftlich vertreten war, lag dieser Wert in Deutschland bei gerade mal 16%. Diese Gewerkschaften werden in Skandinavien im korporatistischen Sinne in die politischen Entscheidungen mit einbezogen und es gibt gut ausgebaute gesetzliche Regulierungssysteme, die Arbeitnehmende schützen. 

Nachhaltige Staatlichkeit 

Auf dem „Fragile-States-Index“ von „The Fund Of Peace“ belegen Norwegen, Island und Finnland die letzten drei Plätze und gelten damit als besonders nachhaltig. Für die Platzierung auf dem Index sind unter anderem Faktoren wie Kriminalisierung, Delegitimierung staatlicher Macht und die Verletzung von Menschenrechten ausschlaggebend. Beim Faktor Staat ist wichtig, dass alle skandinavischen Staaten seit 1970 gewachsen sind. Auf eine Phase des quantitativen Ausbaus folgte ein qualitativer Umbau. Auch in den skandinavischen Ländern gab es eine Marktliberalisierung und Privatisierungen. Im Bereich sozialer Dienstleistungen jedoch weitete sich die staatliche Zone stetig aus und private Beschäftigungsverluste wurden staatlich kompensiert. Im Sektor der sozialen und gesellschaftlichen Dienstleistungen gibt es zwar auch private Anbieter, jedoch ist für diese durch die hoch regulierten und qualitätsorientierten staatlichen Anbieter wenig Wettbewerbsspielraum. 

Der Staat als Vorbild 

Im skandinavischen Modell ist der Staat auch maßgeblich an der Güterproduktion beteiligt. Auf diese Weise kann er als Vorbild für den Rest der Gesellschaft dienen. Dies manifestiert sich in den skandinavischen Ländern besonders bei der Umstellung auf erneuerbare Energien. Außerdem ist der Staat Vorreiter, was die Geschlechterbalance im Management betrifft. Abseits davon wird auch die Kinderbetreuung in kommunale und nicht privatisierte Hände gegeben. In allen Ländern des skandinavischen Clusters bis auf Norwegen liegt die Rate der kommunal organisierten Kindertagesstätten bei über 80%. Dieses Feld wird stark durch öffentliche Finanzierungsabteile gestützt. 

Output- statt Input-Policy 

Der letzte und vielleicht wichtigste Aspekt besteht in der Steuerung der Finanzierung des Öffentlichen Dienstes. In Deutschland funktionierte dieser lange Zeit nur über die sogenannte Input-Steuerung. Bei dieser sind jedem Amt durch den Haushaltsplan verschiedene finanzielle Mittel fest zugewiesen. Der Haushaltsplan ist somit das primäre Steuerungselement. Eine Steuerung am erzeugten Output findet somit allerdings nicht statt und der Haushaltsplan legt auch keine Verantwortungen bezüglich des erstellten Outputs bzw. dessen hervorgerufener Wirkungen fest. Außerdem findet die Steuerung nicht Resort übergreifend statt. Seit rund 15 Jahren ist die Input-Steuerung durch die Doppik-Steuerung in den meisten deutschen Kommunen ersetzt, bei der durch die Gegenüberstellung von Schulden und Vermögen die Ressourcenverwendung klar ersichtlich wird. Allerdings muss gesagt sein, dass diese Art der Steuerung immer noch inputorientiert gesteuert werden kann. Im Gegensatz dazu erfolgt in den skandinavischen Ländern die Steuerung der Ressourcenbereitstellung mit Blick auf die Outcome-Ziele und stützt sich dabei auf wissenschaftliche Standards und Fachmeinungen. Für alle Bereiche gibt es Qualitätsgarantien, die in einer so detaillierten Form in Deutschland nicht existieren. 

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